Predigt zum 4. Adventssonntag - 18.12.2005 Liebe Gemeinde! Sicher haben sie schon einmal gehört, jemand hätte zu einer Sache „ja und Amen gesagt“. Heute wollen wir über ein paar Verse aus der Bibel nachdenken, aus denen diese Redewendung stammt. Wir hören auf einen Text aus dem 2. Korintherbrief des Paulus: Textlesung: 2. Kor. 1, 18 - 22 Gott ist mein Zeuge, daß unser Wort an euch nicht Ja und Nein zugleich ist. Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, der war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm. Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe. Gott ist's aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns gesalbt und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat. Liebe Gemeinde, wir sind also von Gott bejahte Menschen. - Wenn wir das so hören, haben wir si- cher keine Einwände. Genau so sicher aber werden wir das Ja Gottes zu uns auch gar nicht als et- was so Besonderes ansehen. Dabei ist es - genau betrachtet - eher die Ausnahme in dieser Welt und in dieser Zeit, dass jemand ja zu uns sagt - und wenn Gott das tut, ist es sogar ein Wunder! Aber ich will dazu ein paar Gedanken vor ihre Ohren bringen, aus denen das deutlich wird, sehr deutlich und vielleicht schmerzhaft: - Wer sagt denn ja zu uns, wenn wir alt sind und hilflos und von einem Angehörigen oder in einem Heim gepflegt werden müssen? - In welcher Familie und schon gar in welcher Pflegeeinrichtung wird denn nicht, je länger es dauert, das Gefühl aufkommen, dass wir unnütz sind in unserer Schwäche, übrig sind und dass es besser wäre, wir könnten Abschied nehmen und heimgehen? Bevor wir uns nun empören: Gewiss gibt es hin und wieder Beispiele, dass alte Leute wirklich sehr liebevoll betreut werden und bei aller Einschränkung, aller Arbeit und Last, die sie für andere be- deuten, wirklich noch in diesem Leben geborgen sind und sich wohlfühlen können. Aber es bleibt doch dabei: Das ist eher selten. Und das wissen wir tief drinnen in unserem Herzen, denn daher rührt unsere Angst davor, dass es auch für uns einmal so werden könnte ..., dass eben keiner mehr ja zu uns sagen mag. - Aber wir müssen gar nicht nur an das Alter denken. Wer bejaht uns, wenn wir noch ganz jung sind, die Spielregeln des Lebens noch nicht oder nicht gut genug kennen, wenn wir mit unserer Art, alles „Erwachsene“ abzulehnen und zu hinterfragen nur anecken? Wer sagt ja zu den Jugendlichen, die - oft genug, weil zu Hause kaum Erziehung stattgefunden hat - auf die schiefe Bahn kommen und sich am Rand oder außerhalb der Gesellschaft einen Platz suchen, weil sie sehr genau spüren, dass sie nirgends wirklich gewollt sind, geschweige denn geliebt. Wer spricht ja zu denen, die schon ganz früh an Drogen und Alkohol oder an falsche „Freunde“ geraten, weil sie nie eine echte Chance bekommen haben - weder in der Familie, noch in der Schule oder später in einer guten Ausbildung. - Aber es fehlt allenthalben am ehrlichen und verlässlichen Ja zu den Menschen in unserer Zeit: Wo ist das Ja zu den Kindern, die auf der einen Seite in unserer Gesellschaft und in der Finanzierung der Renten fehlen, auf der anderen Seite aber keinen Kindergartenplatz bekommen, in der Schule keinen ausreichenden Unterricht, weil zu wenig LehrerInnen eingestellt werden und die nach der Schule dann nur zu oft für die Arbeitslosigkeit lernen und studieren. Wo ist das Ja zu Vätern und Müttern, die überhaupt noch Kinder in die Welt setzen, wenn die Fa- milien dann mit allen Nachteilen, wie sie die Erziehung von Nachwuchs heute mit sich bringt, allein gelassen werden. Kinderlose stehen immer besser da! Sie haben keinen Ausfall an Zeiten, die für die angemessene Alterssicherung nötig sind. Sie müssen nicht bangen, ob sie nach den Jahren, die sie der Erziehung der nächsten Generation widmen, wieder einen Job kriegen. Und das obgleich sie die zukünftigen Garanten der Renten aller - auch der gewollt Kinderlosen! - aufgezogen haben. Und ganz aktuell ist für mich, dass inzwischen auch das Ja zu den Rentnern deutlich leiser ge- worden ist. Nicht nur, dass sie immer weniger im Portemonnaie haben. Irgendwie gerät auch mehr und mehr aus dem Blick, dass sie sich das Geld, dass sie heute beziehen, in oft 40 oder gar 50 Jahren schwer erarbeitet