Predigt zum 8. Sonntag nach Trinitatis - 6.8.2006 Textlesung: 1. Kor. 6, 9 - 14. 6,18-20 Oder wißt ihr nicht, daß die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Laßt euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben. Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht ge- worden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefan- gennehmen. Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; aber Gott wird das eine wie das an- dere zunichte machen. Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe. Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft. Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch tut, bleiben außerhalb des Leibes; wer aber Hure- rei treibt, der sündigt am eigenen Leibe. Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe. Liebe Gemeinde! Ein wenig befangen ist man als Prediger dieser Verse schon! Ich hätte ihnen nun wirklich lieber leichter verdauliche Kost vorgesetzt! Und beim besten Willen, uns auch einmal harte Worte ge- fallen zu lassen, das führt denn doch zu weit: „Knabenschänder, Unzüchtige, Hurerei, Götzendie- ner, Ehebrecher ...“ Wer von uns müsste sich da angesprochen fühlen? Was also sollen wir aus diesen Worten des Paulus mitnehmen in die neue Woche, in unser Leben? Mich hat mindestens der Schluss dieser Verse zum Nachdenken angeregt und ich glaube, da liegt für uns alle etwas drin - wenn es vielleicht auch nicht so richtig gut ankommen und uns gefallen wird. Ich meine diese zwei Sätze: „Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.“ Als aufgeklärte, moderne Menschen, die wir sind, wissen wir es ja: Man kann Leib und Seele nicht von einander trennen, so als wäre das Leibliche die eine, das Seelische die andere Seite unseres Wesens, unserer menschlichen Natur. Und nicht anders sieht es ja schon die Schöpfungsgeschichte in der Bibel, wenn sie vom Menschen als „einer lebendigen Seele“ spricht (Gen. 2,7). Seltsam ist aber vor diesem Hintergrund, dass wir Christen doch in der Praxis unseres Lebens die Einheit von Leib und Seele immer wieder auseinandernehmen. Und dafür gibt es eine Menge von Beispielen: Da antwortet eine auf die Frage, wie es ihr denn gehe, so: „Mir geht es seelisch zur Zeit nicht so gut!“ Dabei hätte sie ja schon die Frage darauf aufmerksam machen können, dass dem Frager auch an ihrem Äußeren schon aufgefallen war, dass sie nicht so ganz auf der Höhe ist. Da sprechen wir oft solche oder ähnliche Sätze: „Das tut mir in der Seele weh!“ Oder: „Ich will in den Ferien einmal die Seele baumeln lassen.“ Oder auch: „Körperlich bin ich eigentlich ganz zu- frieden, wenn nur die seelischen Belastungen meiner Arbeit nicht wären.“ Immer tun wir so, als wären das zwei voneinander unabhängige Bereiche: Der Körper und die Seele. Aber das ist nicht so! Und - wie gesagt - wir wissen das auch: Wenn’s innen in der Seele weh tut, dann leidet unser ganzer Mensch! Wenn uns das Herz schwer ist (wie wir das oft aus- drücken), dann gehen wir auch gebeugter als sonst. Die Psyche hat viele - bei den Menschen unter- schiedliche - körperliche Reaktionen zur Folge: Die eine bekommt stumpfe, spröde Haare, ein an- derer hat schlechte Haut, eine Dritte kriegt „Kreuz“-schmerzen (die wohl nicht umsonst so heißen!), eine Vierte Herzrhythmusstörungen. Aber es gibt zu dieser Sache noch einen Gedanken, der hat eine ganz enge Beziehung zu uns als re- ligiöse Menschen, als Christinnen und Christen: Wir meinen auch oft und reden entsprechend, dass wir Gott eigentlich nur den Anspruch auf unsere Seele zugestehen müssen: Wenn wir in den Got- tesdienst gehen, dann tun wir etwas für die „seelische Erhebung“, vielleicht sagen wir auch: für un- seren „Geist“, aber damit meinen wir dasselbe. Wenn wir die Bibel aufschlagen, erwarten wir ge- wiss keine Steigerung unseres körperlichen Wohlbefindens. Da suchen wir Hilfe oder eine Antwort, die unser Herz betrifft. Und auch noch das müssen wir ansprechen: Es scheint uns eigentlich auch eher unangenehm, Gott in unseren körperlichen Bereich hineinsehen zu lassen, am Ende gar in un- sere Sexualität! Nein, das ist nicht die Einflusszone Gottes! Das ist nicht seine Zuständigkeit! Die andere Seite ist nun wieder, dass wir es doch sehr wohl spüren, dass eines mit dem anderen ganz eng zu tun hat: Wenn ich aus einem bösen Herzen heraus böse an meinem Mitmenschen han- dle, dann kann ich Gott doch nicht verweigern, dass er mein Handeln verurteilt. Und ganz sicher wünsche ich mir insgeheim, wenn ich in der Bibel Rat für mein Leben suche, dass auch die Besch- werden meines Körpers positiv beeinflusst werden. (Und das ist ja auch so! Wenn ich in der Heili- gen Schrift etwa Trost in meiner Trauer, eine Antwort auf eine quälende Frage oder Vergebung meiner Schuld finde, dann werden sich auch die körperlichen Symptome bessern! Von daher ist es nun eigentlich eher kindisch, wenn wir als Christenmenschen meinen, Gott hätte nur mit unserer Seele zu tun und solle sich aus dem Bereich des „rein Körperlichen“ heraushalten - als gäbe es einen solchen Bereich überhaupt. Jedenfalls hören wir heute dieses Wort Gottes an uns: „Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.