Predigt zum Tag der Himmelfahrt Christi - 1.5.2008 Textlesung: Eph. 1, 20b - 23 Gott hat Christus vom Tod auferweckt und in der himmlischen Welt an seine rechte Seite gesetzt. Dort thront jetzt Christus über allen unsichtbaren Mächten und Gewalten, über allem, was irgend Rang und Namen hat, in dieser Welt und auch in der kommenden. Alles hat Gott ihm unterworfen; ihn aber, den Herrn über alles, gab er der Gemeinde zum Haupt. Die Gemeinde ist sein Leib: Er, der alles zur Vollendung führen wird, lebt in ihr mit seiner ganzen Fülle. Liebe Gemeinde! Sicher haben sie es gemerkt: Das war nicht Luthers Übersetzung, die sie ja meist von der Kanzel hören können. Das war die „Gute Nachricht“, eine Bibelübertragung aus unseren Tagen und mehr in unserer Sprache. Und warum habe ich aus der Guten Nachricht gelesen? Weil diese Worte im Lutherdeutsch sehr schwierig zu verstehen sind - oder sagen wir: noch schwieriger! Aber eigentlich stimmt das gar nicht. „Schwierig“ ist das falsche Wort. Ich sollte eher von „schwer zu glauben“ sprechen oder „schwierig, sein Vertrauen darauf zu setzen“. Und um überhaupt aus diesen Versen etwas Hilfreiches entnehmen zu können, sollten wir sie wenigstens richtig verstanden haben. Aber wovon rede ich eigentlich? Davon, von einem solchen Satz etwa: Dort thront jetzt Christus über allen unsichtbaren Mächten und Gewalten, über allem, was irgend Rang und Namen hat, in dieser Welt und auch in der kommenden. Können wir das irgendwo sehen? Kann ich das spüren? Und darum müssen wir auch fragen: Können wir das wirklich glauben: Ist Christus wirklich über allen Mächten und über allem, was in der Welt etwas gilt? - Ach, was sehnen wir uns doch danach, dass es so wäre! Endlich Schluss mit dem Hunger in der dritten Welt. Keine Kriege mehr. Kein Hass zwischen Völkern, den Staaten und den Menschen unterschiedlicher Herkunft, Rasse, Hautfarbe oder Religion. Frieden umspannt die Erde. Niemand übt mehr Bosheit, die sich selbst über die anderen setzt. Keiner muss sich fürchten. Keiner wird übervorteilt. Liebe regiert in den Herzen, den Hütten und Häusern, den Palästen und in den Parlamenten. Und von diesem Gedanken, rede ich: Alles hat Gott ihm unterworfen; ihn aber, den Herrn über alles, gab er der Gemeinde zum Haupt. Ist das unsere Wirklichkeit? Ja, stimmt denn das - wenigs- tens im religiösen Bereich? Alles ist Christus unterworfen? Warum gibt es dann noch dieses ewige Machtgerangel in der Politik. Und in so vielen gesellschaftlichen Bereichen, in der Wirtschaft und der Kirche zum Beispiel: Warum wollen so viele Karriere machen - und um jeden Preis. Und warum sind auch unsere Kirchengemeinden nicht verschont von Menschen, die Christus eben nicht den Herrn sein lassen, sondern die selbst Herren spielen und immer oben an den Tischen sitzen wollen? Aber auch hier wünschten wir es uns von ganzem Herzen: Dass die Mächtigen endlich ihre Aufgaben gerade an den Armen und Schwachen sehen und wahrnehmen. Dass wirklich nur die auf der Karriereleiter nach oben steigen, die das Zeug dazu haben und kompetent sind in Leitung und Menschenführung. Und im kirchlichen Raum müssten die Christen wieder entdecken, was uns Je- sus so sehr ans Herz gelegt und mit seinem eigenen Beispiel verdeutlicht hat: „Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen.“ (Jh.13,13f) Doch, das alles ist schwer zu glauben und es ist schwierig, sein Vertrauen darauf zu setzen. Weil es so wenig Wirklichkeit hat. Weil wir es so selten im praktischen Leben sehen und erleben können. Weil es darum nicht lohnend scheint, es auch nur zu versuchen. - Wie kommen wir hier weiter? Ich glaube durchaus, dass wir Christinnen und Christen die Sache unseres Herrn, die Ehre Gottes und unseren Glauben in allen Lebensbereichen fördern, bekennen und leben müssen. Und doch meine ich, wir müssten damit zunächst in unserem kleinen Bereich, unseren Ehen, unseren Familien und unserer Kirchengemeinde anfangen. Wenn wir da sagen können, es ist alles nach Gottes Wort gestaltet, in meiner Ehe herrscht die Liebe, in der Familie sind alle getragen von Zuneigung und Geborgenheit und in der Gemeinde gehen alle geschwisterlich miteinander um und es gibt kein Oben und kein Unten und nur Jesus Christus ist der Herr ... dann können wir auch daran gehen, an unserem Arbeitsplatz, in unserem Verein und in noch größeren Bezügen der gesellschaft das hi- neinzusagen, was Gottes