Predigt am 19. Sonntag nach Trinitatis - 22.10.2017 (wie die akt. Predigt 2017) Textlesung: Mk. 1, 32 - 39 Am Abend aber, als die Sonne untergegangen war, brachten sie zu ihm alle Kranken und Besessenen. Und die ganze Stadt war versammelt vor der Tür. Und er half vielen Kranken, die mit mancherlei Gebrechen beladen waren, und trieb viele böse Geister aus und ließ die Geister nicht reden; denn sie kannten ihn. Und am Morgen, noch vor Tage, stand er auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort. Simon aber und die bei ihm waren, eilten ihm nach. Und als sie ihn fanden, sprachen sie zu ihm: Jedermann sucht dich. Und er sprach zu ihnen: Lasst uns anderswohin gehen, in die nächsten Städte, dass ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen. Und er kam und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die bösen Geister aus. Liebe Gemeinde! Mindestens zwei Gedanken waren mir in diesen Versen wichtig: Die Sache mit dem „Beten an einer einsamen Stätte“ und die klare Beschreibung von Jesu Auftrag: „Zum Predigen bin ich gekommen!“ Unser Reformator Martin Luther hat einmal gesagt: „Heute habe ich schrecklich viel zu tun, also will ich viel beten!“ Ein erstaunliches Wort. Wir würden sicher anders formulieren, vielleicht so: „Heute bin ich arg beschäftigt, da werde ich nicht zum Beten kommen!“ Seltsam, nicht wahr: Luther will mit Gott im Gespräch sein, dem Gebet viel Zeit widmen, gerade weil er eigentlich keine Zeit hat! Wie bei Jesus in dieser Geschichte: Die ganze Stadt ist vor Jesus versammelt, man bringt viele Kranke vor ihn, er treibt Dämonen und böse Geister aus, er hilft den Besessenen, er spricht zur Menge vom Reich Gottes... Und doch findet er Zeit zu beten: Am Morgen, noch vor Tage stand er auf und ging hinaus...und er betete dort. Als hätte er nichts zu tun! Sie werden doch schon wieder auf ihn gewartet haben, dass er die Kranken gesund macht und die Menschen lehrt. Und sie suchen ihn ja auch und sie werfen ihm das vor, dass er sich zurückgezogen hat, um zu beten! Ich möchte mir vom Beispiel Jesu gerne etwas sagen lassen. Vielleicht das: Es kann in deiner Arbeitswoche keinen Tag geben, an dem dir zum Beten keine Zeit bliebe! Gerade wenn du sehr eingespannt bist, gerade wenn du kaum noch weißt, wie du das alles schaffen sollst, gerade dann: Falte die Hände und sprich mit deinem Gott, ausgiebig und gewiss, dass er dich hört. Du musst dann nicht plappern und geschwätzig die Gebetszeit füllen. Es geht darum, dass du hörst, dass Gott dir hilft, gerade wenn du so belastet bist! Und das betrifft nicht nur unsere Arbeitstage! Am Sonntag meinen ja auch viele Menschen - auch in unserer Gemeinde - sie hätten keine Stunde für Gottesdienst und Gebet. „Ich muss doch für meine Familie kochen!“, sagen manche. „Der Sonntag ist der einzige Tag, an dem ich einmal ausschlafen kann“, hört man von anderen. Einige wenden große Energien auf, dass sie sonntags wirklich nur „entspannen“. Sie laufen den ganzen Tag im Trainingsanzug herum und hüten sich vor jedem kleinen Handgriff und gar einem Gang zur Kirche, weil sie meinen, sonst die anstrengende nächste Woche nicht bestehen zu können. Eine ziemlich neue Beschäftigung am Sonntag ist in der letzten Zeit heftig diskutiert, teils strikt abgelehnt, teils lautstark gefordert worden: Das Einkaufen und Bummeln in den Kaufhäusern und Fußgängerzonen. - Keine dieser Arten, den Sonntag zu verbringen, dürfte allerdings Jesu Gefallen finden! Er rückt uns mit seinem Beispiel den Kopf zurecht: Nichts kann wichtiger sein, als dass du deines Gottes Wort hörst, wenigstens einmal in der Woche, dass du vor ihm zur Ruhe kommst und wieder einmal wahrnimmst, dass er dein Vater ist und du sein Kind! Du wirst deinem Alltag umso besser gewachsen sein, je mehr du dir Kraft aus Gott geholt hast! - Die Mönche und Ordensleute haben seit vielen hundert Jahren eine feste Regel: Bete und arbeite! Genau das zeigt uns das Vorbild Jesu und genau das hat wohl auch Luther gemeint. Keiner verlangt von uns, dass wir nur beten. Aber wer nur noch arbeiten kann, wer sich nur noch beschäftigt, ohne auch einmal in sich hinein und auf Gott zu hören, der wird ausbrennen und die Folgen seiner falschen Lebensweise tragen müssen. Beten und Arbeiten gehören zusammen. Eins ohne das andere kann nicht sein. Arbeit ohne Gebet kann uns zwar sehr beschäftigt machen, sie bringt aber niemals etwas Rechtes zustande. Und das ist der zweite Gedanke zu dieser Geschichte: Jesus erkennt im Gebet, was Gott von ihm will: Lasst uns anderswohin gehen, dass ich auch dort predige! Sehen wir das doch einmal vor dem Hintergrund dessen, was uns erzählt wird: Jesus hätte nach seiner Gebetszeit an einsamer Stätte noch alle Hände voll zu tun gehabt. Die Besessenen warteten auf