“ Und vielleicht können sie jetzt doch mit mir sehen, dass dieses Wort wichtig ist und uns sehr wohl einen we- sentlichen Anstoß geben kann. Man spricht in dieser Zeit oft von „ganzheitlicher“ Medizin oder Therapie. Dahinter steht eben die Auffassung, dass man den Menschen nicht in zwei Teile aufspalten kann, die wenig oder gar nichts miteinander zu schaffen hätten. Wir sind eine „lebendige Seele“! Wer nur das eine oder das andere bedenkt, bespricht und behandelt, der lässt den Menschen nicht „ganz“ und damit nicht unversehrt, der zerteilt ihn, der löst die Einheit auf, aus der wir bestehen, oder besser: die wir sind. Sprechen wir heute also auch einmal von einer „ganzheitlichen Religiosität“. Sagen wir und beken- nen wir uns dazu: Wir sind Christinnen und Christen - ganz! - mit Leib und Seele. Vielleicht sollten wir so weit gehen, dass wir von unserer Leibseele reden oder unserem Seelenleib. Denn es ist oft gar nicht möglich, noch zu trennen: hier ist unsere Seele, hier aber unser Leib betroffen. Denken sie doch nur an eine Lüge, die wir aussprechen. Obwohl das doch zuerst mit unserem Gewissen zu tun hat - was wir sicher eher dem „Seelischen“ zuordnen würden - werden wir doch momentan auch mit unserer Haltung und unserem Gesicht zeigen, dass wir nicht die Wahrheit sagen. (Von den ganz Abgebrühten spreche ich heute einmal nicht, denn die sind nicht unter uns.) Was könnte das nun bedeuten, wenn wir uns in Zukunft mehr darum bemühten, Gottes Herrschaft über unseren ganzen Menschen, unser ganzes Leben anzuerkennen? - Mir fallen dazu einige Dinge ein: Wir hätten z.B. nicht mehr für unsere Laster die Ausflüchte und Entschuldigungen parat, die wir immer gern vorbringen: Das hätte doch nun wirklich nichts mit Gott und unserem Glauben zu tun, wenn wir dem Alkohol zu sehr zusprechen. Oder: Wir könnten doch wohl auch als starke Raucher gute Christen sein und Gott liebte doch sowieso alle Menschen und achte nicht auf diese eher leib- lichen, weltlichen Sachen. Gewiss liebt Gott uns alle, die er uns nach seinem Bild geschaffen hat, sonst hätte er auch das „Ex- periment Mensch“ schon lange - und sicher zu unserem Unheil! - beendet. Andererseits aber ist un- ser „Leib der Tempel des heiligen Geistes“. Oder sagen wir es so: Wir können mit uns als der Ein- heit von Körper und Seele eben nicht alles machen, was wir wollen. Gott hat uns geschaffen. Er hat ein Recht auf uns. Wir sollen ihm dienen und unseren Mitmenschen. Wenn wir uns also mit Alko- hol oder Nikotin selbst schädigen, dann schwächen oder zerstören wir unsere Möglichkeiten zum Dienst Gottes und unserer Nächsten. Aber ich denke auch an unsere Neigung, Gott sozusagen damit abzuspeisen, dass wir „aber doch alle 14 Tage in die Kirche gehen“ oder „am Morgen die Tageslosung lesen“ oder „abends in un- serem Bett ein Nachtgebet sprechen“. Als Einheit von Geist und Körper, als „Seelenleib“, der wir sind, hat Gott eben nicht nur Anspruch auf die paar Minuten täglich oder die Stunde alle zwei Wochen, in denen wir uns - wie wir meinen - in einen Bereich begeben, der Gott angeht. Und noch ein Gedanke kommt mir dazu in den Sinn: Unser Glaube müsste auch über Jesus Chris- tus ganz neu nachdenken und über das, was sein Tod am Kreuz für uns bedeutet: Die Erlösung durch sein Opfer am Kreuz ist doch für uns auch so etwas, das eher in die religiöse Ecke unseres Denkens und unseres Lebens gehört. Vielleicht sagen wir: Es wird von uns dahin verbannt! Die Vergebung, die aus Jesu Opfer kommt, hat mit dem „Christlichen“ zu tun, mit „Kirche“ und mit dem „Abendmahl“, bei dem sie uns durch den Pfarrer, die Pfarrerin vermittelt wird. Und das alles betrifft eben unsere Seele und damit eine geistliche Zone, die mit dem sonstigen Leben in der Welt nur sehr entfernt zusammenhängt. So meinen wir jedenfalls. Aber unser Herr Jesus Christus hat uns nicht nur für die Stunden geistlicher Erhebung erlöst. Die Rettung, die am Kreuz für uns geschehen ist, schenkt uns nicht nur hin uns wieder am Tisch des Herrn Vergebung von unserer Schuld. Wir - und eben ganz!- sind „teuer erkauft“. Unser ganzer Mensch ist erlöst und für all unsere Zeit und in allen Lebensbereichen, in denen wir uns bewegen: Bei der Arbeit, in der Freizeit, wenn wir froh sind, traurig oder verzweifelt, ob bei Tag oder Nacht, an Werktagen oder am Sonntag, im Büro, der Schule, der Werkstatt oder der Kirche. „Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.“ Es tut Not und es tut gut, dass wir uns und unseren Glauben überdenken. Wir sind eine lebendige Seele. Körper und Geist sind eine Einheit. Ganz sind wir und gehören unserem Gott. Jesus Christus hat uns am Kreuz frei gemacht von aller Schuld. Wir können eins sein mit uns, mit ihm und un- seren Nächsten.