Predigt zum Sonntag „Kantate“ - 20.4.2008 Textlesung: Offb. 15, 2 - 4 Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden. Liebe Gemeinde! Wahrscheinlich hängt es mit dieser blumigen, bildhaften Sprache zusammen, bei der wir uns doch auf Anhieb nur recht schwer etwas vorstellen können: Gläsernes Meer mit Feuer vermengt, das Tier und das Lied des Mose und des Lammes, vorgetragen auf Gottes Harfen ... Jedenfalls gingen meine Gedanken zu diesen Prophetenworten heute ganz eigene Wege. Ich habe mich nämlich gefragt, wie das wohl geklungen hat, was die Menschen, „die den Sieg behalten hatten“, dem „allmächtigen Gott“ und „König der Völker“ dazu Lob und Preis gesungen haben. Aber eigentlich ist das ja falsch: „gesungen haben“ ... Wir hören diese Worte ja von einem Seher, der zukünftige Dinge offenbart. Das wird irgendwann einmal sein, bald vielleicht, jedenfalls am Ende der Zeit und zu Beginn der ewigen Herrschaft Gottes ... Ja, es kann gut sein, dass wir mit dabei sein werden, wenn dieses Lied zur Ehre des heiligen Gottes angestimmt wird! Vor diesem Gedanken - und sie müssen schon entschuldigen, wenn das jetzt ein wenig albern klingt - habe ich mich dann weiter gefragt, ob wir dann wohl singen können - auch wenn wir hier, in diesem Leben und dieser Welt, nie die rechten Töne gefunden haben? Sicher, sie werden sagen, dann wird das gewiss klappen! Und sogar Harfe werden wir spielen kön- nen und der Text der Loblieder wird uns auch geläufig sein. - Aber bleiben wir doch an diesem Sonntag „Kantate“, der uns zuruft: „Singet!“, noch einen Augenblick beim Singen und dabei, ob einer es kann oder nicht, ob einem der Gesang vertraut ist oder eher fremd. Denn bestimmt kennen sie alle Menschen, die von sich sagen würden: „Ich kann nunmal nicht singen.“ Oder: „Ich bin völ- lig unmusikalisch!“ Vielleicht sind sie ja selbst solch ein Mensch? Ich jedenfalls muss jetzt an den Bekannten denken, der mir einmal gesagt hat: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder - böse Menschen haben Radio!“ Und dann hat er gelacht, denn er wollte damit nicht den Rundfunk herab- setzen, sondern eigentlich nur ausdrücken, dass er nicht in der Lage war, eigene richtige Töne her- vorzubringen. Aber geht es wirklich beim Singen zum Lobe Gottes darum, ob wir die Töne treffen und sich das dann schön anhört? Wenn wir noch einmal nach den Worten des „Liedes des Mose“ und dem „des Lammes“ sehen, dann fällt uns das doch jetzt gewiss auf: Wir erfahren gar nichts über die Melodie. Ob die Lieder mehrstimmig vorgetragen wurden? Ob es einen Vorsänger gab und die übrigen Sänger sind dann eingefallen? Nichts davon. Also ging es vielleicht gar nicht so sehr um das Singen, nicht so sehr um die Melodie und ob die Töne getroffen und die Stimmen gehalten wurden. Worum aber geht es dann bei diesen Liedern und allen anderen, die Gottes Lob besingen? Um eine Antwort zu finden, wollen wir auf eine kleine Geschichte hören: Es war einmal ein Gaukler, der tanzend und springend von Ort zu Ort zog, bis er des unsteten Le- bens müde war. Da gab er alle seine Habe hin und trat in ein Kloster ein. Aber weil er sein Leben bis dahin mit Springen, Tanzen und Radschlagen zugebracht hatte, war ihm das Leben der Mönche fremd, und er wusste weder ein Gebet zu sprechen noch einen Psalter zu singen. So ging er stumm umher, und wenn er sah, wie jedermann des Gebetes kundig schien, aus frommen Büchern las und mit im Chor die Messe sang, stand er beschämt dabei: Ach, er allein, er konnte nichts. “Was tue ich hier?“ sprach er zu sich, „ich weiß nicht zu beten und kann nicht fromm reden und singen kann ich schon gar nicht. Ich bin hier unnütz und der Kutte nicht wert, in die man mich gekleidet hat.“ In seinem Gram flüchtete er eines Tages, als die Glocke zum Chorgebet rief, in eine abgelegene Kapelle. „Wenn ich schon nicht mitsingen kann im Konvent der Mönche“, sagte er vor sich hin, „so will ich doch tun, was ich gelernt habe.