Predigt zum Buß- und Bettag - 22.11.2006 Textlesung: Offb. 3, 14 - 22 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: Ich kenne deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist. Ach, daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! und weißt nicht, daß du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. Ich rate dir, daß du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. Welche ich liebhabe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn je- mand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abend- mahl mit ihm halten und er mit mir. Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Liebe Gemeinde! Vielleicht verstehen wir ja nicht alles gleich, was hier der Seher Johannes geschrieben hat, aber es ist doch sehr bildhaft und plastisch, was er schreibt - und es ist nicht wenig drastisch, besonders im ersten Teil: „Ich werde dich ausspeien. Du bist jämmerlich, arm, blind und bloß. Du sollst weiße Kleider kaufen, um deine Schande zu bedecken.“ Wie immer fragen wir sicher (insgeheim) zuerst, wen Johannes denn damit meint? Und wir fragen, warum er die Menschen, denen sein Brief galt, so hart zurechtweist? Und wir bekommen auch Antwort: „Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!“ Der Seher - soviel kön- nen wir jetzt schon sagen - hat es ganz offensichtlich in Laodizea mit Gemeindegliedern zu tun, die sich auf weltliche Güter und den Reichtum an Geld und Besitz verlassen. Und wir hören auch, wie Johannes das sieht und was er ihnen dazu empfiehlt: Du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß. So sei nun eifrig und tue Buße! Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen ... Aber der Seher verschweigt nicht, dass es selbst für Christus eine Anfechtung war, standhaft im Glauben zu sein: ... wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. Es gibt also auch etwas zu überwinden! Der Glaube ist nicht nur Gabe, sondern auch Aufgabe. Die Hoffnung auf die Zukunft bei Gott und auf den Thron in seiner neuen Welt ist gefährdet und wir täglich angefochten, sie fahren zu lassen. Darum aufgepasst! Wer Ohren hat, der höre! Prüft eure Werke! Schaut, ob euer Herz noch für den Herrn schlägt! Wenn ihr lau geworden seid, dann erwärmt euch wieder für ihn und kehrt zu ihm zurück! Liebe Gemeinde! Und was geht uns das jetzt an? Diese Frage ist ja nur zu berechtigt! Wir könnten diese Worte aus der Offenbarung ja leicht abtun. Etwa so: Das war ja eine Standpauke für Leute aus einer völlig anderen Zeit! Und aus einer Welt, die lange versunken ist. „Laodizea“ - wir wissen ja nicht einmal wo das liegt und ob es diese Stadt noch gibt? Aber aufgepasst auch hier! Wir sollten vorsichtig mit den Worten des Sehers umgehen - und mit unseren eigenen auch! Mit solchen Einwänden können wir das ganze Neue Testament (und das Alte sowieso) für überholt und für uns nicht gültig abtun. Dann würden die Gleichnisse Jesu, die Geschichten von ihm und über ihn gleich mit für unwichtig und bedeutungslos für uns erklärt. Wir wollen es so - wie eigentlich immer - halten: Das Zeitgemäße und Überholte an diesen Worten wollen wir sehen, aber mehr in den Hintergrund stellen. Das zeitlos Aktuelle aber wollen wir hören, auf uns beziehen und als Worte direkt an uns verstehen und bedenken. So ist es also das Erste, dass wir schauen, was Johannes den Christen von Laodizea damals sagen wollte und wie sie ihn wohl verstanden haben: Die Stadt Laodizea lag in Kleinasien. Heute existiert sie zwar nicht mehr und wir können nicht sehr viel über sie und ihre christliche Gemeinde sagen. Aber es ist deutlich, dass Johannes sie gut gekannt haben muss, denn er spielt einige Male auf den besonderen Ruf an, den Laodizea damals hatte: Du sprichst: Ich bin reich und habe genug ... Ich rate dir, daß du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest ... und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du se- hen mögest. ... Wer Ohren hat, der höre! - Reich war die Stadt, sehr reich! Ihre Bürger, auch die Christen, besaßen Gold in Hülle und Fülle. Und eine berühmte Medizinische Schule gab es. Die dort hergestellten Augen- und Ohrensalben waren in der ganzen antiken Welt bekannt. Aber kommen wir jetzt wirklich zu uns. So würde der Seher vielleicht heute, in unserer Zeit und in unserer Sprache sprechen: Du hast deinen Platz in der Welt, dein