Predigt zum 2. So. nach „Trinitatis“ - 17.6.2007 Textlesung: Jes. 55, 1 - 5 Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids zu geben. Siehe, ich habe ihn den Völkern zum Zeugen bestellt, zum Fürsten für sie und zum Gebieter. Siehe, du wirst Heiden rufen, die du nicht kennst, und Heiden, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen um des HERRN willen, deines Gottes, und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat. Liebe Gemeinde! Stellen sie sich vor, es ist Wochenmarkt. Die Bauern aus der Umgebung haben ihre landwirtschaf- tlichen Produkte auf den Tischen ihrer Marktstände ausgelegt. Was gibt es da nicht alles zu sehen, zu riechen, zu kosten und zu kaufen: Braungelbe Kartoffeln, rotbackige Äpfel, grüne und blaue Trauben, Salat und Kohl, Gurken und Kürbis, Zucchinis und Tomaten. Genau so bunt wie die Früchte und das Gemüse ist das Treiben zwischen den Ständen: Junge und Alte, Frauen, die fürs Mittagessen einkaufen, Angestellte und Arbeiter aus der Umgebung des Marktes, die ihre Früh- stückspause nutzen, um ein paar frische Sachen fürs Wochenende zu besorgen, Touristen, die nur schauen wollen und sich an den Auslagen freuen. Da!, auf einmal wird es laut dort drüben, wo der nächste Gang nach rechts abzweigt. Wir können nicht sehen, woher es kommt aber wir hören ganz lautes Rufen: „Kommt hierher, wenn ihr etwas Gutes trinken wollt! Bei mir gibt’s wunderbare Dinge zu essen! Und alles umsonst! Es kostet euch keinen Cent. Warum wollt ihr woanders hinge- hen, wo ihr’s teuer bezahlen müsst. Und bei den anderen Ständen werdet ihr nicht einmal satt! Kommt her zu mir! Ich gebe euch nicht nur wohlschmeckende Nahrung für euren Leib, bei mir kriegt ihr das Leben selbst - geschenkt!“ Wir spüren, wie es neben und hinter uns drückt und drängelt. Auch wenn wir es nicht wollten, wir werden voran geschoben, dass wir gar nicht widerstehen können. Schon sind wir um die Biegung, erkennen den Stand, von dem die laute Stimme kam, sehen die bunten Auslagen, herrliche, sicher wohlschmeckende Dinge und dann den Mann, den Rufer, der jetzt neuerlich beginnt: „Kommt hierher, wenn ihr etwas Gutes trinken wollt! Nehmt, esst ... alles umsonst!“ Eigentlich sieht er ja vertrauenswürdig aus, der Mann: Er trägt ein langes weißes Gewand, wie man’s im Orient hat, sein Gesicht ist freundlich, er lächelt, während er spricht: „Alles kostet dich keinen Cent! Köstlich für den Magen, den Leib ... das Leben selbst ... geschenkt!“ Und dann hält er uns die schönsten Früchte hin, süßen Wein, saftigen Schinken, knuspriges frisches Brot ... Aber warum greifen wir nicht zu? Was ist das nur, was uns zurückhält? Und jetzt schauen wir uns um. Nur wenige strecken die Hand aus, nehmen sich etwas aus der Fülle des Angebots, probieren von den schönen Speisen und Getränken. Vielen, den meisten, geht es wie uns. Sie zögern, haben Bedenken, man sieht es ihrem Gesicht an, bringen es auch nicht fertig zuzugreifen. Und wir? Wir wollten eigentlich so gern, aber wir können nicht! Warum nur? Ja, liebe Gemeinde, warum nur? Und das ist ja nicht nur auf diesem Markt so, dass wir nichts an- nehmen wollen ... können. Da bringt uns die Nachbarin etwas vom Einkaufen mit und sagt: „Das schenke ich ihnen!” Und wir? „Kommt gar nicht in Frage! Ich hole nur rasch mein Portemonnaie - „Sie haben mir doch auch schon so oft ...” - „Hier ist das Geld, das nehmen sie jetzt, wäre ja noch schöner!” Oder wenn wir im Betrieb für einen wichtigen privaten Termin einen halben Tag Urlaub erbitten und der Chef meint: „Das brauchen sie aber nicht aufzuschreiben!” Und wir: „Ich arbeite das innerhalb der nächsten zwei Wochen nach, ist doch klar!” Und wieder er: „Das ist wirklich nicht nötig! Die paar Stunden. Ich bin doch so zufrieden mit ihnen!” - Wir werden die Stunden doch nachholen, nicht wahr? Noch einmal: Warum sind wir so? Warum wollen wir nichts geschenkt haben und wenn wir es schließlich doch einmal annehmen, dann hat man es uns fast mit Gewalt aufdrängen müssen! Was ist so schlimm daran, uns beschenken zu lassen? Ich glaube, das hat damit zu tun, dass wir niemandem verpflichtet sein wollen. Wenn wir es einmal ganz geschäftlich ausdrücken: Wir wollen niemals jemand etwas schuldig sein. Die Bilanz zwischen uns und anderen darf kein Minus zu unseren Ungunsten aufweisen. Es würde zu weit führen, wenn wir dem nun auch noch auf den Grund gehen wollten. Aber es genügt ja schon, das zu sehen: Alles soll ausgeglichen sein in unserem Verhältnis zu den Mitmenschen. Keiner schuldet mir und keinem schulde ich etwas. So muss es sein. Auf dem Markt, der Nachbarin gegenüber, beim Chef ... immer und überall! Aber nun kommt der große Einwand, denn hier spricht unser Gott:”Wohlan, alle, die ihr durstig se- id, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!” Eigentlich unverschämt, dem großen Gott, unserem Vater im Himmel nun genau so entgegenzutreten wie den Menschen: „Das kann ich nicht anneh- men! Ich lasse mir nichts von dir schenken! Das wäre ja noch schöner!“ Und unangemessen ist es auch: Meinen wir denn wirklich, Gott könnten die Gaben ausgehen, so dass wir ihm etwas zurückgeben müssten? Oder umgekehrt: Er würde irgend etwas von dem zurückfordern, was er uns schenkt? Und schließlich ist es ganz und gar dumm: Leben wir nicht ohnehin in jedem Augenblick von Gottes Güte und von dem, was er uns darreicht? Warum also dann ablehnen, wenn er uns hier so freundlich anbietet, uns noch mehr hinzuzufügen zu allem, was wir doch schon von ihm emp- fangen haben?: „Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen la- ben.” Es wird Zeit, dass wir unterscheiden lernen zwischen dem, was Menschen uns schenken und dem, was von Gott kommt. Gott hegt keinerlei Hintergedanken. Es macht dem Vater einfach Freude, sei- nen Kindern aus seiner Fülle das zu geben, was sie zum Leben brauchen - und oft viel mehr als das! Und es bereitet ihm Kummer, wenn wir dann argwöhnisch blicken und die Augenbrauen heben und seine Freundlichkeit ablehnen. Warum denn auch? Es ist doch das Vorrecht eines Vaters, seine Kinder zu beschenken und ihnen so seine Liebe zu zeigen. Wieso also ausschlagen, wenn uns Gott uns etwas geben will - und sogar noch viel mehr als zeitliches Gut?: „Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen und euch beständige Gnade geben.” Wir gehen noch einmal zurück auf den Markt: Wir stehen vor dem Mann, der uns mit seinen freun- dlichen Angeboten gerufen hat. Immer noch zögern wir. Aber wie er jetzt lächelt und die Arme ein- ladend ausbreitet ... Da können wir nicht mehr widerstehen. Wir nehmen uns eine erste Frucht, wir schmecken die Süße ... Dann probieren wir vom Wein und vom Brot und all den anderen schönen Dingen, die er vor sich ausgelegt hat. Und dass wir unsere Hemmung überwinden scheint ihm zu gefallen: Sein Lächeln wird zum Lachen, immer mehr und mehr holt er aus den Tiefen seines Marktstandes hervor, legt es vor uns hin und freut sich, wenn wir danach greifen und davon kosten. Nein, ihm können wir wirklich vertrauen. Uns zu beschenken und unser fröhliches Gesicht zu sehen, ist ihm die größte Freude! Jetzt nährt das, was er ruft, nicht mehr unseren Argwohn. Wir haben Vertrauen gefasst. „Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben.“ Liebe Gemeinde und auch von unserer Nachbarin können wir getrost hin und wieder etwas anneh- men, ohne es gleich oder spätestens am nächsten Tag „gut zu machen”. Und wenn der Chef es mit den paar Stunden, die er uns erlässt, nicht so genau nimmt, sollten wir uns auch nicht so anstellen. Es macht den Menschen doch offensichtlich Spaß, uns auch einmal etwas Gutes zu tun - ohne Ge- genleistung. Wir selbst machen es umgekehrt bei anderen ja auch immer wieder einmal so. Das stärkt unsere Gemeinschaft, fördert unsere Beziehung und ist einfach menschlich und schön. Und gerade wenn wir Christen sind, zeigt es uns, dass wir Gottes Beispiel verstanden haben: Wir neh- men dann als seine Kinder sein großzügiges Schenken zum Vorbild und wir können auch von ei- nander genau so dankbar empfangen, wie wir’s von unserer Beziehung zu unserem und dem Vater aller Menschen her kennen. Siehe, du wirst Heiden rufen, die du nicht kennst, und Heiden, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen um des HERRN willen, deines Gottes, und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat. Wahrhaftig, wir haben einen großen und großzügigen Gott, um den uns die Menschen, die ihn noch nicht kennen, nur beneiden können. AMEN