Predigt am Ostersonntag - 8.4.2007 Textlesung: Jh. 20,11-18 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten. Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, daß es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen. Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister! Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt. „Was weinst du?“ Gleich zweimal wird Maria das gefragt. Und - bei aller Hochachtung für den En- gel und den Auferstandenen - es scheint uns eine ganz überflüssige Frage! Warum weint sie? Weil „ihr Herr“ gekreuzigt wurde! Warum weint sie? Weil Jesus, dessen Jüngerin sie war, nun tot ist und sie nicht einmal seinen Leichnam findet. Und hat sie nicht allen Grund zum Weinen? Ich muss an uns denken, wenn wir weinen ... Beim Abschied auf dem Friedhof, am Totensonntag in der Kirche, wenn der Name des Verstorbenen vorgelesen wird, am Geburtstag unseres Toten, wenn wir an ihn denken und uns sein letztes Foto betrachten ... Wenn man uns dann fragte: Was weinst du? Würden wir überhaupt antworten? - Die Tränen kommen uns doch, weil wir den Menschen, den sie da ins Grab senken, geliebt haben! Der Schmerz greift nach uns, weil uns am Ewigkeitssonntag alles wieder so deutlich vor Augen steht: Das Leben mit ihm, mit ihr, die schönen und schweren Stunden, die Pläne, die wir noch hatten und dass dann alles nicht mehr sein sollte ... Und wir müssen weinen, wenn uns am Geburtstag unserer Lieben so ganz sinnfällig wird, wie allein wir jetzt sind und wie schön es immer war ... mit ihr ... mit ihm ... „Was weinst du?“ Das war die Frage an Maria am Ostermorgen. Das ist auch die Frage an uns. Beide Male - so scheint es - eine unnötige und schmerzhafte Frage. Beide Male im Grunde über- flüssig. Und doch liegt eine gewaltiger Unterschied darin. Denn dazwischen liegt der ganze christli- che Glaube, die Mitte einer Weltreligion und etwa 2000 Jahre. - Das muss ich erklären: Was durfte denn Maria am Ostermorgen erwarten? Einen Leichnam, einen toten, vielleicht schon leicht ver- westen Körper. Und mit einer Schwierigkeit musste sie rechnen: Wer würde ihr den Stein vom Grab wälzen? - Aber es kommt ganz anders. Die Grabhöhle liegt offen vor ihr. Die Bank aus Stein, auf den sie den toten Herrn gelegt hatten, ist leer! Ich denke mir, was sie hier erleben musste, war noch viel schlimmer, als das, was sie erwartet hatte! Der Leichnam war weg! Gestohlen vielleicht!? „Wo haben sie meinen Herrn hingetragen?“ Wir können den Schmerz nachempfinden: Wenn man nach dem Abschied vom Liebsten, das man hatte, nicht einmal an ein Grab gehen kann ... Wenn man beim Besuch an der letzten Ruhestätte nicht einmal diesen Anhaltspunkt für all die schmerzlichen Gefühle hat: Dort - in diesem Grab, in dieser Höhle - liegt mein Mann, meine Frau, mein Kind, mein Vater ... Wirklich: Das war noch viel schrecklicher, als es Maria erwarten musste! „Was weinst du?“ Soll sie denn nicht weinen, aus tiefstem Herzen, in grenzenlosem Schmerz? „Sie haben meinen Herrn weggenommen!“ Gewiss, sie hatte es aus dem Mund Jesu gehört, mehr als einmal: Ich werde viel leiden, hernach aber auferstehen, dann gehe ich euch voraus nach Galiläa! Aber wer hatte das geglaubt? Wer konnte das glauben? Ein Mensch, am Kreuz gestorben, entseelt und bleich, verblutet und kalt, sollte wieder ins Leben zurückkehren? Und wir, wenn man uns fragt: „Warum weinst du?“, wie geht es uns dann damit? Gewiss, wir „wissen“ das heute: Jesus ist auferstanden von den Toten! Wir sagen es auch im Glau- bensbekenntnis: „Ich glaube an die Auferstehung und ein ewiges Leben...“ Aber wissen wir das wirklich? Glauben wir daran von ganzem Herzen und mit unserer ganzen Person? - Und wenn, warum weinen wir dann? Schwierige Gedanken am Ostermorgen, ich weiß. Und die Gefühle, die geweckt werden, tun fast weh. Aber ich möchte ihnen heute den Auferstandenen predigen! Ich möchte ihnen die Freude ins Herz geben, die Ostern bedeutet. Ich möchte helfen, dass sie das wirklich - von Herzen - glauben können: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden, Halleluja! Und wir, du und ich, sollen auch auferstehen und ein ewiges Leben haben! Ach, wir dürfen ja weinen - am Grab, wenn uns der ganze Jammer überfällt: „Jetzt bin ich allein. Der Platz, an dem dieser Mensch immer saß, wird leer bleiben. Seine Stimme ist für immer ver- klungen.“ Du darfst weinen! Genau wie Maria am Ostermorgen: „Sie haben mir meinen Herrn ge- nommen! Wo habt ihr ihn hingelegt, der mir so lieb war?