Predigt zum 17. Sonntag n. Trinitatis - 14.9.2008 Textlesung: Eph. 4, 1 - 6 So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe, und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: EIN Leib und EIN Geist, wie ihr auch berufen seid zu EINER Hoffnung eurer Berufung; EIN Herr, EIN Glaube, EINE Taufe; EIN Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen. Liebe Gemeinde! Ich habe lange darüber nachgedacht, was eigentlich das Wichtigste an diesen sechs Versen ist, denn über all diese gewichtigen Dinge kann ich nicht in einer Predigt sprechen. Aber worüber reden, denn da kommt ja doch einiges in Frage: „Berufung, Demut, Sanftmut, Geduld, Liebe, Einigkeit, Frieden, Hoffnung, Glaube ...“ Und das ist noch nicht einmal alles! Mit dem Pauluswort aus dem 1. Korintherbrief (13,13) im Ohr, das uns bei dieser Aufzählung ja sicher eingefallen ist, werden wir vielleicht in der „Liebe“ die Mitte dieser Verse sehen, denn dort - im so genannten Hohenlied der Liebe - heißt es ja: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Und da hier von allen drei Dingen gesprochen wird, müssten wir schon der Liebe den Vorrang geben! - Ich will aber aus gutem Grund etwas anderes mit ihnen bedenken, den Begriff nämlich, der hier zwar auch nur einmal steht, auf den aber einige andere hinweisen. Ich meine die „Einigkeit“ von uns Christinnen und Christen, als der eine Leib Christi, in einem Geist, in einer Hoffnung, mit dem einen Herrn, in einem Glauben und durch die eine Taufe! Und schließlich eint uns das alles vor Gott, dem einen Vater aller Menschen. Wie sieht es mit der Einigkeit bei uns evangelischen Christen aus? In der Kirche erschreckt mich in den letzten Jahren zunehmend, dass es immer weniger gibt, was für uns „Evangelische“ verbindlich wäre. Ein Beispiel dafür: Da werden Bücher und Artikel veröffentlicht, die dem Sühnopfer Christi und damit seinem Kreuz als Mitte unseres Glaubens den Abschied geben. Die Verfasser sind Theologen, Professoren sogar. Dann wartet man auf Gegenar- tikel, auf Leserbriefe, die sich dagegen verwahren, unserem evangelischen Glauben und eigentlich ja dem Evangelium selbst seinen wichtigsten Inhalt zu nehmen. Aber dann muss man staunen: Es gibt - bei denen, die sich überhaupt äußern - viel mehr Zustimmung als Ablehnung, viel mehr Verständnis für die neue Botschaft als klare Worte und Stellungnahmen dagegen. Und selbst die Kirchenleitungen der Landeskirchen meinen in Veröffentlichungen die Glaubenstatsache des Op- fertods Christi neu deuten und belegen zu müssen, wo doch eindeutig die Grenze theologischer Freiheit in der Auslegung der Heiligen Schrift überschritten ist. Auf den Punkt gebracht geht es in der theologischen Debatte der Gegenwart darum, dass Leute, die sich Theologen nennen, weite Teile des Alten - und den Großteil des Neuen Testaments, den Katechismus Luthers und die meis- ten Lieder unseres Gesangbuchs uminterpretieren, um nur die wichtigsten Maßnahmen zum Abbau unseres Glaubensgrunds zu nennen. Gott sei Dank gibt es auf der anderen Seite auch noch Theolo- gen und Christen, die hier standhaft gegenhalten und den Opfertod unseres Herrn festhalten und verkündigen! - Theologische Einigkeit jedenfalls herrscht in der Kirche nicht. Wie sieht es in unseren Gemeinden aus? - Erst einmal können wir dankbar sein, dass die theologis- chen Diskussionen der Zeit dort wenig gehört und verfolgt werden. Aber etwas anderes dringt bei uns immer mehr ein: Es ist der sich immer noch steigernde Egoismus und der Gebrauch der Ellen- bogen, wie wir sie in der Gesellschaft schon lange beobachten können. Dort gibt es sicher viele Gründe dafür, dass der Wille zur Durchsetzung und Selbstbehauptung wächst, z.B. diese: Wenn es schwierig geworden ist, mit dem Gehalt für eine volle Stelle eine Familie zu ernähren, wenn die Empfänger von ALG II ganz ohne eigene Schuld an den untersten Rand der Gesellschaft ab- gedrängt werden, ohne Aussicht je wieder nach oben zu kommen, dann lässt die Bereitschaft nach, an andere zu denken und der Kampf ums Leben und manchmal schon Überleben wird härter. Aber das darf nicht ungehindert in unsere Gemeinden hinüberschwappen, so dass wir dort auch nur noch unseren eigenen Vorteil und uns persönlich durchzusetzen suchen: Wenn wir etwa nur Gottes- dienste fordern, die besonders unser Lebensalter ansprechen, wenn wir als KirchenvorsteherInnen die Gemeindearbeit