Predigt zum 1. Sonntag nach Epiphanias - 8.1.2006 Textlesung: 1. Kor. 1, 26 - 31 Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme. Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, damit, wie geschrieben steht (Jeremia 9,22-23): "Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!" Liebe Gemeinde! Was töricht ist, was schwach ist, was verachtet ist vor der Welt, das hat Gott erwählt! - Auf der einen Seite wissen oder ahnen wir doch, dass es so ist. Noch haben wir ja die Weihnachtsbotschaft im Ohr: Bethlehem, die du klein bist unter den Städten ... ein Armeleutekind in einer Futterkrippe, in einem Stall ... die Hirten, Außenseiter der Gesellschaft haben zuerst davon gehört ... und der Engel sagt zu ihnen: Euch ist heute der Heiland geboren. Und später? Da stimmt es auch: Der Mann Jesus von Nazareth hat’s besonders mit den Armen und Verachteten gehalten: Zachäus fällt uns ein, Maria aus Magdala, die einen sehr zweifelhaften Le- benswandel hatte, bevor sie Jesus begegnet ist, ein römischer Hauptmann, der ein Heide war und mit dem ein rechter Jude nicht einmal gesprochen hätte, unzählige Kranke, Behinderte, Sünder und Gesetzesbrecher ... Was klein ist vor der Welt und nicht angesehen, das was nichts ist vor den Augen der Menschen, das hat Gott auserwählt. Ja, es scheint so zu sein - wenigstens am Anfang, als Jesus noch über diese Erde ging. Aber seitdem? Gewiss, in der Geschichte der Christenheit ist das immer wieder einmal aufge- leuchtet: Gottes Nähe zum Geringen. Aber es gab auch ganz andere Beispiele: Eine Kirche, die sich gefiel, Macht auszuüben, in Kreuzzügen Andersgläubige im Namen Gottes zu vernichten, Päpste und andere Kirchenmänner, die sich anmaßten, den Menschen den Himmel aufzuschließen oder zuzusperren, also über das Heil ihrer Seele zu entscheiden. Wie gesagt: Immer wieder gab es auch Zeugen für Gottes Hang zum Kleinen, zu den Ohnmächtigen und Schwachen. Und wie ist es heute? Die Kirche hat ihren Einfluss weithin verloren. Will sie in unseren Tagen die Herzen der Menschen gewinnen und für den Glauben öffnen, dann kann sie das nur mit Liebe und einer überzeugenden Botschaft. Und auch wir, jede und jeder von uns, die wir Gott vertrauen und Jesus Christus unseren Herrn nennen, können andere Menschen nur für ihn einnehmen, wenn wir - wie er! - unseren Platz bei den Randsiedlern und Ausgegrenzten suchen, bei denen, über die abfäl- lig gesprochen und hochmütig die Augenbrauen gehoben werden. Liebe Gemeinde, wir sollten nun nicht denken, dass es doch eigentlich traurig ist, dass die Kirchen und wir Christen nur noch so wenig Bedeutung in der Gesellschaft haben. Im Gegenteil! Das ist un- sere besondere Chance. Und ich glaube fest, diese Chance ist uns von Gott geschenkt! Gerade in unserer Schwäche und unserem durch keine äußerliche Macht unterstützten Einfluss auf andere Menschen, liegt unsere größte Stärke! Denn so war es auch am Anfang: Das Wort des Engels musste die Hirten überzeugen. Und das konnte es! Von selbst und nicht gezwungen fielen die Hirten vor dem Kind auf die Knie. Die Armut Gottes hatte ihre Seele berührt. Und genau so war es in der Geschichte des Christentums: Von Dauer war immer nur der Glaube, der sich die Herzen er- obern konnte und nicht der, dem man folgen musste, weil einem sonst Druck oder gar Gewalt widerfuhr. Wer wird genannt, wenn Vorbilder christlichen Lebens gesucht werden: Mutter Theresa, Albert Schweitzer, Dietrich Bonhoeffer ... nicht jene, deren „Christlichkeit“ vorgeblich und deren Methode es war, anderen den Glauben aufzudrängen. Hier - und nur hier - liegt unsere Chance und unser Auftrag: Was töricht ist, was schwach ist, was verachtet ist vor der Welt, das hat Gott erwählt! Und wir sind da auf der richtigen Seite, wo wir die- ser Vorliebe Gottes für alle, die nichts gelten und nichts sind, nachkommen. Nein, leicht ist das nicht - aber verheißungsvoll! Und Spaß macht das auch nicht, aber eine große Freude! Nicht einmal Lohn ist uns dafür versprochen, aber wir werden sehr reich damit. Bevor wir nun unser Maß allein an Mutter Theresa, Albert Schweitzer oder Dietrich Bonhoeffer nehmen, wollen wir unsere Aufgabe als Christen dieser Zeit in die Münze des