Predigt zum 14. So. nach "Trinitatis" - 28.8.2005 Textlesung: Mk. 1, 40 - 45 Und es kam zu ihm ein Aussätziger, der bat ihn, kniete nieder und sprach zu ihm: Willst du, so kannst du mich reinigen. Und es jammerte ihn, und er streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will's tun; sei rein! Und sogleich wich der Aussatz von ihm, und er wurde rein. Und Jesus drohte ihm und trieb ihn alsbald von sich und sprach zu ihm: Sieh zu, daß du nieman- dem etwas sagst; sondern geh hin und zeige dich dem Priester und opfere für deine Reinigung, was Mose geboten hat, ihnen zum Zeugnis. Er aber ging fort und fing an, viel davon zu reden und die Geschichte bekanntzumachen, so daß Jesus hinfort nicht mehr öffentlich in eine Stadt gehen kon- nte; sondern er war draußen an einsamen Orten; doch sie kamen zu ihm von allen Enden. Liebe Gemeinde! Warum nur droht Jesus dem Geheilten, er soll nur ja nichts davon sagen, wer ihn gesund gemacht hat? - Zuerst fällt einem dazu etwas ein, was wenig schmeichelhaft für den ist, den Jesus geheilt hat, aber auch für Jesus selbst: Wir könnten doch denken, der so wunderbar Geheilte war der orts- bekannte Schwätzer, der nichts für sich behalten konnte. Und genau so verhält er sich ja auch: "Er aber ging fort und fing an, viel davon zu reden und die Geschichte bekanntzumachen ..." Es könnte allerdings auch so sein, dass Jesus geradezu darauf spekuliert hat, dass dieser Mensch den Ruhm seines Heilers in der ganzen Gegend verbreitet. Denn es gibt ja kein besseres Mittel, das rasche und flächendeckende Ausstreuen von Nachrichten zu befördern, als wenn man den geschwätzigsten Menschen verbietet, auch nur ein Sterbenswörtchen davon unter die Leute zu bringen! Wenn wir aber die Geschichte im Zusammenhang des ganzen Markusevangeliums lesen, dann ent- steht ein anderer Eindruck: Jesus hat das Ernst gemeint! Der vom Aussatz Geheilte sollte wirklich nichts davon weitersagen. Jesus nämlich wollte nicht zuerst der Wunderheiler sein. Er hat auch nie die Menschen gesucht, die er heilen konnte. Immer war es umgekehrt: Sie sind zu ihm gekommen. Dann konnte er nicht anders, als sie gesund machen. Aber warum hält sich Jesus mit Heilungen so zurück? Wenn einer heute die Gabe hätte, Menschen mit schwersten Krankheiten gesund zu ma- chen, es würde in allen Zeitung stehen und der Heiler wäre zu Gast in allen Gesundheitssendungen des Fernsehens - und es wäre ihm gewiss nicht unangenehm. Jesus aber will wirklich nicht, dass über seine Heilergabe gesprochen wird. Er will nicht dadurch blenden und Glauben finden, dass er Kranke gesund macht. Sein Auftrag ist zuerst: Den Menschen das Reich Gottes zu verkündigen, sie zum Glauben an den himmlischen Vater zu führen und - auch das steht Jesus von Anfang an vor Augen - für die Menschen ans Kreuz zu gehen und für sie zu sterben. Da, am Kreuz von Golgatha wird er der Heiland aller Menschen - und nicht dadurch, dass er den einen hier vom Aussatz, die andere dort von einem bösen Geist oder einem verkrümmten Rücken oder vom Blutfluss befreit. Das mag uns immer noch nicht so ganz verständlich erscheinen, aber Jesus war von diesem Auftrag durchdrungen: Ich muss für die Menschen das Kreuz tragen und den Tod schmecken, um ihnen die Auferstehung und das ewige Leben zu verdienen. Und wie eine Bestätigung für diese Gedanken lesen wir am Ende des