Predigt zum Trinitatissonntag - 18.5.2008 Textlesung: 2. Kor. 13, 11 (12) 13 Zuletzt, liebe Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt euch unterei- nander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Liebe Gemeinde! Zuerst wollen wir einmal dieses „zuletzt, liebe Brüder ...“ austauschen: Liebe Schwestern und Brüder muss es heute heißen und das hätte Paulus, lebte er in unserer Zeit, auch selbstverständlich geschrieben! Danach kommen einige Empfehlungen an die Geschwister im Glauben und wir wollen die einmal eine nach der anderen durchgehen: Freut euch ... ruft uns der Apostel zu. Da geht es ihnen sicher wie mir auch zuerst: Man fragt sich, worüber man sich denn freuen soll? - Über den Frühling? Ja, warum denn nicht. Nach dem langen dunklen Winter ist das doch in jedem Jahr wieder wie ein Wunder, wenn alles draußen so grünt, treibt und blüht. Wirklich: Es gibt in der Natur so unglaublich viel zu sehen und sich daran zu freuen! Aber sicher ist das hier nicht zuallererst gemeint. Wie wäre es also damit: Warum nicht da- ran freuen, dass es uns leidlich gut geht. Dass wir gesund sind, so gesund jedenfalls, dass wir heute hierher in den Gottesdienst haben kommen können und ihn jetzt mit den anderen zusammen feiern dürfen. Und da sind wir doch auch gleich bei der nächsten Freude: Wir haben Menschen in unserer Nähe, mit denen wir gern zusammen sind - und nicht nur hier in der Kirche. Zu Hause sind wir ja auch nicht allein: Wir haben unsere Ehegatten, wenn Gott sie uns bis heute erhalten hat, wir haben Kinder, Enkel, andere Verwandte, Freunde und Bekannte - und wo diese Menschen vielleicht bei uns persönlich nicht (mehr) so zahlreich sind, Nachbarn haben wir alle. Und an diesen Menschen können wir uns freuen oder die Freude an ihnen einmal wieder neu entdecken. Aber vielleicht gibt es ja auch gerade heute oder in diesen Tagen etwas, über oder auf das wir uns freuen dürfen? Vielleicht haben wir etwas sehr Schönes erlebt oder es steht bevor? Vielleicht hat jemand in unserer Nähe Glück oder Erfolg gehabt? Oder es ist etwas gut ausgegangen, was erst böse aussah und uns lange große Sorgen gemacht hat? Das sind schon eine Menge Dinge, an denen sich bei uns die Freude entzünden könnte! Aber wie wir Paulus kennen, meint er gewiss noch etwas anderes: Er spricht ja als Christ zu seinen Mitchristinnen und -christen. Da hat er ganz selbstverständlich auch die Freude am Glauben im Sinn! Und an der Hoffnung: Wir gehen vielleicht hier durch ein manchmal schweres Leben mit mancherlei Enttäuschung, Leid, Kummer, Trauer und Schmerz - aber uns ist eine Herrlichkeit ver- heißen, die schon auf uns wartet und die uns keiner mehr nehmen kann und die ewig sein wird! Wenn das keine gewaltige Freude ist! Aber gehen wir dem, was uns Paulus empfiehlt, weiter entlang: Lasst euch zurechtbringen ... - und sicher kann man das nächste hier gleich anfügen: Lasst euch mahnen ... Ich denke, damit haben wir schon ein wenig mehr Schwierigkeiten, als mit der Freude! Wer von uns lässt sich schon gern von anderen etwas sagen? Aber selbstverständlich, werden sie vielleicht einwenden! Wenn mir der Arzt einen Rat gibt, der meine Gesundheit betrifft oder wenn er mir etwas verbietet ... Aber ich glaube, es ist ihnen jetzt auch aufgegangen, dass sie sich oft genug nicht einmal hier etwas sagen lassen! Und zwischen Eltern und Kindern ist es auch schwierig. Da ist alles oft ziemlich eingefahren: Wer wem etwas sagen darf und wer zuzuhören hat. Und zwischen Freunden? Manchmal sind da die Grenzen der Mahnung auch recht eng: Wenn’s zu persönlich wird, dann muss auch der Freund, die Freundin fürchten, dass wir ungehalten werden. Und umgekehrt: Wir wagen uns oft auch nicht, bestimmte Tabuthemen anzusprechen, weil wir genau wissen, das wird nicht gut ankommen! Also wäre das schon eine Sache, die wir uns zu Herzen nehmen könnten: Dass wir uns mahnen las- sen. Dass wir nicht immer gleich einen Angriff wittern, sondern mehr danach fragen, was würde mir das denn helfen, wenn ich darauf höre. Wenn mich die Worte eines Mitmenschen doch wirklich „zurecht bringen“ - was ist denn schlecht daran? Und die andere Seite ist die: Auch wir sollten ein wenig mehr Mut haben, den Menschen in unserer Nähe das wirklich zu sagen, was einfach gesagt werden muss! Sicher werden wir alles prüfen: Ob es so wichtig ist, ob es dient, hilft und gewiss auch, ob ich ein Recht habe, davon zu sprechen. Ein Mensch zum Beispiel, der