haben! Sie sind keine Almosenempfänger, werden aber immer öfter so be- handelt. Kaum einer sieht auch, wie häufig sie mit ihren oft kleinen Renten noch ihre Kinder oder Enkel unterstützen, so dass diese nicht dem Sozialamt und damit den Steuerzahlern auf der Tasche liegen müssen. - Und manche und mancher von uns fühlt es schon seit langem, dass man auch zu ihm oder ihr aus noch ganz anderen Gründen kein vorbehaltloses Ja mehr sagen will. Aber lassen wir’s genug sein; es ist wahr und am Tage: Es ist schon etwas Besonderes und Wunderbares, was wir hier hören dürfen: „Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch ... gepredigt worden ist ..., der war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm. Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja!“ Und wir wollen jetzt auch das ganz deutlich werden lassen, wie das ist und was geschieht, wenn Gott in Jesus Christus sein Ja zu uns spricht: - Den Alten und Schwachen sagt das, dass sie eben nicht in dem aufgehen, was und wie sie heute sind. Fragen auch viele nur nach dem, was sie noch können und ohne fremde Hilfe fertigbringen, so fragt Gott danach, wer sie für ihn sind. Und seine Antwort heißt: Du bist mein geliebtes Kind. Du bist unendlich wertvoll für mich. Mein Sohn ist für dich in die Welt gekommen und ans Kreuz gegangen, um sich für dich dahinzugeben. Du bist nicht für den Tod, sondern für das Leben bes- timmt. Ich sage ja zu dir - für die ganze Ewigkeit. - Und die jungen Menschen, denen unsere Gesellschaft keine Zukunft eröffnet, hören Gottes Ja vielleicht so: Ich weiß, wie schwer du es hast. Aber gib nicht auf, deinen Weg zu finden. Ich will dich begleiten und dir helfen, dass du deine Chance bekommst. Bleib fest und verliere nicht den Mut. Verlaufe dich nicht in Sackgassen, die doch nicht weiterführen. Und selbst, wo du dich schon aufgegeben hast, will ich dich noch halten. Mein Segen ist mit dir - und er bleibt bei dir. - Und - vielleicht ganz besonders - gilt Gottes Ja den Kindern! Es ist ja kein Zufall gewesen, dass sich Gott für seinen Beginn in unserer Welt die Gestalt eines kleinen Kindes ausgesucht hat. In Je- sus Christus hat er selbst von Anfang an das Nein der Menschen erfahren: Zuerst das des Her- bergswirtes, der seine Eltern in einen zugigen Stall schickt und kaum ein paar Stunden später das Nein des Herodes, der ihm nach dem Leben trachtet. Gottes Ja zu den Kindern schützt seit damals besonders das empfindsame Wesen der Kleinen, ihre verletzliche Seele, die so leicht an den harten Verhältnissen in einer kalten Welt und einer Familie ohne Liebe zerbrechen kann. Gottes Ja ist immer auf der Seite derer, die ausgenutzt, an den Rand gedrängt, unterdrückt, unbarm- herzig verurteilt oder ungerecht behandelt werden. Er will sie stark machen, aufbauen, trösten, aber auch dazu anspornen, der Ungerechtigkeit zu widerstehen. Und Gott fragt nicht, ob wir sein Ja, seine Hilfe, seinen Zuspruch verdient haben - da sind unser aller Hände leer! -, sondern er fragt danach, was Jesus Christus für uns alle getan und er rechnet uns an, was ER am Kreuz für uns ver- dient hat: „Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe.“ Bleibt nun noch die Frage nach dem „Amen“. - Wie beim gemeinsamen Vaterunser nachher und wie nach der Segensbitte am Schluss dieses Gottesdienstes sagen wir unser Amen als Bestätigung für das, was wir zuvor gesprochen oder gehört haben. Denn „Amen“ heißt ja: „So soll es sein!“ Wenn wir heute nun gesehen und vielleicht darüber gestaunt haben, dass Gott ganz besonders zu denen sein Ja spricht, die in unserer Zeit weniger bejaht oder geliebt werden, dann müsste sich un- ser Amen, unser „So soll es sein“ eigentlich auch diesen Menschen in besonderer Weise zuwenden. So könnten diese Menschen an uns die Erfahrung machen, dass Gottes Ja zu uns selbst uns öffnet für alle Menschen, die es in unserer Welt schwer haben: Die Alten, die Jugendlichen und manche andere ... Das wäre ein Amen „Gott zum Lobe“, wenn es unser Ja zu all diesen würde! Wie gut, dass Gott selbst uns dabei helfen will, denn: Gott ist's aber, der uns fest macht samt euch in Chris- tus und uns gesalbt und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat. Diesen Geist wünsche ich uns allen zu diesem Advent.