Predigt zum 2. So. nach "Trinitatis" - 5.6.2005 Textlesung: Mt. 22, 1 - 14 Und Jesus fing an und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach: Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden; doch sie wollten nicht kommen. Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit! Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft. Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie. Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an. Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren's nicht wert. Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet. Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll. Da ging der König hinein, sich die Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewand an, und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an? Er aber verstummte. Da sprach der König zu seinen Di- enern: Bindet ihm die Hände und Füße und werft ihn in die Finsternis hinaus! Da wird Heulen und Zähneklappern sein. Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. Liebe Gemeinde! Wie das so ist mit so bekannten Geschichten wie dieser: Man sucht nach ein paar Versen, über die man noch nicht gesprochen, nach einem Thema, das sich bisher vielleicht immer mehr im Ver- borgenen gehalten hat oder wenigstens nach einem Gedanken, der einem selbst als Prediger und hoffentlich auch den Hörern noch neu ist. Das hat ja auch ein bisschen mit Hochachtung vor der Heiligen Schrift zu tun, wenn man bei einer so reichen und doch auch packenden Geschichte nicht immer wieder das selbe predigen will. Ich glaube, ich habe so einen „neuen“ Gedanken gefunden. Er ist allerdings nicht unbedingt schön - aber dieses ganze Gleichnis ist ja eher düster und ernst und teilweise auch ziemlich grausam. Mir ist im letzten Teil der Geschichte, die da so seltsam und wie an das Gleichnis von der königlichen Hochzeit angeklebt erscheint, etwas aufgefallen: Behandelt der König den Gast ohne Hochzeitskleid nicht eigentlich sehr ungerecht und unverständlich hart? Was hat der Mensch denn Böses getan, wenn er der Einladung von der Straße weg gefolgt ist und jetzt eben in Straßenk- leidung an der Hochzeitstafel sitzt? Es wird sicher niemand sein, der oft zu Hochzeiten eingeladen wird, also immer damit rechnen muss, den „guten Anzug“ parat zu haben. Und wir können uns auch kaum vorstellen, dass die anderen Gäste, die doch auch „von den Straßen“ geholt worden sind, in feinstem Zwirn und Abendgarderobe gewandet sind. - Was will uns das also sagen, dass hier einer den Unmut des Hausherrn erregt, weil er kein für eine Hochzeit schickliches Kleid trägt? Ich glaube, wir dürfen die Gleichnisse Jesu nicht zu genau auf ihren Gehalt überprüfen und ob denn alles passt und gut zusammenstimmt. Jesus wollte mit seinen Geschichten ja nicht zuerst eine Wirklichkeit beschreiben, sondern bei seinen Hörern etwas erreichen: Umdenken vielleicht, eine Einsicht und den Vorsatz, auf einem falschen Weg umzukehren. Wir wollen darum nicht fragen, wie kommt es, dass da einer zu einem Hochzeitsfest erscheint, der unangemessene Kleidung trägt. Fragen wir lieber, was uns Jesus damit sagen will, dass es auch unpassende Kleidung bei der königlichen Hochzeit gibt und sich der Gastgeber gewiss mit Recht aufregt. Anders ausgedrückt: Was ist die unpassende Kleidung des Gastes und was wäre ein hochzeitliches Gewand gewesen? Um hier antworten zu können, müssen wir noch etwas wissen, was den damaligen Zuhörern Jesu ganz sicher bekannt war: Es ist im ganzen vorderen Orient Sitte gewesen, dass ein Gastgeber, be- sonders wenn er gut betucht war, seinen Gästen, wenn die staubig und verschwitzt von der Reise ankamen, nicht nur ein erfrischendes Bad geboten, sondern auch noch ein Festkleid geschenkt hat. Wenn wir also hier von einem König hören, dann dürfen wir gewiss davon ausgehen, dass er nach dieser Sitte verfahren hat. Wenn also der eine Mensch jetzt kein festliches Gewand anhat, dann hat er sich nicht damit beschenken lassen wollen. - Nicht wahr, jetzt sieht sich das alles doch ein wenig anders an? Aber gehen wir der Sache auf den Grund: Der König, von dem Jesus in seiner Geschichte erzählt, ist kein anderer als Gott. Und Gott - davon zu erzählen wird Jesus ja niemals müde - ist unser Vater, der von seinen