“ Du darfst weinen, Maria! Aber da ist der große Unterschied: Maria kann nicht auf den so ungeheuren Gedanken kommen, dass da wirklich ein Toter ins Leben zurückgekommen ist! Wir dagegen dürften auf keinen anderen Gedanken kommen, als dass unser Verstorbener - den sie eben ins Grab hinabsenken - nun die Auf- erstehung und das ewige Leben hat. So ist es die Mitte unseres Christenglaubens. Ohne diese frohe Osterbotschaft gäbe es keine Kirche. Ohne die Auferstehung des Herrn, wäre Jesu Sache schon vor bald 2000 Jahren zu Ende gewesen. Ohne Ostern kein Glaube, wir wären jetzt nicht hier, diese Kir- che wäre vielleicht ein heidnischer Tempel und wir selbst die unglücklichsten Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten! Wir haben einen lebendigen Herrn. Wir sollen auch auferstehen - aus dem Tod zum Leben. In die Gräber legen wir sterbliche Reste. Was ein Mensch war, seine Persönlichkeit, sein ganzes unverwechselbares Wesen geht nicht verloren; es wird bei Gott, dem Vater, ewig bleiben. „Was weinst du?“ Und noch etwas ist anders bei uns; wir haben es der Maria voraus: Die fast 2000 Jahre Geschichte des Glaubens an den Auferstandenen! Wenn wir selbst es vielleicht auch schwer haben mit diesem Glauben - es gibt doch die Menschen, die ihr Vertrauen darauf setzen: Mein Herr ist nicht im Tod geblieben; ich werde auch einmal das Leben sehen! Maria kannte keinen Menschen, der diesen Glauben gehabt hätte. Jesus selbst hatte zwar einige Menschen wieder auferweckt zum Leben. Aber jetzt war er selbst ja tot und mit ihm seine rätselhafte Macht, mit der er Verstorbene zurückgerufen hatte. Nein, das musste für sie ganz unmöglich sein, auch nur zu denken: Dieser Tote könnte auf- erstanden sein! Sie kann nur weinen. Aber wir: Nicht nur, dass wir jeder ja viele Mitchristen kennen, die - uns gleich - das Glaubensbe- kenntnis mitsprechen. Nicht nur, dass wir uns ja nach dem auferstandenen und lebendigen Herrn „Christen“ nennen. Nicht nur, dass sie mir das sicher abnehmen, dass es ohne „Ostern“ keine Kirche gäbe. Dazu kann man zur Not ja auch nur mit dem Kopf ja sagen und mit dem Verstand zu- stimmen. Etwas anderes ist es aber mit den Erfahrungen, die wir machen: Da haucht ein alter Mensch auf seinem Sterbelager die Worte: „Ich will heimgehen!“ Ein anderer spricht mit leuchten- den Augen davon, wie sehr er sich freut, nun bald sehen zu dürfen, was er immer nur glauben durf- te. - Sind das keine sicheren Beweise dafür, dass dieser Glauben an die Auferstehung möglich ist? Andere Beispiele: Da mühen sich Christen an so vielen gesellschaftlichen Brennpunkten darum, die Zustände zu verbessern: Im Umweltschutz, in den Krankenhäusern, in der Arbeit mit Kindern oder alten Menschen, mit Aussiedlern und Asylanten. Oft genug geschieht das ehrenamtlich oder gegen viele Widerstände der Bevölkerung - auch der Mitchristen! Was hält diese Christen bei der Stange, wo wir vielleicht schon längst aufgegeben hätten? Wer gibt ihnen die Kraft, ihre Überzeugung durchzuhalten, was macht ihnen Mut, wenn eigentlich alles dagegen spricht, dass ihre Arbeit am Ende einen Sinn oder Erfolg hat? Ich kann hier nur die Macht des Glaubens im Hintergrund erken- nen: Des Glaubens an die Auferstehung und ein neues Leben! Ja, wird uns durch diese Menschen nicht klar belegt, dass dieser Glaube an die Auferstehung möglich ist? Noch ein drittes: Es gibt ja - Gott sei Dank! - auch die Menschen, die es ganz klar aussprechen: „Ich glaube, dass Jesus auferstanden ist von den Toten und ich weiß, dass ich ihm einmal nachfolgen werde - ins Leben, in die Ewigkeit!“ Bei solchen Menschen spüren wir: Das sind keine frommen Sprüche! Die vertrauen wirklich darauf! Vielleicht hören wir solche Menschen auch einmal diese Worte sagen: „Mein Mann, mein Vater, mein Sohn ist jetzt zwar gestorben, ich bin jetzt sehr allein und sein Tod hat mich sehr traurig gemacht - aber ich weiß doch: Er ist nur vorausgegangen in Gottes Reich! Dort werde ich ihn einmal wiedersehen!“ Auch solche Menschen zeigen uns: Der Glaube an die Auferstehung ist möglich! Und er hat Kraft und bewegt etwas - weit über das bloße Reden und Bekennen mit den Lippen hinaus! Wie gesagt: Wir selbst mögen es zwar (noch) schwer haben mit diesem Glauben, aber es gibt ihn - seit 2000 Jahren. Er hat seine klaren Spuren hinterlassen und setzt sie auch noch heute. - Das haben wir der Maria am Ostermorgen voraus! - Sie haben das jetzt gemerkt: Ich habe gesagt, dieser Glaube ist für uns möglich. Geben kann ich oder meine Predigt ihnen diesen Glauben nicht. Gott kann es! So erbitte ich heute für jede und je- den von uns den festen Glauben an die Auferstehung des Herrn - und daran, dass wir ihm einmal folgen werden ins Leben! Dass Gott uns diesen Glauben geschenkt hat, werden wir daran erkennen, dass unsere Tränen versiegen, wenn man uns fragt: „Was weinst du?“ Wir haben keinen Grund für Angst oder Weinen, wenn wir an den Tod denken: Der Herr ist auferstanden; er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja! Und wir werden ihm ins Leben folgen! Halleluja!