selbst immer grim- mig dreinschaut, sollte andere nicht zu mehr Fröhlichkeit mahnen. Und eine, die mit der Wahrheit nicht immer korrekt umgeht, ist ungeeignet, andere zur Ehrlichkeit anzuhalten. Habt einerlei Sinn ... lesen wir bei Paulus weiter. Und wir spüren das jetzt, wie gut doch alle seine Empfehlungen zusammenpassen und wir wohl sie geordnet sind: Wer sich freuen kann, wessen Herz frei ist, die schönen Dinge aufzunehmen und auch am Glauben und Hoffen der Christen Freude hat, der kann andere mahnen und zurechtbringen, weil er selbst ein gutes inneres Fundament für sein Leben hat. Und ein solcher Mensch dient auch diesem Ziel: Habt einerlei Sinn! Ich denke dabei an die Menschen, die nicht darauf aus sind, sich immer selbst in den Vordergrund zu spielen, sondern die gemeinsame Sache aller im Blick haben. Das sind auch Menschen, die nicht alles haben müssen, was andere haben. Die nicht neidisch sind und voll Missgunst auf das schauen, was andere besitzen. Aber es sind auch solche Menschen, die ihre Habe mit anderen teilen können, die nicht so gut dran sind wie sie selbst. Und sie tun das auf eine selbstverständliche Art. Nicht weil sie damit die Aufmerksamkeit aller auf sich lenken, geben sie von dem Ihren ab, sondern in aller Stille, unbeobachtet - einfach nur weil sie selbst es haben und ein anderer es braucht. So entsteht „einerlei Sinn“. So wird die Gemeinschaft gestärkt. So wächst menschliche Nähe, das Gefühl, wir gehören zusammen. Und ich finde, das ist gerade unter uns Christen in unserer Gemeinde besonders wichtig! Haltet Frieden ... das ist der nächste Rat des Apostels. Und damit steigert er seinen Anspruch noch einmal. Aber der Friede fügt sich auch hier wieder wunderbar an: Wer im Kleinen, in der Familie und in der Gemeinde „einerlei Sinn“ hat, der kann auch dem großen Frieden in der Gesellschaft, in unserem Land und in der Welt dienen. Und er tut das auch, denn immer beginnt der Friede in den kleinen Bezügen, in denen wir leben. Und ob wir für den großen Frieden tauglich sind und ob wir ihn wirklich fördern können, das erfahren wir immer schon daran, wie es in unserem kleinen Bereich damit aussieht und wie friedlich wir dort zusammenleben. Es hilft wenig, nur den Unfrieden und den Krieg in vielen Ländern und zwischen vielen Völkern und Volksgruppen zu beklagen. Wir tun mehr, wenn wir wenigstens dort nach Kräften dem Frieden nachjagen, wo wir ihn wirklich mit eigenem Herzen und eigenen Händen schaffen können. Paulus ist noch nicht zu Ende. Zwar kann er nach dem Frieden keinen höheren zwischenmenschli- chen Wert mehr ansprechen, aber er gibt uns noch etwas mit auf den Weg, das hat weniger mit un- serem guten Willen, dafür mehr mit unseren Gefühlen zu tun: Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Wir müssen das nun nicht wörtlich nehmen. Der Bruderkuss - oder sagen wir heute besser: der geschwisterliche Kuss - war ein Brauch, der in die Zeit des Paulus gehört. Es wäre heute aufgesetzt und unecht, wenn wir einen solchen Kuss in un- serer Gemeinde wiederbeleben wollten. Aber es gibt andere Gesten und Bräuche, die auch mehr sa- gen als Worte und die durchaus nicht so entleert sind, dass sie nicht mehr unser Gefühl ansprechen. Mir fällt dazu der Händedruck ein. Es ist etwas anderes, wenn wir uns dort, wo wir zusammen- kommen - im Verein, in der Ortsgruppe, im Kreis der Kirchengemeinde - begrüßen, indem wir uns die Hand geben. Das schafft Nähe, in unserer Zeit sowieso, denn es ist eine hektische Zeit, die sich kaum noch bei solchen Dingen aufhält. Und doch entsteht durch solche kleinen Zeichen, die zeigen, dass wir zusammen gehören, etwas Wärme und das Wissen, der ist mir gut, die kann mich leiden, ich bin eine oder einer, die oder der zu diesen anderen gehört. Überhaupt zählt für mich die Auf- merksamkeit für die Mitmenschen, indem ich sie beim Gespräch anschaue, indem ich zeige, dass ich ihnen wirklich zuhöre zu den Dingen, die wir füreinander tun können, dass unsere Beziehungen und Gemeinschaften menschlicher werden und uns auch innerlich erfüllen. Sie kennen ganz gewiss noch das eine oder andere Zeichen, das sie ihren Mitmenschen häufiger geben könnten, um die Gemeinschaft und die Liebe unter uns zu stärken. Könnte diese Predigt heute schöner und passender schließen, als dass ich ihnen nun noch sage, was Paulus seiner Christengemeinde in Korinth zugesprochen hat: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! AMEN