Predigt zum 18. Sonntag n. Trinitatis - 21.9.2008 Textlesung: Eph. 5, 15 - 21 So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und nutzt die Zeit; denn es ist böse Zeit. Darum seid nicht töricht, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Liebe Gemeinde! Gewiss sind das Worte, die uns einiges zumuten und uns nicht so schnell eingehen: Führt euer Le- ben als Weise ... sauft euch nicht voll ... lasst euch vom Geist erfüllen ... ermuntert einander mit Psalmen und geistlichen Liedern ... Aber lassen wir das einen Augenblick so stehen. Fragen wir einmal: Was ist das eigentliche, das Grundanliegen dieser Verse? Wie so oft im Neuen Testament begegnet uns in diesem kurzen Abschnitt aus dem Epheserbrief wieder der Gedanke, dass die Weltzeit bald zu Ende geht und Christus wiederkommt. Es ist hier nur ein kleiner Hinweis, drei Wörtchen bloß, aber sie machen deutlich, in welchem Geist die Verse dieses Abschnitts und eigentlich der ganze Brief geschrieben sind: „... nutzt die Zeit!“ Und wir können hinzufügen: ... nutzt die Zeit ... bis Christus zum Weltgericht erscheint. Wir Christinnen und Christen des 21. Jahrhunderts haben sicher Probleme, uns auf den Gedanken einzulassen, dass Christus bald sichtbar wiederkommt, vielleicht in Monaten oder wenigen Jahren, um die Welt zu ihrem Ende zu führen. Immerhin warten die Menschen, die an ihn glauben, ja schon seit bald 2000 Jahren - bisher vergeblich, wie es scheint. Wir könnten nun den Gedanken von der baldigen Wiederkunft Christi fallen lassen und sagen: Die Jünger und die ersten Christen haben den Herrn einfach nur falsch verstanden! Er hat gar nicht von Monaten oder nur ein paar Jahren gesprochen, sondern von einer ganz anderen, viel größeren Span- ne Zeit - dem Wort entsprechend, das wir ja auch in der Bibel lesen: Vor Gott sind 1000 Jahre wie ein Tag? Aber noch ein zweites Verständnis von Christi Wiederkunft ist möglich: Haben die ersten Chris- tengemeinden den Herrn noch zu ihren Lebzeiten zurück erwartet, so erwarten wir ihn heute - in ei- ner Zeit, in der die Christen nach Millionen zählen - jeder für sich und gesondert am Ende des eige- nen Erdenlebens. Ich persönlich kann das gut mit meinem Glauben vereinbaren! Jedenfalls werden wir die Worte des Epheserbriefs - wie so viele andere Texte mit ähnlichen Hin- weisen auf die Wiederkunft Christi - nur verstehen und beherzigen können, wenn wir wirklich noch auf irgend eine Weise auf Christus warten. Anders gesprochen: Wenn für uns nichts mehr aussteht, wenn wir nicht mehr auf ihn warten, dann werden wir das Anliegen solcher Verse nicht begreifen können und auch diese Mahnung heute: „Nutzt die Zeit!“ wird uns nicht nahegehen. Wir wollen uns das jetzt einmal sagen lassen und ernst nehmen: Nutzt die Zeit, denn es wird einmal keine Zeit mehr sein. Bereitet euch darauf vor, dass Christus für euch erscheint und euch fragt, wie ihr gelebt und was ihr aus eurem Leben gemacht habt. Sie spüren das jetzt auch, wie bedrängend solche Gedanken doch sind und wie gut es auf der ande- ren Seite ist, eben noch Zeit zu haben! Und vielleicht sprechen die Verse aus dem Epheserbrief jetzt da hinein und können uns helfen, die Zeit, die uns noch bleibt, sinnvoll zu verbringen und nicht zu vergeuden. Und ich gehe da jetzt noch einen Schritt weiter und will jede und jeden von uns ganz persönlich ansprechen, also nicht mit Worten an uns alle: „Nutzt die Zeit“, sondern mit der ganz persönlichen Anrede: „Nutze die Zeit!“ Und in diesem Sinn will ich die Worte aus dem Epheser- brief einmal in die Sprache unserer Tage übertragen. Das könnte sich so anhören: Achte darauf, dass du dein Leben als Christin, als Christ führst und nicht wie ein Mensch, der Gott nicht kennt und von seinem Sohn Jesus Christus noch nie etwas gehört hat. Lebe wie ein Mensch, der weiß, dass er Gott alles verdankt, was er ist und hat. Nutze deine Zeit, denn es ist eine Zeit, die das Bekenntnis zu Gott, sein Wort und seine Weisung bitter nötig hat. Sei nicht dumm, sondern achte genau auf das, was der Wille Jesu Christi ist. Halte dich fern von Alkohol und Drogen, die doch nicht zum Leben helfen, sondern nur betäuben, keine Probleme lösen, vielmehr nur neue schaffen und dein Wesen zum Schlechten hin