Predigt zum Sonntag „Septuagesimä“ - 1.2.2015 Textlesung: Mt. 20, 1 - 16a Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. Und er ging aus um die dritte Stunde und sah ande- re müßig auf dem Markt stehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe. Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand einge- stellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg. Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder emp- fing seinen Silbergroschen. Als aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben. Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig ge- worden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem letzten das- selbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein. Liebe Gemeinde! Ein Weinbergbesitzer oder irgendein anderer Unternehmer, der heute „Tagelöhner“ eingestellt hat, würde es mit der Auszahlung des Lohns am Ende mit Sicherheit anders halten. Von ihm würde es heißen: Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: „Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den ersten bis zu den letzten.“ Ein Unternehmer unserer Tage, wenn er überhaupt auf so eine Idee käme, wollte nämlich nicht, dass die ersten mit- bekommen, dass er den letzten genauso viel auszahlen lässt wie ihnen. Warum aber ist das in dieser biblischen Geschichte anders? Sicher werden wir sagen, weil hier nicht von unserer Welt und ihren Gepflogenheiten die Rede ist, sondern vom „Himmelreich“. So hören wir es ja auch gleich am Anfang: „Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn...“ Und bei „Hausherr“ fällt uns sofort ein, dass die Geschichte von Gott handelt. Gott tut solche Dinge - und eigentlich denken wir insgeheim: Nur er macht so etwas. Schließlich bin ich auch fast sicher, dass wir das Verhalten des Weinbergbesitzers ungerecht fin- den. So etwas geht doch nicht! Arbeiter, die nur eine Stunde gearbeitet haben, kriegen dasselbe wie die, denen die Last und die Hitze des Tages zwölf Stunden lang zugesetzt hat! Was für eine Ar- beitsmoral käme denn da heraus, wenn alle Unternehmer so verfahren wollten? Es gibt da allerdings auch die andere Seite: Wie würden wir uns fühlen, wenn wir die Arbeiter der elften Stunde wären? Ziemlich gut, nicht wahr? Wir hätten ja sicher nicht damit gerechnet, dass wir dasselbe ausgezahlt bekommen wie die Arbeiter der ersten Stunde. Aber ganz gewiss wäre es uns lieber gewesen, der Verwalter hätte die Auszahlung umgekehrt vorgenommen: erst denen gegeben, die den ganzen Tag gearbeitet haben. So wie er’s gemacht hat, wäre es uns bestimmt unangenehm und wir würden nach Gründen suchen, warum es uns zusteht, dieselbe Summe zu bekommen wie die Ersten: Weil wir halt besser gearbeitet haben oder schneller... Liebe Gemeinde, es bleibt dabei: Diese Geschichte ist anstößig und Jesus hat sie bewusst so erzählt, dass sie Anstoß erregt: So ist Gott - will er uns sagen - so wie dieser Weinbergbesitzer. Und Gott will das auch nicht verbergen! Der Verwalter wird angewiesen, bei der Auszahlung genauso vorzugehen, dass sich die Arbeiter der ersten Stunde ungerecht behandelt fühlen. Und er bringt den einen und alle damit zum Schweigen: „Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Ich will aber diesem letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist?“ Was soll einer nun dagegen sagen? Der hier „Freund“ genannt wird und wir müssen dem Herrn des Weinbergs Recht geben! - Ich sehe jetzt einige Möglichkeiten, mit dieser anstößigen Geschichte weiter zu verfahren. Die erste ist diese: Wir können sagen: Das ist eine schöne Geschichte, zu schön, um wahr zu werden. Unsere Welt ist nicht so. In unserem Wirtschaftssystem hat ein solches Vorgehen keinen Platz. Da gäbe es bald unzählige Arbeiter, die sich erst zur letzten Stunde zur Arbeit melden würden. Oder wir sagen: Das ist ja eine Geschichte, die im Himmelreich spielt! Dort mag das vielleicht einmal so sein. Wenn wir alle in Gottes neuer Welt leben, dann wird uns das auch nicht mehr stö- ren, dass alle den gleichen Lohn bekommen. Aber hier!? Schließlich könnten wir auch so denken: Jesus wollte eigentlich solch ein „Wirtschaftssystem“ ein- führen, wie es hier beschrieben wird. Es hat aber leider nicht geklappt. Es ist vielmehr an der Härte und der mangelnden Nächstenliebe der Menschen gescheitert. Vielleicht gibt es noch weitere Erklärungsversuche dafür, dass es eine so weltfremde Geschichte ins Evangelium geschafft hat. Aber gehört sie dort wirklich hin? Ist sie denn nicht völlig unrealistisch? Liebe Gemeinde, ich hoffe es erstaunt sie jetzt und es erregt bei Ihnen neuerlich Anstoß, wenn ich sage: Genau dort gehört die Geschichte hin, mitten hinein ins Evangelium, in die frohe Botschaft, in die gute Nachricht von Gott, die uns Jesus Christus ausgerichtet hat! Denn ob uns das nun ge- fällt, dass Gott so ist wie dieser Weinbergbesitzer, ob wir diese Geschichte nun weltfremd und nur für das Reich Gottes gültig halten, so, genauso soll es sein, so sollen auch wir füreinander empfin- den und miteinander umgehen wie der Hausherr in der Geschichte. Dazu muss sich nur unsere Sicht auf die Geschichte ein wenig ändern: Warum sind wir denn gleich empört, wenn die Arbeiter, die länger gearbeitet haben, nur denselben Lohn empfangen wie die Arbeiter der letzten Stunde? Wir könnten uns doch stattdessen freuen für die, die am Ende auch mit genug Geld nach Hause gehen, dass sie sich und ihre Familien ernähren können. Und wer sagt denn, dass sie sich morgen wieder erst zur elften Stunde einstellen lassen? Ich glaube eher, sie sind so glücklich über die Güte des Weinbergbesitzers, dass sie sich morgen umso früher aufmachen und umso mehr anstrengen werden! - Denken wir so nicht alle? Und warum halten wir das Verhalten des Hausherrn denn für ungerecht? Hat er denn irgendeinem von den Arbeitern mehr versprochen als das, was er ihnen jetzt auszahlen lässt? Fänden wir es denn wirklich gerecht, wenn er den Arbeitern der ersten Stunde am Ende einen Silbergroschen geben würde und den letzten nur den zwölften Teil davon? Täten uns die Letzten denn nicht leid, wenn sie nach Hause gehen müssten, ohne dass sie und ihre Kinder an diesem Tag satt werden? - Ich glaube nicht, dass wir so sein könnten. So hart und so lieblos. Und warum denken wir nur, der Weinbergbesitzer dürfe auch mit seinem Eigentum nicht so umge- hen, so leichtfertig und so, dass es die Moral der Leute verdirbt. Davon geht doch nicht gleich das ganze Wirtschaftssystem unter, wenn einem einmal sein Geld so locker in der Tasche sitzt. Ja, wünschten wir uns nicht, dass es viel mehr reiche Menschen gäbe, die nicht immer nur und immer mehr raffen und Geld horten, sondern von ihrem Geld und Gut denen abgeben, die ihre Unterstüt- zung zum Leben und zum Überleben notwendig und dringend brauchen? Dabei fällt mir ein, dass ich gerade gehört habe, dass die 80 reichsten Menschen dieser Welt in den vergangenen fünf Jahren noch einmal doppelt so reich geworden sind. Und sie sind nicht bereit, da- von den Armen angemessen abzugeben! Wundert Sie es da nicht auch, dass wir uns über diese ei- gentlich unglaubliche Hartherzigkeit weniger aufregen als über den Weinbergbesitzer, der ein paar Arbeitern ein bisschen zu viel auszahlt? Aber zurück zu den Arbeitern im Weinberg: Ich glaube nicht, dass es hier um ein Wirtschaftsmo- dell geht, das wir flächendeckend einführen sollen wie etwa den Mindestlohn. Es geht vielmehr um die innere Haltung, die wir dazu haben, es geht um unser Herz: Können wir es ertragen, wenn Men- schen, auch wo sie vielleicht nicht so viel leisten wie wir, doch ihr Auskommen haben und nicht ins Elend abrutschen. Dahinter steht sicher immer auch die Frage, sehen wir noch, dass es auch bei und für uns ganz anders sein könnte und so, dass wir die Barmherzigkeit anderer brauchen. Auf die Barmherzigkeit Gottes sind wir alle sowieso angewiesen, auch wenn wir das oft nicht mehr sehen und schon gar nicht wahr haben wollen. Und noch eine Frage stellt uns diese Geschichte: Können wir uns noch mit anderen Menschen freuen, wenn denen - vielleicht ganz unverhofft - ein solches Glück widerfährt wie hier den Arbeitern der elften Stunde? Oder gilt für uns, was wir hier am Ende vom Hausherrn hören müssen: „Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?“ AMEN