Predigt zum Sonntag „Reminiszere“ - 17.2.2008 Textlesung: Hebr. 11, 8 - 10 Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme. Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. Liebe Gemeinde! Ein Mann - er lebte vor weit über 2000 Jahren - wird uns heute zum Vorbild gemacht. Ein Mann - er hat Jesus Christus, den Grund unseres Glaubens nicht gekannt - soll heute zum Beispiel für den Glauben der Christen werden. - Geht denn das? Was ist denn die Hoffnung der Christen ohne Jesus wert? Was soll denn das für eine Zuversicht gewesen sein, die noch nichts von seinem Kreuz und seiner Auferstehung wusste? Aber weiß eigentlich jeder von uns noch, was uns vielleicht einmal in der Schule oder im Kindergottesdienst von diesem Abraham erzählt worden ist? Denn man muss sie kennen, die Zusammenhänge dieser Geschichte, sonst versteht man das nicht: „Aus Glauben erwies sich Abraham gehorsam, an einen Ort zu ziehen, den er zum Erbteil empfangen sollte“? In aller Kürze eine Hilfe für ihre Erinnerung: Abraham soll ins gelobte Land ziehen. Er soll rasch aufbrechen und nur auf Gottes Versprechen hin, ein Land suchen, von dem er bisher noch nie gehört und das er noch nie gesehen hat. Aus seiner Nachkommenschaft soll nach Gottes Worten ein großes Volk werden. Nur: Abraham hat noch nicht einmal ein Kind, denn seine Frau Sarah ist unfruchtbar und dann: sie ist schon um die neunzig Jahre alt ... Das muss man schon wissen, wenn man über den Glauben dieses Mannes reden und nachdenken will. Bei Abraham sprach nun wirklich alles dagegen, dass eintrifft, was Gott versprochen hatte: Wie sollte die Unfruchtbare Kinder bekommen? Und noch dazu in ihrem Alter! Wie konnte Abraham der Stammvater eines Volkes werden? Und auch noch eines Volkes, „zahlreich wie die Sterne am Himmel“? Ganz und gar unglaublich! Wie sollte er Gott das abnehmen? Und was sprach denn für die Wahrheit der anderen Verheißung? Dass wirklich ein schönes Land auf Abraham wartete? Wer sollte glauben, dass sich der Aufbruch lohnte? Denn Abraham ging es ja gut, wo er lebte und er hatte reichlich Vieh, Güter und alles Lebensnotwendige. Gewiss, wir heute wissen, alles ist eingetroffen: Der Sohn, den Sarah in ihrem Alter be- kommt, hat dann wieder Söhne. Es wird tatsächlich ein Volk aus ihren Nachkommen. Sie nehmen wirklich das verheißene Land ein und es ist schön und fruchtbar und es „fließt Milch und Honig“ darin. Wie Gott es verheißen hat, so ist’s gekommen! Wir können sagen: Wie gut, dass Abraham sich auf das Wagnis eingelassen hat. Wie gut, dass er seine Zweifel, seine Angst und sein Misstrauen beiseite legen und Gott glauben konnte. Hinterher weiß man immer mehr! Später, wenn alles eingetroffen ist, kann man leicht reden. Aber wie schwer mag es Abraham gefallen sein, Gott all seine Versprechen abzunehmen?! Lassen wir jetzt das Beispiel Abrahams einmal zu uns persönlich sprechen: Ist unsere Lage nicht irgendwo ähnlich? Nicht die äußeren Lebensumstände - die sind ganz anders - aber das innere Anliegen seiner Geschichte und die Lehre, die wir daraus ziehen können, die haben mit uns zu tun, die meinen uns! Sind wir nicht auch unterwegs? Sind wir nicht auch alle einmal aufgebrochen, weil Gott uns ein „gelobtes Land“ vor unser Herz, unsere Sehnsucht gestellt hat? Warten wir nicht auch auf die feste Stadt, deren Erbauer Gott ist? Gewiss, das ist jetzt noch sehr in Bildern geredet, aber ich kann es auch anders sagen: So ein Leben als Christ, als Christin hat ja auch einmal einen Anfang. Da müssen wir nicht an die Konfirmation denken. Vielleicht lag für uns der Anfang mit Gott auch früher oder später. Aber irgendwann beginnt es. Von da an ist man unterwegs in seinem Verhältnis zu Gott. Man macht seine Erfahrungen mit der eigenen Hoffnung, mit dem, was man sich einmal gewünscht hat und was dann wirklich aus den Wünschen und Plänen wird. Und bei allem versucht man, das Ziel des Glaubens, die von Gott verheißene ewige Zukunft, nicht aus dem Blick zu verlieren ... Da komme ich zurück auf die Verse des Hebräerbriefes, denn das ist ein zu schönes und treffendes Bild von der Lage, in der wir Christen uns befinden: „Abraham siedelte sich an im Lande der Verheißung und lebte in Zelten“, heißt es! Genau das ist, wie ich meine, die Erfahrung, die wir allenthalben mit unserem Glauben machen müssen: Wir leben in Zelten! Und es ist ein zu schönes Bild, als dass ich es jetzt lassen könnte, es noch mit eigenen Strichen zu ergänzen