ihn, die Kranken sehnten sich nach Heilung, die Leute der Stadt hofften auf seinen Trost und seinen Zuspruch... Lasst uns anderswohin gehen! Ganz schön hart, wenn man es so versteht. Er stößt die Menschen vor den Kopf, die nach ihm suchen und die ihn brauchen. Aber so wird auch etwas deutlich: Einmal begreifen wir daran, wie wichtig die Predigt des Wortes Gottes ist, bei Jesus - und bis heute! Und dann erkennen wir, was an einem Gebet liegen kann, bei Jesus - und auch bei uns! Wo soll Jesus das denn aufgegangen sein, dass er zuallererst zum Predigen in die Welt gekommen ist, wenn nicht beim Beten? Während er mit Gott gesprochen hat, ist ihm sein Auftrag wieder ganz klar geworden: Zum Predigen, zum Verkündigen meines Willens habe ich dich unter die Menschen gesandt! Wir können uns das ja recht gut vorstellen: Immer und immer wieder bringen sie Kranke zu Jesus, behaftet mit allen möglichen Leiden und Gebrechen. Und sie dauern den Herrn und er hat Mitleid mit ihnen; er möchte ihnen helfen und er kann ihnen doch auch helfen. Aber auch Jesu Tag hat nur 24 Stunden. Auch seine Kraft reicht nur so weit, wie ihn Gott versorgt. Im Gebet wird ihm gesagt, wozu Gott ihm diese Kraft vornehmlich schenkt, und er gehorcht: „Lasst uns anderswohin gehen, in die nächsten Städte, dass ich auch dort predige, denn dazu bin ich gekommen.“ Auch hieraus möchte ich gern ein Beispiel für uns ziehen: Wie groß wird doch hier die Predigt des Evangeliums gesehen! Das ist die entscheidende Sache für diese Welt und alle Menschen! Und da will ich uns alle einmal fragen: Welchen Raum hat die Verkündigung des Wortes Gottes für uns etwa im zuende gehenden Kirchenjahr eingenommen? Wie oft haben wir Gottes guter Botschaft Gelegenheit gegeben, bei uns einzudringen, vielleicht im Gottesdienst oder bei der Bibellese? Dass wir mit unserer persönlichen Praxis vielleicht noch zu den paar Prozent ernsthafter Christen gehören, ist jetzt auch keine gute Entschuldigung! Wir wollen ja schließlich ein Leben mit Gott führen! Wir haben doch verstanden, worum es im Glauben geht! Und wir wollen uns ja auch durch Jesus Christus aus Leid und Tod in ein ewiges Leben führen lassen. - Was bedeutet es denn da, wie es die anderen halten? Und doch sind uns „die anderen“ ja nicht ganz gleichgültig. Unsere Eltern oder Kinder sind darunter. Unsere Kameraden, unsere Freunde, Menschen, die wir doch liebhaben! Da stellt uns Gott heute noch weitere Fragen: Wie predigt ihr eigentlich? Wo verkündigt ihr mit eurem Mund und vor allem mit eurem Leben, dass euer Herr Jesus Christus heißt? Gut, wir können das abschieben. Wir könnten sagen: Das ist doch nicht unsere Aufgabe! Dazu war Jesus damals in der Welt und dazu sind heute die Pfarrer da. Aber überzeugt uns das denn selbst? „Jesus hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um Menschen von ihm zu erzählen!“ So steht's in einer Konfirmandenarbeitsmappe aus unserer Zeit. Und das stimmt doch auch! Er mag heute Herzen bewegen - die Lippen bewegt er unter uns nicht mehr, jedenfalls nicht seine. Das müssen wir tun! Und der Verweis auf die Pfarrer und Pfarrerinnen...? Wie viele davon gibt es und wie viele sonst, die sich Christen nennen? Außerdem: Ich wette, dass jeder von uns mindestens einen Menschen kennt, der für einen Pfarrer, eine Pfarrerin einfach nicht erreichbar, nicht ansprechbar ist. Aber doch für Sie! Ja, vielleicht wartet er auf Sie, ja, hofft geradezu, dass Sie ihm wieder den Weg zeigen. Vielleicht könnte Ihre Predigt mit Worten und Taten für ihn zur Hilfe werden, dass er wieder zu Gott, zum Gebet und zu einem besseren Leben findet! - Doch, das kann man auch für uns sagen: Zur Predigt des Evangeliums sind wir beauftragt! Und schließlich finde ich noch das bedenkenswert: Jesus hat seine wichtigste Aufgabe beim Beten wiederentdeckt! Weil er Gott in der Stille gesucht hatte, konnte Gott ihm diese Einsicht schenken: Ich habe dich zum Predigen in die Welt gesandt! Hier schließt sich auch für uns der Kreis: Wenn wir auch noch so viel zu tun haben, vergessen wir nicht das Gespräch mit unserem himmlischen Vater. Ja, gerade wenn wir glauben, heute ist für die Stille in Gebet und Hören überhaupt keine Zeit, gerade dann sollten wir sie uns nehmen! Denken wir an das Lutherwort: Heute habe ich schrecklich viel zu arbeiten, darum will ich viel beten! Und vergessen wir auch die alte Mönchsregel nicht: Bete und arbeite! Fehlt eines davon, dann hat ein Leben keine Verheißung. Und wenn wir beten, wollen wir darauf gefasst sein, dass Gott uns die Aufgaben zeigt, die er für uns hat. Ja, vielleicht müssen wir - ähnlich wie Jesus - erkennen, dass wir schon eine ganze Weile unseren eigentlichen Auftrag verfehlt haben: Nämlich das Evangelium Gottes glaubhaft zu leben und zu verkündigen?! AMEN