einklagen, die wir für richtig halten und als Gemeindeglieder den Platz in Kreis oder Gruppe beanspruchen, der uns am „Tisch des Herrn“ möglichst weit nach oben bringt. Im Ge- genteil: Gerade die Gemeinde Jesu Christi zeichnet sich durch ihren Dienst an den Mitmenschen aus, durch Demut und Verzicht auf den eigenen Vorteil, durch Liebe zum Nächsten, durch Zurückhaltung und Freundlichkeit gerade den Schwachen in Gemeinde und Gesellschaft ge- genüber. - Auf diesem Weg zur christlichen Einigkeit haben wir noch ein großes Stück zurückzule- gen! Und wie ist es in unserem Zusammenleben mit anderen, den Kollegen, den Nachbarn und den Fremden, denen wir begegnen? Das muss sich ja irgendwie zeigen, dass wir keine Heiden sind, die von Jesus Christus nichts wissen. Und andere müssten auch klar erkennen, in uns begegnen ihnen Menschen, die weder Muslime noch Hindus, weder Buddhisten noch Juden, sondern eben Christin- nen und Christen sind. - Was aber ist die Wirklichkeit, die andere an uns erfahren? Wir haben uns längst in ein bloß weltliches Leben hineingefunden: Unser Alltag lässt kaum noch erkennen, dass unser Herr Jesus Christus heißt. Und selbst unser Sonntag ist weithin kein „Tag des Herrn“ mehr! Es ist „übersichtlich“ geworden in unseren Gotteshäusern. Gerade noch der Heilige Abend zieht viele Christen in ihre Kirchen - und man fragt sich doch, ob es dabei in erster Linie um die Freude an der Geburt dieses Kindes im Stall von Bethlehem geht - oder um ganz andere Dinge? Da mögen wir uns mit allen Weltreligionen vergleichen und mit anderen Konfessionen und sogar Sekten: In Sachen Erkennbarkeit zu wem wir gehören und im Bekenntnis zu unserer Sache und un- serem Herrn nehmen wir einen der Plätze ganz weit hinten ein! Das hat viel mit eigenem Engage- ment für unseren Glauben und mit seiner inneren Festigkeit und Stärke zu tun. Es geht dabei aber auch um die Einheit und Einigkeit von uns Christen, mit denen es nicht weit her ist. Es müsste ein- fach mehr praktische, sichtbare Übung unseres Glaubens geben, an denen jeder gleich erkennt: Das sind evangelische Christen! Und da fällt mir zuallererst ein, dass unsere sonntäglichen Versam- mlungen zum Gottesdienst so ein sichtbares Zeichen für unsere Einheit sein könnten: Die Konfes- sion, die sich innerhalb der Religion des Wortes Gottes „Evangelisch“ nennt, also dem Evangelium besonders verpflichtet, müsste sich einfach (wieder) mehr unter diesem Wort der „Frohen Bot- schaft“ versammeln und besonders in Zeiten wie diesen daran festhalten! - Diese Einheit im Hören auf Gottes froh machendes Wort am Sonntag ist für viel zu viele Christinnen und Christen längst einer „Glaubens“-praxis gewichen, die keinerlei erkennbare Akzente mehr für das setzt, was sie doch ihrem Namen nach im Herzen tragen sollten. Liebe Gemeinde! Gewiss könnte man jetzt auch mir vorwerfen, dass ich mit solch harten Worten ja auch nicht gerade zu einem deutlicheren Bekenntnis zu unserem evangelischen Glauben beitrage. Wer wird sich so denn etwa zum Gottesdienst unserer Gemeinde rufen lassen? Oder wer wird sich nun mehr für die Einigkeit in der Gemeinde einsetzen. Und wer hat überhaupt die Möglichkeit und die entsprechende Vorbildung, um im theologischen Gegeneinander der Gegenwart Stellung zu nehmen und sich zu behaupten. Sie haben Recht mit diesem Vorwurf und auch die Zweifel, dass sich durch eine solche Predigt etwas ändert, sind berechtigt! Aber es ging (mir) um etwas anderes: Bevor wir Wege suchen, der Einheit in Kirche, Gemeinde und im persönlichen Miteinander näher zu kommen, müssen wir erst einmal erheben, wie es gegenwärtig ist. Wir müssen das ehrlich tun, ohne falsche Rücksichten und ohne uns etwas vorzumachen. Das sollte heute geschehen. Das war Ziel dieser Predigt. Wenn wir von heute mitnehmen, dass wir noch lange keine Einheit in den genannten drei Bereichen haben, dann können wir anfangen, darüber nachzudenken, wie wir ganz persönlich beitragen können, der Einheit im Geist zu dienen - sei es in der Gemeinde, sei es in der Kirche oder in unserem Zusammenleben mit den anderen Menschen. Lassen wir uns für unser Nachdenken von diesen Worten des Apostels leiten: „Seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: EIN Leib und EIN Geist, wie ihr auch berufen seid zu EINER Hoffnung eurer Berufung; EIN Herr, EIN Glaube, EINE Taufe; EIN Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ AMEN