verändern und alles nur schlimmer machen. Gib dem Geist Gottes in deinem Leben Raum, dass er dein Herz und deine Seele erfüllen kann! Halte dich zur Gemeinde, zu ihrem Leben und zu ihren Gottesdiensten. Lass dich von Gottes Wort aufbauen, singe und bete - auch für andere. Vergiss das Lob Gottes nicht, singe und spiele ihm geistliche Lieder, öf- fentlich in der Gemeinde und in deinem Herzen. Sage Gott dem Vater allezeit Dank für alles, was er dir schenkt im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Liebe Gemeinde, sicher ist es so ja ein wenig deutlicher geworden, um was es hier geht. Und ich finde, wenn man diese Worte so hört, sind sie auch keine Zumutung mehr, eher ein großes Stück Lebenshilfe! Und so gehen uns diese Worte auch gut ein, sind ganz klar und gar nicht mehr unbeg- reiflich. Ja, mehr noch: Ich glaube, wenn man sich an diese Empfehlungen hält, ist man auf dem besten Wege zu einem Leben, das auch glücklich und zufrieden macht. Denn ein Leben mit Gott und nach seinem Willen zu führen, soll uns ja nicht die Freude verderben, uns nicht unterdrücken und belasten, sondern uns froh und fröhlich machen! Oft ist es aber so, dass wir Dinge für das wirkliche, volle Leben halten und ihnen nachlaufen, die eigentlich nur kurze Zeit erfreuen und dann den Wunsch nach mehr, nach teurerem Gut und immer größeren Gaben wecken. Und hat man die dann schließlich in Händen, dann muss es wieder mehr sein. Niemals kommt das an ein Ende. Echte Erfüllung erreichen wir so nie! Umgekehrt gibt es aber auch Menschen, die vielleicht in unserer Zeit von vielen belächelt werden, die mit den Weisungen des Epheserbriefs leben und sie nach Kräften verwirklichen. Mir fällt dazu eine alte Frau ein, die bis ins hohe Alter hinein, wenn sie dazu nur gesund genug war, keinen Gottesdienst ihrer Gemeinde versäumt hat. Jeden Morgen hat sie die Losung gelesen und an Gesangbuchliedern kannte sie bestimmt an die Hundert auswendig. Wenn andere sich am Abend vor den Fernseher gesetzt haben, hat sie ihre zerlesene Bibel aufgeschlagen, die ihr die Mutter zur Konfirmation geschenkt hat. Und bevor sie sich gelegt hat, hat sie lange gebetet - nicht nur für sich, sondern für eine ganze Reihe anderer Menschen, deren Leid oder deren Freude ihr zu Ohren ge- kommen war. Ich weiß schon, dass sich das eigentlich ganz unglaublich anhört. Aber so ist es gewesen. Und diese Frau hat in ihrem Leben nie Langeweile gehabt und nie darüber geklagt, dass ihre Leben eintönig oder farblos wäre. Und sie hat sich auch nie geärgert, wenn sie irgendetwas nicht erreicht hat oder nicht haben konnte - und sie hatte wirklich nicht viel. Und ich weiß auch, dass ich für solch ein Leben heute niemanden mehr gewinnen kann - auch keine älteren Menschen, aber schon gar keine jungen. Warum ich doch von ihr erzählt habe? Weil sie ein Beweis dafür ist, dass ein Leben, zu dem uns die heute gehörten Verse einladen, möglich ist und keineswegs unerträglich und öde! Trotzdem: Genau so ein Leben wird auch gar nicht von uns ver- langt. Aber eine Anregung kann es schon sein, es wenigstens hier und da, mit dem einen oder ande- ren zu versuchen, was uns näher zu dem bringt, was diese Verse empfehlen: Vielleicht ist das mor- gendliche Lesen der Tageslosung ein Anfang? Oder wir schlagen hin und wieder in einem Däm- merstündchen unsere Bibel auf. Und am Sonntag gehen wir in unsere Kirche - auch einmal zwi- schendurch, wenn wir nach unserer eigenen Ordnung oder der unserer Familie eigentlich gar nicht „dran“ sind. Gewiss aber wird es unser Abendgebet und unser Herz bereichern, wenn wir dem Dank wieder mehr Raum geben. Noch manches andere könnten wir beginnen, was ich jetzt ihrer Fantasie überlassen möchte. In jedem Fall ist unsere Kirchengemeinde der Ort, an dem wir uns auch mit anderen austauschen können und in unserem Glauben und unserer christlichen Lebensführung Hilfe finden. Ich bin ganz sicher, dass aus unseren noch so bescheidenen Versuchen, unsere Zeit besser zu nutzen und uns so zu verhalten, als käme der Herr morgen wieder, ein neues erfüllteres und zufriedeneres Leben entstehen wird. Und Sorgen darum, dass unser Herr wiederkommt - ob am Ende unseres Le- bens oder der Welt - müssen wir uns schon gar nicht machen. AMEN