“ Rasch streifte er das Mönchsgewand ab und stand da in seinem bunten Röckchen, in dem er als Gaukler umhergezogen war. Und während vom hohen Chor die Psalmgesänge herüberwehten, begann er mit Leib und Seele zu tanzen, vor- und rückwärts, links herum und rechts herum. Mal ging er auf seinen Händen durch die Kapelle, mal überschlug er sich in der Luft und sprang die kühnsten Tänze, um Gott zu loben. Wie lange auch das Chorgebet der Mönche dauerte, er tanzte ununterbrochen, bis ihm der Atem verschlug und die Glieder ihren Dienst versagten. Ein Mönch aber war ihm gefolgt und hatte durch ein Fenster seine Tanzsprünge mit angesehen und heimlich den Abt geholt. Am anderen Tag ließ dieser den Bruder zu sich rufen. Der arme Gaukler erschrak zutiefst und glaubte, er solle des verpassten Gebetes wegen gestraft werden. Also fiel er vor dem Abt nieder und sprach: „Ich weiß, Herr, dass ich hier nicht mehr bleiben kann. So will ich aus freien Stücken ausziehen und in Geduld wieder die Unrast der Straße ertragen.“ Doch der Abt neigte sich vor ihm, küsste ihn und bat ihn, für ihn und alle Mönche bei Gott einzustehen: „In deinem Tanze hast du Gott mit Leib und Seele geehrt - mehr als wir in all unseren Gebeten und Gesängen. Uns aber möge er alle wohlfeilen Worte verzeihen, die über die Lippen kommen, ohne dass unser Herz und unsere Seele sie aussendet.“ (nach: „Der Sprung in den Brunnen“ aus: „Der betende Gaukler“ von Hubertus Halbfas) Liebe Gemeinde, ja, das ist eine schöne Geschichte. Und sehr sinnvoll ist sie auch. Aber was ist nun ihre Antwort auf unsere Frage: Ob es beim Singen zum Lobe Gottes wirklich darum geht, dass wir die Töne treffen und sich unser Gesang dann schön anhört? - Der Gaukler konnte ja nun überhaupt nicht singen! Er brachte keinen Ton hervor und auch im Beten war er gänzlich ungeübt. Und sicher - auch wenn wir darüber nichts erfahren - war er auch kein Kenner der Heiligen Schrift und von Glaubensdingen oder gar von Theologie wird er keine Ahnung gehabt haben. Und trotzdem lobt ihn der Abt und macht ihn zum Vorbild für die anderen Mönche und sogar für sich selbst! Deutlicher kann es da ja gar nicht werden, dass es beim Singen auf etwas ganz anderes ankommt, als den Wohlklang der Stimme oder die Fähigkeit Töne zu treffen und zu halten. Und nicht nur beim Singen! Der Gaukler konnte ja nun überhaupt nichts von dem, womit wir als Christenmen- schen normalerweise unseren Glauben ausdrücken und unseren Gott loben. Aber etwas konnte er: Tanzen, Springen und mancherlei andere Kunststücke. Und die brachte er Gott dar - mit Begeiste- rung, mit Hingabe und mit ganzem Herzen und aus der Tiefe seiner Seele. Und da wollen wir jetzt nach uns sehen und uns fragen, wie es denn damit bei uns bestellt ist. Nicht mit dem Singen, meine ich, sondern mit der Hingabe und dem begeisterten, herzlichen Lob Gottes von ganz innen, aus dem Grund unserer Seele? Denn das haben wir doch alle an dieser Geschichte vom Gaukler begriffen: So wie bei ihm müsste es auch bei uns mit dem Rühmen und Preisen Gottes bestellt sein! Das wäre recht und billig! Und es wäre unserem Gott eine Freude und uns selbst gewiss auch. Denn sehen, was Gott uns an Gaben geschenkt hat und noch täglich hinzufügt, dafür dankbar sein und diesen Dank auch aus ehrlichem Herzen vor ihn bringen, wäre angemessen und unser aller selbstverständlichste Schuldigkeit. Ich fände es wichtig und gut, wenn wir über Gottes Geschenke wieder einmal ins Nachdenken kämen. Wir würden dadurch sicher nichts verlieren, aber um so mehr gewinnen: Freude, innere Zu- friedenheit und nicht zuletzt eine gute Beziehung zu unserem Schöpfer und Erhalter, der ja auch unser Vater ist. Es sind vielleicht ja wirklich ein wenig seltsame Gedanken, die mir da heute in den Sinn kamen, wenn ich ausgerechnet am Sonntag „Kantate“, bei dem es um das Singen geht, predige, es käme nicht auf unseren Gesang an und ob wir musikalisch sind und die richtigen Töne finden ... Aber ich glaube doch, sie verstehen, wenn ich ihnen jetzt das mit auf den Weg in diesen Sonntag und die neue Woche geben möchte, was der Kern der Botschaft der Geschichte vom Gaukler ist, die wir vorhin gehört haben: Unser Glaube kann sich auf vielfältige Weise ausdrücken. Jeder Ausdruck un- serer Liebe zu Gott und unserer Dankbarkeit für alle seine Gaben ist gut und richtig. Schenke uns Gott ein Herz, das ihn ehrlich lobt und eine Seele, die aus ihrer Tiefe zu solchen Worten findet - seien sie getanzt, gesprungen, gemalt, gedichtet oder auch gesungen: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden. AMEN