Kindern keinen Dienst oder irgend ein Wohlverhalten erwartet, das er dann belohnen würde. Gott will seine Kinder beschenken. Und wie von selbst haben wir jetzt die Bedeutung des hochzeitlichen Kleids erkannt und verstehen, was es heißt, dass einer es nicht trägt, nicht tragen will: Sehr wohl wollte der König auch diesem Menschen ein Festgewand schenken, genau wie er alle seine Kinder beschenken will - nur der Gast hat es abgelehnt, vom „König“ etwas umsonst anzunehmen. - Aber was könnte das Geschenk des Vaters an seine Kinder sein? Da kommen uns als evangelische Christen ja ganz von allein die Gedanken um Jesu Opfer am Kreuz, um sein Sterben als Lösegeld für die Sünde der Menschen in den Sinn. Ja, ich glaube, das ist des Vaters großes Geschenk an uns, dass er all unsere Schuld auf den einen legt, ihn um unseretwil- len dem Tod überantwortet und uns so frei macht von Hölle, Tod und Teufel. - Unser Festkleid ist also Gottes Vergebung, dass wir um Christi willen gerecht sind vor ihm, in Ordnung mit ihm. Und da reimt sich auf einmal alles zusammen - in der Geschichte und im Leben: Der König hat zur Hochzeit geladen. Als Hochzeit haben sich schon die Juden, denen Jesus zuerst sein Gleichnis erzählt hat, das Reich Gottes, den Himmel vorgestellt. Das Festkleid, so will Jesus sagen, ist nicht die Gesetzestreue etwa der Pharisäer und Schriftgelehrten, dass sie alle Gebote und die über 600 Einzelvorschriften der Bücher Mose (der Thora) erfüllen. Das hochzeitliche Kleid ist überhaupt nichts, was wir zum Fest mitbringen müssten oder könnten. Der König schenkt es uns - umsonst. Es geht also nicht um unser Verdienst, dass wir uns das schöne Kleid selbst erwerben und uns so- zusagen vor Beginn der Hochzeit schon überziehen könnten. Gott will es uns schenken, wie er uns in Jesus Christus Vergebung all unserer Schuld schenken will. Wenn einer also jetzt im Hochzeitssaal sitzt, der kein Festgewand anhat, dann offenbart er sich als ein Mensch, der das freundliche Geschenk des Königs ablehnt. Der Gast ohne Festgewand ist also einer, der meint, er könnte sich mit dem Halten der Gebote, der Treue zum Gesetz die Teilnahme an der Hochzeit, den Himmel, das Reich Gottes selbst verdienen. Sicher verstehen wir jetzt, dass der König ungehalten ist und den unverschämten Gast aus dem Festsaal werfen lässt: Wer seine Güte nicht annehmen will, der kann von ihm nichts erwarten, denn er hat nur Güte zu geben, keinen Lohn. Der Lohn nämlich ist allein Christi! Liebe Gemeinde, sicher haben wir jetzt beim Hören schon für uns überlegt, ob überhaupt und was uns denn nun diese Sache mit dem Gast ohne Festkleid sagen kann, sagen will? Dass die Geschichte ernst ist, haben wir ja gewiss schon verstanden. Das war sie damals schon. Aber ich finde, sie ist heute noch ernster! Das hat damit zu tun, dass die damaligen Hörer ja noch nichts vom Ziel und Ende des Wegs Jesu in dieser Welt wussten. Zwar hatte er schon davon gesprochen, dass er sterben und auferstehen würde, aber wer hatte ihm das geglaubt? Wir sehen von heute aus zurück und wissen: Er ist ans Kreuz gegangen, er ist schändlich für uns gestorben und er ist für uns auferstanden am dritten Tag. Wenn wir nun das hochzeitliche Kleid ablehnen, das die geschenkte Vergebung unserer Schuld bedeutet, dann ist das noch einmal etwas ganz anderes als damals - im Gleichnis. Wir sagen damit nein zu Gottes Plan mit uns, wie er uns retten will, erlösen und zum ewigen Leben führen will. Wenn wir das einmal ins Bild des Gleichnis’ hineintragen, müssen wir sagen: Wir wären noch einmal viel unverschämter, viel frecher als der Gast damals. - Aber warum eigentlich sollten wir uns so verhalten? Ist es nicht schon schlimm genug, dass die Leute, die zuerst zur Hochzeit geladen waren, alle nicht kommen wollten? Warum sollten wir der freundlichen Einladung Gottes nicht folgen? Warum sollten wir, wenn er uns an der Tür zu seinem Reich in seiner unbegreiflichen Güte, ein Festkleid der Vergebung hinhält, dieses nicht anziehen? Warum sollten wir auch noch im Festsaal darauf beharren, mit unserer Alltagskleidung aus einem Stoff dazusitzen, den wir uns selbst gekauft, selbst verdient und selbst geschneidert haben? Warum sollten wir die Güte des Vaters und die Liebe seines Sohnes zu uns zurückweisen?