und farbig auszumalen: Als Christin, als Christ glauben - das heißt Leben in Zelten. Uns schützen und bergen nicht die festen Mauern, die sicheren Häuser ewiger Wahrheiten. Alles ist vielmehr nur vorläufig. Die Zeltwände bewegen sich im Wind, manchmal zerfetzt ein Sturm auch die Leinwand. Dann müssen wir das Zelt reparieren und neu aufbauen. Und das muss so sein. Eine solche Behausung ist ja gerade dazu da, irgendwann einmal abgeschlagen und an neuem Ort aufgebaut und wiedererstellt zu werden. Gewiss, Zelte bieten nicht den Schutz, den ein festes Haus geben kann, aber dafür sind die Stoffwände so dünn, dass wir Hörkontakt mit der Umgebung halten können, mit den Menschen zum Beispiel, die mit uns unterwegs sind, die mit uns Zelt an Zelt leben. Und die Menschen, die in Zelten wohnen, sind auch selbst anders als die aus den steinernen Häusern: Sie sind nie am Ziel und sie wissen das. Wie ihre Behausung irgendwann abgebrochen und neu aufgestellt wird, so haben auch die Zeltbewohner in dieser Welt nie einen festen Ort, wo sie wirklich „zu Hause“ wären. Sie sind nie „angekommen“ sondern immer unterwegs, immer bereit zum Aufbruch und darum „beweglich“, immer „auf der Suche“ und ein Leben lang „Reisende“, ohne festen Wohnsitz. Die feste Stadt Gottes, das Bleiben im sicheren Steinhaus, ist ihnen vielmehr erst für die ewige Zukunft verheißen. Liebe Gemeinde, so ist unser Glaube als Christen: ein Leben in Zelten. - So soll es sein! Von Abraham heißt es nun: Er führte solch ein Leben. Aus Glauben siedelte er sich an im Lande der Verheißung und wohnte in Zelten. Das macht ihn für uns zum Vorbild. Aber es ist nicht leicht, seinem Beispiel zu folgen! Denn unser Glaube möchte eigentlich lieber im sicheren Haus geschützt und geborgen sein. Feste Vierwände wollen wir und ein Dach über dem Kopf. Kein Regen, der auf die Leinwand prasselt, und auch den Wind draußen wollen wir nicht spüren. Der Ort, auf den wir unser Glaubenshaus bauen, soll bis zum Lebensende unsere Bleibe sein: „Wir bleiben bei dem, was wir gelernt haben!“, sagen wir. Die Wände unserer Behausung sollen dick sein: Was wir glauben und denken, soll nicht nach außen dringen und auch was die anderen fühlen und was ihr Glaube und ihre Hoffnung ist, gelangt nicht durch die Mauern hinein zu uns: „Glaube ist schließlich Privatsache!“, so reden wir. Und so führt jeder für sich sein Glaubensleben, hofft für sich, denkt für sich, lebt für sich - in seinem Haus aus Stein, immer am selben Ort, ohne Kontakt mit den anderen, ohne Austausch, ohne Nähe, ohne Wachstum und ohne Fortschritt ... und ich fürchte, oft auch ohne Interesse zu wachsen und weiterzukommen: Denn die festen Häuser unseres Glaubens sind recht komfortabel eingerichtet! Die Gefahr ist groß, dass einer meint, er wäre schon am Ziel, er lebte schon in der Stadt, die „feste Fundamente“ hat. Die Versuchung ist mächtig, dass der Glaube in den wohlbestellten Häusern schläfrig wird und schließlich tot, dass er nichts mehr hervorbringt, nicht mehr nach außen wirkt und die Beziehung zu den Nächsten verliert. (Und sind nicht schon viele Christen dieser Versuchung erlegen?: Du siehst nichts an ihnen, was darauf hinweisen könnte, dass sie Christen sind. Du fragst sie und sie sagen: „Ei, freilich glauben wir! Wir tragen Gott im Herzen!“ Doch sie haben ihn eingemauert in ihre festen Häuser. Er kann nicht hinaus. Seine Liebe kann nicht zu den Mitmenschen gelangen und tätig werden an ihnen. Sie stößt an die Mauern, die diese Christen um sich aufgerichtet haben.) Abraham aber lebte „aus Glauben“ in Zelten. Er ist unser Vorbild! Er ertrug es, mit seinem Gott unterwegs zu bleiben, er konnte warten: auf die Einlösung der Verheißungen, auf das Wohnen in festen Häusern in Gottes ewiger Stadt, auf die Sicherheit und den Schutz steinerner Wände in der Ewigkeit Gottes. Abraham möchte uns ein Beispiel sein. Schauen wir einmal, wo unser Glaube „wohnt“, im Zelt oder im Steinhaus? Gelingt uns noch der Aufbruch in neues Land, das Gott uns weist. Hat unser Glaube noch Austausch mit unseren Nächsten und Beziehung zu den Mitmenschen? Ist er tätig und kräftig nach außen? Oder ist er schon sesshaft und hat sich eingerichtet im festen Haus und in dieser Welt? Sind wir noch Reisende wie Abraham, oder sind wir „angekommen“? Ist das schon das Ziel unseres Glaubens, an dem wir heute stehen? Sind wir dort, wohin Gott uns führen wollte oder will er, dass wir endlich mit ihm aufbrechen?