Alltags einwechseln: Immer wieder gibt es doch Gelegenheiten zu zeigen, dass wir es lieber mit den einfachen, kleinen Leuten zu tun haben und nicht mit denen, die „oben“ sind - oft genug ja auch nur, weil sie Geld und Besitz haben und uns die Beziehungen zu ihnen vielleicht noch einmal nützlich sein können. Gottes Leute gehören zu den Geringen, den Schwachen, denen am Rand! Darum freue ich mich immer wieder über Menschen, die es ausschlagen, in der Nähe der vor der Welt Großen und Angesehenen zu sein. Und ich denke da an den Pfarrer, der sich beim Empfang des neuen Bürgermeisters nicht auf einen Stuhl für die Ehrengäste setzt. Und ich denke an die Kirchenvorstandsvorsitzende, die bei der Weihnachtsfeier im Gemeindekreis alle Anerkennung und allen Dank für ihre Arbeit denen weitergibt, ohne die sie nichts hätte bewegen und nichts erreichen können: den vielen „kleinen“ Mi- tarbeitern, die im Hintergrund gewirkt und sich für die Gemeinde eingesetzt haben. Schließlich fällt mir noch der Mann ein, der als „besonders fromm“ gilt, weil er oft ein Bibelwort im Munde führt. Aber er redet eben nicht nur so, er besucht auch die Kranken in seiner Kirchengemeinde und er geht zu denen nach Hause, von deren Unglück oder Sorgen er erfährt und er nimmt alle, von deren Kummer er weiß in sein Gebet. Was töricht ist, was schwach ist, was verachtet ist vor der Welt, das hat Gott erwählt! Dieses Wort ist aber nicht nur unser Auftrag, wenn wir den Menschen begegnen und an ihnen han- deln. Es ist auch Gottes Zuspruch an uns selbst, an jede und jeden von uns: Ich kenne dich seit deinem ersten Schrei. Ich weiß um die Gaben, die ich in dich hineingelegt habe und ich weiß auch, woran es dir mangelt. Du musst mir also nichts vorzumachen versuchen und du brauchst das auch gar nicht. Ich liebe dich nämlich so, wie du bist: Mit all deinen Stärken, aber auch mit deinen Fehlern und Schwächen. Du kannst also vor mir deine Maske abtun, mit der du gern verbergen möchtest, dass du gar nicht der tolle Mann, die selbstsichere Frau bist und vor nichts Angst hast und immer Rat weißt. Ich kenne dich anders: Du weinst manchmal, wenn du allein bist. Du machst dir große Sorgen, wenn du an die Zukunft denkst und die Gedanken an das Alter - die schiebst du gern ganz beiseite. Aber warum? Ich habe dich doch erwählt! Du bist mein Kind! Wovor fürchtest du dich denn? Mein Sohn Jesus Christus ist für dich gestorben. In ihm liegt dein Heil, das Leben für dich, die Ewigkeit. Was auch dein Geschick bringen mag, du bist schon hindurch! Ob Krankheit kommt - ich bin bei dir. In deinen alten Tagen - ich stütze dich und führe dich, auch wenn der Weg ganz schwer wird. Ich werde dich nie verlassen. Niemals. Liebe Gemeinde, gewiss ist es nicht leicht, die Haltung der Schwäche vor Gott, auch in der Gesell- schaft zu leben und durchzuhalten. Da zählt ja doch nur, was stark ist oder wenigstens für unsere Augen und Ohren stark erscheint. Und trotzdem: Auch da ist Gottes Welt. Auch die Menschen, die vor der Öffentlichkeit - wie wir meinen - ihre Macht zeigen müssen und ihren Anspruch der Stärke und des Ansehens vor den Leuten durchsetzen müssen, sind in Gottes Hand, seine Geschöpfe und sie leben nur, weil er sie hält und erhält und seine Hand nicht von ihnen abzieht. Wir werden vielleicht nicht erleben, dass diese „Mächtigen und Großen vor der Welt“ von ihren selbst gezimmerten und oft angemaßten Thronen herabsteigen, aber wir wollen vor ihnen auch nicht die Knie beugen und in Hochachtung zerfließen. Gott hat uns schwache, kleine, belastete Menschen lieb. Das allein zählt und das allein rettet uns. Wenn wir das wissen und behalten, vielleicht kann es uns in aller Schwäche vor Gott doch so stark machen, dass wir aller ungerechten Gewalt, aller angemaßten Macht und aller auf Geld und Gütern beruhenden Stärke entgegentreten, wo immer wir das können. Denn wir sind als Christen immer auf der anderen Seite - und Gott ist bei uns! Denn: Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott er- wählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott er- wählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme. Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn! - AMEN