Markusevangeliums: Und Jesus sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur (Mk. 16,15). Jetzt hat er vollbracht, warum Gott ihn in die Welt gesandt hat. Das sollen alle Menschen rings um die Erde wissen! Dass er die Haut von Aussätzigen rein und blinde Augen sehend machen kann, ist dagegen ganz unbedeutend. Vor allem: Wenn es nur sensationell genug geschildert und verbreitet wird, muss es doch davon ablenken, dass er erst durch Leiden und Sterben unser Heiland geworden ist. Aber für mich liegen noch ganz andere Fragen in der Geschichte: Wenn der Aussätzige doch so schnell und gründlich seine Heilung unter die Leute bringt, warum reden wir nur so wenig von dem, was Jesus an uns tut und im Laufe unseres Lebens schon an uns getan hat? Zumal er uns nicht verboten hat, von seinen Taten und Wundern an uns zu sprechen! Ach so, wir haben da gar nichts zu erzählen!? Uns hat Jesus noch nie ein Zeichen getan!? Und sein Tod und seine Auferstehung - nun, das hat doch schließlich mit dem Glauben von jeder und jedem ganz persönlich zu tun, was sollen wir davon reden!? Fangen wir hinten an: Ist Jesu Tod und Auferstehung und der Glaube daran wirklich eine reine Pri- vatsache? - Wäre das nicht schlimm, wenn ich fest daran glaube, dass ich einmal nach meinem leib- lichen Tod in Gottes neuer Welt ewig leben soll, wenn ich davon nichts weitersage, ja, wenn ich es in mir verschließe, so als wäre Jesus nur für mich gestorben und das Ewige Leben wäre sein Geschenk allein an mich? So ist es doch aber nicht! Nun denken einige von uns sicher: Aber ich habe es doch mit dem Glauben daran selbst schwer genug! Wie soll ich denn in anderen noch diesen Glauben wecken? - Das ist nicht unsere Sache! Wie sagt Jesus: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Das zu predigen ist unsere Aufgabe, es verkündigen ... Ob es Glauben findet, können wir nicht machen. Das kann Gott allein. Aber wenn die Menschen nicht einmal etwas davon wissen, warum Jesus Christus in der Welt war, warum er ans Kreuz gegangen und schändlich gestorben ist ... und dass er durch seine Auferstehung am dritten Tag den Tod ein für alle Mal besiegt hat ... wenn sie es gar nicht wissen! - Dann haben wir jämmerlich versagt. Aber wir können durchaus noch mehr tun, als nur verkündigen und predigen! Wenn wir selbst da- ran gläubig geworden sind, dass wir mit Jesus Christus - wie auch er - durch den Tod ins ewige Le- ben gehen werden, dann wird unsere Verkündigung mehr sein, als nur davon zu berichten. Dann werden wir zu Zeugen des Glaubens! Vielleicht schreckt es uns da ja, wenn Jesus uns in "alle Welt" gehen heißt und das vor "alle Kreatur" zu bringen? Aber ich meine, es wäre durchaus schon genug, wenn wir von unserem Glauben nur einmal vor unseren nächsten Familienangehörigen reden, vor unserem Ehegatten, unserem Vater, unserer Tochter, unseren Enkeln ... Aber es ist doch in den meisten Familien ein großes Schweigen über diese Dinge! Die andere Seite ist die: Über was alles reden wir sonst? Welche Nichtigkeiten werden wochenlang an unseren Esstischen besprochen? Was erregt uns so, dass wir sogar darüber eine Meinungsverschiedenheit riskieren? Aber mit der Ewigkeit und dass wir dort als Gottes Kinder leben sollen, beschäftigt sich keines unserer Gespräche mit unseren liebsten Menschen? - Nicht wahr, seltsam ist das!? Und es ist