Wille ist. Gewiss: Immer schon sollen und müssen wir uns überall und je- derzeit so verhalten, so reden, wie es Christenmenschen ansteht. Wirklich etwas ausrichten werden wir dann erst können, wenn wir im engeren Umfeld verwirklicht haben, was einem Leben in der Spur Jesu entspricht. Wer wird denn einen Ehebrecher Ernst nehmen, wenn er sich über den unseli- gen Brauch auslässt, dass Politiker manchmal drei bis vier Ehen hinter sich bringen? Wer glaubt ei- ner Kirchenvorsteherin, die sich nie in ihrem Gottesdienst sehen lässt, dass ihr etwas an einem geis- tlichen Leben und an den biblischen Werten liegt? Und wer schließlich wird sich von einem in Sa- chen Jugend und Erziehung beraten lassen, der seine eigenen Kinder so auffällig ohne jedes Maß, Grenzen und ohne Konsequenz erzogen hat? Sagen wir jetzt nicht: Aber dass wir es nicht schaffen, christlich und nach dem Vorbild Jesu zu re- den und zu handeln - nicht einmal in unserem kleinen Lebensbereich - zeigt doch, dass es nicht möglich ist. Nein!, so muss es heißen: Es ist nicht möglich so wie ER zu leben, weil wir es gar nicht mehr versuchen! Oder noch besser und treffender: Wir glauben es ja gar nicht mehr, dass es geht ... darum erleben wir, dass es nicht geht. Aber es ist hier wie in allen Glaubensdingen: Nicht die Erfahrung, dass es hier und dort wirklich und erfahrbar ist, was wir ein christliches Leben und Verhalten nennen würden, führt zum Glauben. Es ist umgekehrt: Der Glaube bringt dieses Leben und diese Erfahrung hervor. Erst sollen wir Ver- trauen haben, dann empfangen wir das gute Wort und die helfende Tat Gottes. Und dafür gibt es viele Beispiele in der Bibel: Der Glaube erfährt die Heilung ... Die Blinden, Tauben, Lahmen wer- den gesund, weil sie glauben, weil sie Vertrauen zu Jesus haben. Immer wieder lesen wir es: „Dein Glaube hat dir geholfen! Dir geschehe, wie du geglaubt hast! Dein Glaube ist groß, dir geschehe, wie du willst.“ Dann erst geschieht die Heilung ... das Wunder. Also: Haben wir mehr Glauben, mehr Vertrauen darauf, dass Gott unser Reden und Handeln und unser ganzes Leben so gestaltet, wie er es haben will - dann wird es geschehen! Trauen wir ihm zu, dass er unsere Ehe segnet, unsere Familie zu einem Ort der Geborgenheit und Liebe macht und un- sere Gemeinde zur tragenden Gemeinschaft, in der keiner außen bleibt - dann wird es Wirklichkeit werden! Was das alles mit Christi Himmelfahrt zu tun hat, fragen sie? - Hier lesen wir es: „Gott hat Christus vom Tod auferweckt und in der himmlischen Welt an seine rechte Seite gesetzt.“ Unser Herr ist eben nicht im Tod geblieben, er ist auferstanden und lebendig in Ewigkeit! Und er hat Teil an der Macht des himmlischen Vaters. Unser Glaube an ihn lässt ihn auch zu uns sagen: Euer Glaube hat euch geholfen. Unser Vertrauen zu ihm wird ihn auch zu uns sprechen lassen: Ihr vertraut mir, euch geschehe, wie ihr glaubt. Hören wir noch einmal weiter: „Dort (in der himmlischen Welt) thront jetzt Christus über allen unsichtbaren Mächten und Gewalten, über allem, was irgend Rang und Namen hat, in dieser Welt und auch in der kommenden. Alles hat Gott ihm unterworfen; ihn aber, den Herrn über alles, gab er der Gemeinde zum Haupt. Die Gemeinde ist sein Leib: Er, der alles zur Vollendung führen wird, lebt in ihr mit seiner ganzen Fülle.“ Und das ist der zweite wichtige Gedanke zu diesem Himmel- fahrtstag: Unser Herr ist nicht nur im Himmel, an der Seite Gottes, er ist auch hier, unter uns, jetzt, in diesem Augenblick ... auch in unserer Mitte, an unserer Seite. Und noch mehr: Er lebt bei uns, mit uns und lässt uns in unserer Schwäche und Unvollkommenheit nicht allein. Unserer kleinen Kraft kommt die Fülle seiner Kraft zu Hilfe. Unserem ehrlichen Wollen schenkt er das Vollbringen. Unseren manchmal ungeschickten und wenig treffenden Worten gibt er, dass wir uns doch verste- hen. Unsere dürftigen Anfänge, wenn sie von Herzen kommen, segnet er mit Gelingen. Unseren Mangel führt er zur Fülle der Vollendung - wenn auch nicht immer hier, aber gewiss einmal ewig. Es hört sich seltsam an, liebe Gemeinde, aber Himmelfahrt Christi heißt nicht, dass unser Herr jetzt nur weit weg, weltenfern im Himmel ist. Himmelfahrt heißt: Er lebt nun dort, wo wir ihn mit unse- rem Vertrauen, unserem Glauben und unseren Gebeten jederzeit erreichen: Ganz in der Nähe, an unserer Seite, in uns und jedem Menschen guten Willens. AMEN