Predigt zum Palmsonntag - 1.4.2007 Textlesung: Jh. 17,1 + 6 - 8 So redete Jesus, und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: ver- herrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche; denn du hast ihm Macht gegeben über al- le Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast. Das ist aber das ewi- ge Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, er- kennen. Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast. Liebe Gemeinde! Die eine oder der andere wird diese Predigt heute wohl als anstößig und anmaßend empfinden. Und vielleicht ist sie das ja auch? Um den Anstoß wenigstens ein bisschen abzumildern, will ich zuvor auf eher herkömmliche Weise ansprechen, was hier geschieht: Wir hören hier einen Teil des sogenannten Hohepriesterlichen Gebets Jesu. Bevor er in den Garten Gethsemane geht, wo er gefangen genommen wird, um dann vor Kaiphas und Pilatus geschleppt zu werden, hat Jesus ein inniges Gespräch mit seinem himmlischen Vater. Jesus vertraut Gott die Menschen an, die der Vater ihm zuvor anvertraut hat: Die Jüngerinnen und Jünger, die Frauen und Männer aus dem Volk, denen er in den Jahren seines Wirkens in Galiläa und Judäa begegnet ist, die Menschen, die zum Glauben an ihn gefunden haben. Wie ein Hoherpriester Israels für das Volk, so bittet er für die Seinen: Dass Gott, jetzt da er selbst bald sein Werk in Leiden und Sterben beenden wird, seine Vertrauten und Freunde im Glauben und in der Liebe bewahrt. Ich finde, es sind ganz wunderbare Worte, in die Jesus hier seine Gedanken kleidet, Worte voller Fürsorge und Zuneigung zu denen, die er nun bald verlassen muss. Wir erkennen hier einen Jesus, der sich noch angesichts größten Leids und eigener Verlassenheit Gedanken um die macht, die er in dieser Welt liebhatte und um deren Heil willen er ans Kreuz gehen wird: „...die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegan- gen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.“ Wie eine Bilanz seines Wirkens hört sich das an. Er hat Menschen zum Glauben geführt, hat ihnen gegeben, was er geben konnte und alles von Gott gesagt, was er sagen sollte. Der Auftrag ist erfüllt. Jetzt fehlt „nur“ noch die Bestätigung in Leiden und Tod, dann ist alles vollbracht. Liebe Gemeinde, jetzt wollen wir unsere Aufgabe als Christinnen und Christen bedenken, unseren Auftrag im Leben, in unseren Beziehungen ... Und darin eben liegt der Anstoß dieser Predigt: Dass wir vom Auftrag Jesu, bei dem es um das Heil aller Menschen geht, um Leben oder Tod für uns, um diese Welt und ihre Zukunft, auf uns kleine sterbliche Menschen kommen. Aber es sind andere Aufgaben, die wir haben, kleinere ... aber nicht unbedeutende! Sie liegen sozusagen hinter diesem ganz großen, alles entscheidenden Auftrag Jesu, uns das ewige Leben zu gewinnen. Aber wir alle haben solche Aufgaben. Sie betreffen unsere Beziehung zu Gott, die Bedeutung, die der Glaube für uns hat, die Gaben, die Gott uns anvertraut hat und was wir damit anfangen und die Art, wie wir das, was wir als die Wahrheit erkannt haben auch in unserem Alltag, in unserem Denken, Reden und Handeln zeigen. Und warum sollten wir nicht auch einmal solch eine Bilanz ziehen, wie Jesus das hier tut? Dass wir fragen: Was haben wir denn von unseren Aufgaben in der Welt und an den Menschen erfüllt - bis heute. Wo stehen wir also gerade mit dem Auftrag, den Gott uns mitgegeben hat in dieses Leben? Wir könnten das geradeso wie Jesus tun: Ganz allein für uns ... in einem Gespräch mit Gott ... einem Gebet ... Heute beginnt die sogenannte stille Woche. Ob wir da in den nächsten Tagen auf Karfreitag hin nicht einmal eine Zeit finden, in der wir zu uns und zu unserem Gott so sprechen: Vater, die Stunde ist da ... ich möchte einmal ehrlich und ungeschminkt mein Le- ben bisher vor dir ausbreiten, meine Taten bis heute bedenken, worauf ich in den zurückliegenden Jahren gerne schaue, wofür ich mich schäme und wo ich dich um Vergebung bitten muss. Und das wird dann wie von selbst auch zu Gedanken führen, wo ich mich ändern sollte, wo meine Aufgaben an den Mitmenschen bisher zu kurz kamen und ich mich mehr für sie einsetzen müsste. Eins aber ist ganz anders als es bei Jesus war: Für uns steht nicht unmittelbar bevor, dass wir um unseres Auftrags willen leiden oder gar sterben müssen. Wir sind geborgen in der Liebe Gottes, aus der wir um unseres Herrn Willen niemals fallen können. Wir haben Zeit ... Ich möchte jetzt einmal ein paar solcher Gebete formulieren, wie sie von der einen oder dem ande- ren vielleicht nachgesprochen werden könnten. Es sollen Anregungen sein, die wir in der kommen- den Tagen wieder aufnehmen und für uns selbst nachsprechen könnten: Vater, die Stunde ist da, in der ich vor dir über mein Leben nachdenken will. Es gibt viele gute Er- fahrungen mit dir, für die ich dir dankbar bin. Dass ich damals schon in meiner Kindheit den Glauben an dich gefunden habe, ist wunderbar und eigentlich ein Grund zum Staunen. Denn mein Elternhaus war gar nicht so - nun, was man „fromm“ nennt. Trotzdem habe ich immer gewusst, dass du da bist, mir hilfst und mir mit deinem Wort den Weg weist. Und dass Jesus Christus für mich gestorben ist, das konnte ich auch annehmen und es war mir immer wie der helle Hintergrund meines Lebens. Nun, da ich darüber nachsinne, wird mir doch aber auch deutlich, wie wenig ich meinen Kindern von meinem Glauben erzählt habe. Warum nur habe ich dich so in meinem Herzen verschlossen? Warum habe ich nicht häufiger die Gelegenheiten ergriffen, die mir das Leben gebo- ten hat, dass ich meine Kinder auf dich, den Vater, hingewiesen habe, wie du so gut und dankens- wert hinter den sichtbaren Dingen wirkst, wie du vor Bösem und Unglück bewahrst und selbst ganz Schlimmes noch zum Besten wendest. Wenn du mir Gelegenheit gibst, will ich hier mehr tun als bisher, dich mehr ins Gespräch bringen und damit vielleicht meinen Kindern mehr Hilfen geben, dass sie auch zu dir finden ... - - - Vater, die Stunde ist da, ich komme zu dir und nehme mir die Zeit, die ich oft genug in der Vergan- genheit nicht zu haben meinte ... Gewiss, ich glaube an dich - aber sicher hat man es mir oft nicht abgespürt. Ich weiß, dass meines und aller Menschen Leben aus deiner Hand hervorgegangen sind, aber wer von meinen Freunden weiß wohl oder ahnt es auch nur, dass ich das weiß? Ob ich nicht mehr in meiner Umgebung hätte zeigen müssen, dass ich ein Christ bin? Sie haben über den Glau- ben gespottet - ich habe geschwiegen. Sie haben sich über Menschen lustig gemacht, die „sich heute noch an Gott halten“ - ich habe nicht gesagt, dass ich auch zu ihnen gehöre. Ich müsste wirklich mehr Mut haben, dazu auch zu stehen, was mir wichtig und heilig ist. Ob ich das in nächster Zeit schaffe: Nicht zu schweigen, wenn ein klares Wort dran ist? Auszusprechen, wer mein Herr ist und an wessen Zukunft ich glaube? --- Vater, die Stunde ist da, ich will vor dir aussprechen, was ich sonst immer gern als selbstverständlich und kaum erwähnenswert achte: Ich glaube an dich. Deine Liebe ist mir immer gegenwärtig - auch in schweren Stunden. Jesus Christus ist dein Sohn, der für die Schuld der Welt ans Kreuz gegangen ist. - Jetzt, da ich dir das sage, fällt mir auf: Ich wüsste noch viele solcher Sätze. Was du mir bedeutest. Woran ich alles glaube. Aber im Grunde ist das nur mein Kopf, der hier spricht. Mein Herz aber bleibt davon unberührt ... und es hat Angst! Was wird aus mir, wenn ich jetzt älter werde? Wo hindurch werde ich wohl noch gehen müssen. Kommt Krankheit, langes Siechtum? Und wie tritt der Tod an mich heran? - Ich weiß es wohl, mein Glaube müsste auch Vertrauen haben. Ja, der Glaube ist selbst Vertrauen! Wenn ich von dir sage: du bist die Liebe, wie kann ich dann Böses erwarten? Wenn Jesus Christus für meine Schuld gestorben ist, warum fürchte ich dann die Zukunft, den Tod, dein Urteil und gar die Strafe? Wie gern würde ich zu alledem, was ich mit dem Kopf glaube noch das Vertrauen des Herzens gewinnen! --- Das Gebet Jesu, sein inniges Gespräch mit dem Vater, hat Gottes Ohr gefunden. Er hat seinen Sohn sterben und auferstehen lassen und so verherrlicht. Jesus Christus hat so sein Leben und seinen Auftrag in dieser Welt und an allen Menschen erfüllt. Ich wünsche uns allen auch, dass wir in der kommenden stillen Woche mit unserem Vater ins Gespräch kommen, sein Ohr finden und ihm alles vortragen, was uns im Blick auf unser Leben be- wegt. Und dann wünsche ich uns, dass er uns hilft, auch den Auftrag, den er über unserem Leben ausgerufen hat, erfüllen zu können - in seiner Kraft und seinem Segen!