sicher nicht richtig so. Aber vielleicht ist Leiden, Tod und Auferstehung für den Anfang ja wirklich ein wenig hoch ge- griffen als Thema zwischen uns und unseren Lieben. Kehren wir noch einmal zurück zu unserer Geschichte vom Aussätzigen, den Jesus geheilt hat. Vor dem Hintergrund der gewaltigen Gabe Gottes, uns nicht den Tod, sondern das Ewige Leben zu schenken, ist so eine Heilung doch sicher klein, gering und unbedeutend. Trotzdem spricht der Geheilte davon! Jedem, der es hören will, sagt er es: Ich war krank, Jesus hat mich gesund gemacht! Liebe Gemeinde, müssen wir uns da nicht auch fragen lassen, warum wir nicht z.B. davon reden, dass es Zeiten in unserem Leben gab, da wir nicht wussten, wofür wir eigentlich in der Welt sind - bis Jesus uns die Aufgabe unseres Lebens gezeigt hat? Vielleicht war das die lange, aufreibende Pflege unserer Mutter vor Jahren? Oder die Erziehung unserer Kinder, die uns so gefordert hat? Auch an den Enkeln gibt es solche Aufgaben, von denen wir wissen, die hat Gott uns gegeben. Und warum sprechen wir nicht auch davon, dass wir immer wieder die Kraft dazu bekommen haben, diese Aufgaben zu erfüllen. Wie nach mancher Nacht ohne Schlaf, sich am Morgen doch wieder ein Weg gezeigt hat, den wir gehen konnten. Und dass uns der Auftrag an den Menschen nicht auf- gezehrt, sondern im Gegenteil immer wieder bereichert hat, auch wenn es nicht leicht war. Aber Jesus hat ja auch bei manchen von uns - wie damals schon - mit Heilung und Gesund-werden zu tun: Warum sprechen wir so selten davon, dass wir nach der Operation vor Jahren nicht daran geglaubt haben, dass wir je wieder würden laufen können? Und wie viele gibt es unter uns, die mindestens schon einmal nach einem Unfall oder durch eine Krankheit dem Tod ganz nah waren? Wir wussten es doch, wer da bei uns war, wer uns beschützt und zu uns gesprochen hat, so dass nur wir es gehört haben: Du sollst leben! Aber wem haben wir es weitererzählt? Und sind nicht schon unsere Lebensumstände - wenn wir sie an denen der Menschen auf der an- deren Seite des Globus messen - nur wunderbar zu nennen? Dass wir reichlich zu essen und zu trinken haben - viele Millionen Menschen wären mit einem Stück Brot täglich und sauberem Wasser zufrieden. Dass wir leidlich gesund sind und uns manches leisten können, wovon andere nur träumen dürfen. Dass wir (bei aller Verschlechterung der Bedingungen!) doch auch als Rentner unser Auskommen haben. Und noch so vieles andere in unserem Leben ist gut und wie ein Zeichen und wir damit reich gesegnet! Sicher nicht zuletzt: Ist nicht auch das ein Wunder, dass wir glauben können, dass unsere Leben in dieser Welt keine Irrfahrt ist ohne Ziel, sondern eine Heimkehr? Müssen wir da nicht von Zeichen sprechen, die Gott an uns getan hat und noch täglich an uns tut? - Aber wann reden wir davon - auch nur vor den nächsten Menschen, die wir haben? Ich glaube fest, uns würde Jesus - anders als dem Aussätzigen damals - nicht verbieten, von all seinen Wundern zu zeugen! Im Gegenteil. Vielleicht würde er uns das sagen: Sieh zu, dass du denen, die in deiner Nähe leben, etwas davon sagst, was du mit mir und mit dem Glauben an un- seren himmlischen Vater erlebt hast! Du kannst ihnen dadurch helfen, dass auch sie zu einem Le- ben mit mir und im Glauben an Gottes Liebe finden, die über den Tod hinaus fest bleibt.