Predigt zu „Christi Himmelfahrt“ - 17.5.2007 Textlesung: Jh. 17, 20 - 26 Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war. Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen. Liebe Gemeinde! An diesem Tag der Himmelfahrt unseres Herrn erwarten wir, dass von bestimmten Themen die Rede ist: Vom Abschied zum Beispiel, davon wo der Himmel ist und wie wir uns das denn vorstel- len müssen, wenn Jesus dorthin „hinauf fährt“. Vielleicht auch würden wir gern etwas darüber erfa- hren, wie dieser Himmel, den ja auch wir Christen erwarten, aussieht? Heute ist das anders. Wenn sie mitgezählt hätten, welche Wörter eben in der Lesung am häufigsten vorkamen, dann wüssten sie, worüber heute zu reden ist: Achtmal spricht Jesus davon, dass wir „eins sein“ sollen und er in Gott, Gott in ihm, wir in ihm und er in uns ist und sein will. Damit ist unser Thema heute bezeichnet: Die Einheit der Christen - untereinander und mit ihrem Herrn. „Ich bitte aber nicht allein für sie (die Jünger damals sind gemeint!), sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien.“ Hier ist schon gleich alles klar: Jesus denkt auch an die Zukunft seiner Sache. Nicht nur seine Leute damals sollen eins sein. Über alle Zeiten des Christentums und seiner Kirche sollen seine Nachfolger, alle, die nach ihm heißen, einig sein im Glauben und Hoffen - bis heute. Und warum ist diese Einigkeit so wichtig? Hier ist Jesu Antwort: „... damit ... die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.“ Und das ist ja nun wirklich ein großes Problem unserer Zeit, dass in den Kirchen, die sich auf Jesus Christus berufen, noch lange keine Einheit erreicht ist. Dass wir jetzt wenigstens die Taufe gegen- seitig anerkennen ist da ja nur ein Anfang! Das darf nicht alles bleiben! Gerade der Abendmahlsfei- er steht es besonders schlecht an, wenn sie Unterschiede macht, wer in der einen Kirche und wer in der anderen daran teilnehmen darf. Wenn wir dabei ernst nehmen, dass unser Herr selbst der Gast- geber ist (was sicher alle Kirchen unterschreiben würden!!!), dann darf kein Priester oder Pfarrer am Tisch des Herrn bestimmte Gäste abweisen. Wer sind wir, dass wir das tun dürften!? Aber schauen wir einmal unsere eigene Kirche an. Herrscht da Einheit? Sind sich zum Beispiel die in ihrer Leitung, die auf der mittleren, der Dekanatsebene und die PfarrerInnen und Gemeindeglieder einig über den Weg, den die Kirche in den nächsten Jahren gehen soll, was ihre wichtigsten Aufgaben, die Ausstattung mit PfarrerInnen in den Gemeinden und ihre Verwaltungsstruktur angeht, um nur einmal drei Dinge anzusprechen. Und das alles muss ja noch vor dem Hintergrund von Überalterung, Rückgang der Mitglieder und der Kirchensteuer und damit verbunden der Notwendigkeit zur optimalen Verteilung der knapper werdenden Mittel gesehen werden. Um es klar zu sagen: Selten in der Geschichte unserer Kirche war man sich so uneinig! Ihre Leitung in der EKD und den Landeskirchen hat vor allem ein Sparen zum Ziel, das leider wenig nach der Wichtigkeit und der Wirkung der Ausgaben fragt. Dabei aber verliert man mehr und mehr aus den Augen, dass die Kirche kein Unternehmen aus irgendeiner Wirtschaftsbranche ist, sondern eine Glaubensgemeinschaft um den Herrn Jesus Christus. Deshalb ist sie sozusagen weisungsgebunden an das, was ihr Herr von ihr erwartet. Und das ist besonders deutlich im Missionsbefehl ausgespro- chen, der ja als die letzten Worte Jesu vor seiner Auffahrt zum Vater ganz hervorragende Bedeu- tung hat und darum gut zu diesem Himmelsfahrtstag passt. Ich möchte uns diese Worte heute in Erinnerung rufen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heili- gen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende (Mt.28, 18,bff). Taufen sollen wir in Jesu Kirche und die Menschen lehren, dass sie sein Wort und seinen Willen achten und tun. Alles andere ist zweitrangig und es darf sich nicht so wichtig machen und wir dürfen es nicht so wichtig nehmen, dass der klare Auftrag unseres Herrn nicht mehr angemessen erfüllt