Einkommen, deine Wohnung und den Ort, an den du gehörst. Und du meinst, du hättest doch deinen Glauben. Du denkst, dein Leben wäre reich an guten Taten und Gedanken. Niemand könnte an dem, wie du denkst und handelst An- stoß nehmen. Ich rate dir, dass du dich neu besinnst und von mir annimmst, was in Wahrheit wert- voll ist und dein Leben wirklich bereichert und erfüllt! So kannst du vor Gott bestehen und erk- ennst, worauf es bei ihm wirklich ankommt. Liebe Gemeinde, wenn so mit uns geredet wird, dann ist es schwierig für uns, so wie es schwer war für die Christen aller Zeiten, dass wir nicht gleich die Ohren und die Herzen verschließen, uns gegen solche Rede verwahren und uns rechtfertigen wollen. Als erstes fällt uns hier wohl ein, dass wir sagen: Aber so reich - wie z.B. die Christen in Laodizea - sind wir doch gar nicht! Und vielleicht liegen wir mit unserem Einkommen und Besitz da ja wirklich nur im Durchschnitt oder gar weit darunter. Aber darum geht es im Grunde gar nicht. Die Haltung ist gemeint und die Si- cherheit, mit der wir in dieser Haltung und auf unseren Standpunkten und in unserem Denken verharren! Und eine zweite Ausflucht, die wir immer gern bemühen, hört sich heute an, wie auch schon in den Tagen Laodizeas: „Ich bin doch ganz in Ordnung und Gott müsste doch seine Freude an mir ha- ben!“ - „Also wenn ich kein rechtschaffener Christ bin! Ich gehe fast jeden Sonntag in die Kirche und im Bibelkreis bin ich auch!“ - „Sehen sie sich doch die anderen an, da schneide ich wirklich noch gut ab!“ Nun, vielleicht reden wir nicht so, aber wir denken schon manchmal ähnlich, wenn wir ehrlich sind! Was sagt uns der Seher Johannes dazu? Er nimmt nun wahrhaftig kein Blatt vor den Mund: Du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß. - Ich bin überzeugt davon, dass jede und jeder von uns Grund hat, sich einmal so in Frage zu stellen: Bin ich nicht wirklich elend in meinen Taten, wenn ich doch so viel mehr tun könnte an Gutem, an Hilfe für meine Mitmenschen? Und bin ich nicht jämmerlich in meinem Kleinglauben, wenn ich Gott so gar nichts mehr zutraue, dass er noch etwas mit mir vorhat und mein Leben noch brauchen will für meine Nächsten? Und bin ich nicht arm an Hoffnung, dass ich so fest davon ausgehe, in meiner Zeit, in meinem Leben könne sich nichts mehr ändern - und zum Besseren schon gar nicht? Bin ich nicht blind, wenn ich die Tränen und den Kummer der Menschen in meiner Nähe nicht mehr wahrnehme, geschweige denn, dass ich meine Aufgabe erkenne, die Not nach Kräften zu wenden. Und schließlich: Bin ich ich nicht wirklich nackt und bloß, wenn es darum geht, ein Beispiel dafür abzugeben, wie Christinnen und Christen heute in dieser Zeit wirken und handeln? Aber Johannes ist nicht fertig: Sei eifrig und tue Buße! Öffne die Tür deines Herzens für den Herrn! Höre auf die Stimme Jesu Christi! - Buße heißt Umkehr. In die andere Richtung, vielleicht sogar zurück gehen. Statt elend und jämmerlich voller Mut, Glauben und Vertrauen: Gott wird mit mir sein, wenn ich mich mehr als bisher für meine Mitmenschen einsetze. Er wird mir täglich neue Kräfte geben, wenn ich in seinem Sinn lebe und handle. Statt arm - reich an Zuversicht, dass mein Leben noch andere Ziele hat, als ich bis heute dachte, statt blind - sehend und empfänglich dafür, wo in meiner Umgebung Unrecht herrscht, Leid die Menschen bedrückt und Angst ihnen den Atem nimmt, statt nackt und bloß - angetan mit dem Auftrag und dem Wesen meines Herrn, dass ich endlich klar und deutlich so rede und handle, wie es Christen in seiner Nachfolge wohl ansteht. Wir wollen dabei die Zusage Jesu Christi nicht verachten, die er uns ausrichten lässt: Welche ich liebhabe, die weise ich zurecht und züchtige ich. Wenn unser Herr hart mit uns umgeht und uns ernste Worte sagt, dann ist das ja gar kein Zeichen dafür, dass er uns verdammt oder aufgegeben hätte. Im Gegenteil! Er will uns helfen, die andere Richtung zu gehen, umzukehren, dass wir dor- thin kommen, wo er uns haben und brauchen will. Er hat uns lieb, darum sagt er’s uns, wo wir nicht sind, wie wir sein sollten. Und seine Liebe wird uns auf dem Weg der Buße begleiten. Und wir dür- fen gewiss sein, dass auch dieses Wort eintrifft: Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. Liebe Gemeinde, welch eine wunderbare Aussicht! Wer Ohren hat, der höre!