werden kann. Zu diesen zweitrangigen Dingen zählen blindes Sparen ohne Beachtung der Folgen, Strukturfragen und die demographische Entwicklung. Der Auftrag ihres Herrn allein ist das Maß der Kirche Jesu Christi, an dem alle Entscheidungen gemessen werden müssen. Was ihm dient, ist gut und braucht die nötige Ausstattung mit Geld und Personal. Was ihm nach genauer Prüfung nicht dient, kann künftig wegfallen und macht Mittel und Menschen frei, der Sache Christi zu dienen. Aber schauen wir auf die „Mittlere Ebene“ - wie sie in manchen Landeskirchen heißt - also die Ämter und Gremien, die in einem Kirchenkreis, einem Sprengel oder einem Dekanat leiten und verwalten. Viele neue Aufgaben sind den Leuten dort in den letzten Jahren zugewachsen. Leider sind es überwiegend aber keine geistlichen Aufgaben, sondern solche, wie sie in einem Unterneh- men vielleicht von Tochterfirmen übernommen werden müssen: Wie wird das Geld verteilt, das jede Filiale (sprich: Gemeinde) erhält. Wie kann der Sollstellenplan, der von ganz oben verordnet wird, in den Filialen um- und durchgesetzt werden. Wie viel Personal wird jeder Gemeinde zuges- tanden. Dabei wird leider nicht gefragt, welche Filialen „effektiver“ arbeiten als andere. In einem Wirtschaftsunternehmen zählen nur quantitative Ergebnisse und Zuwächse. Die Kirche Jesu aber schafft keine mess- und wägbaren Produkte! Und doch gibt es große Unterschiede, was den Cha- rakter, die Lebendigkeit, die Aktivität und die Ausstrahlung von Gemeinden angeht! Aber wenn Menschen durch gute Verkündigung oder engagierte Gemeindearbeit zum Glauben finden oder sich in einem christlichen Lebenswandel üben, sieht das in der mittleren Ebene kaum jemand und in der obersten Zentrale niemand. Alle Gemeinden, ob lebendig oder eher schläfrig werden gleich gehalten. Das lähmt den Einsatz der Menschen unten in den Filialen. Und damit sind wir an der Basis der Kirche: PfarrerInnen und Gemeindeglieder, die sich um das christliche Leben in ihren Gemeinden mühen, erfahren keine Wertschätzung und keine Un- terstützung. Fällt die Gemeindegliederzahl unter ein (von oben) bestimmtes Maß, dann werden die Stellen gekürzt, gestrichen oder die Gemeinde mit einer oder mehreren anderen zusammengelegt. Was laut Plan „Synergieeffekte“ auslösen soll, bringt meist die gesamte Arbeit zum Erliegen. (Was wir bei Fusionen in der richtigen Wirtschaft und bei Krankenhäusern genau so beobachten können!) Die besondere Strahlkraft einzelner Gemeinden wird zerstört. Aktivität und christliches Leben wird mutwillig erstickt. Heraus kommt am Ende eine Kirche, deren geschwächte und gekappte Wurzeln Stamm und Wipfel nicht mehr ernähren können, so dass der ganze Baum keine Blüten und Früchte mehr hervor- bringt. Noch einmal:„Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien.“ Eins sein heißt vor dem Hintergrund des Taufbefehls: Wir sollen in Jesu Kirche die Menschen taufen und sie lehren, dass sie sein Wort und seinen Willen achten und tun. Würde sich die Kirche des Herrn neu darauf konzentrieren, würde sie neu auf die Befreiung und die verändernde und Glauben schaffende Kraft der Verkündigung des Evangeliums setzen und in der Gemeindearbeit Gelegenheit zu einem dem Glauben gemäßen Leben geben, sie müsste keine Überalterung der Gesellschaft, keinen Rückgang der Kirchensteuer und keinen Mit- gliederschwund fürchten. Und wenn das bedeutete, wieder mehr in die Gemeinden unten an der Wurzel der Kirche zu investieren und sie vorrangig mit ausreichend Geldmitteln und PfarrerInnen auszustatten, dann würde das nicht den Untergang des Unternehmens Kirche bedeuten, sondern neue Blüte und Frucht der Glaubensgemeinschaft Jesu Christi. Der Herr, der versprochen hat, alle Tage bei ihr zu sein bis an der Welt Ende, würde seine Kirche wieder selbst leiten und in eine gute Zukunft führen. Bitten wir den Herrn der Kirche, dass er uns in seiner Kirche zurückführt zu solch- er Einigkeit über den Weg zu seinem Ziel, von dem er so spricht: Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen.