Predigt zum Neujahrstag und / oder zum 2. Sonntag nach Weihnachten - 1./2.1.2004 Textlesung: Joh. 14, 1 - 6 Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. Und wo ich hingehe, den Weg wisst ihr. Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Liebe Gemeinde! Was Thomas hier sagt, könnten wohl viele Menschen unserer Tage nachsprechen: Wie können wir den Weg wissen? Gespräche mit Jugendlichen, aber auch Menschen anderer Altersgruppen, machen mir immer neu deutlich, wie sehr wir alle doch auf der Suche sind nach etwas, von dem wir leben können. Ich meine dabei nicht das - ich bitte um Verzeihung! - armselige Leben derer, die "alles ha- ben" und "nichts entbehren", wie wir sagen. Schon gar nicht meine ich die Menschen, die eindeutig zuviel haben von allem äußerlichen Kram... Ich meine ein Leben, das Freude macht, das sinnvoll ist, das sich lohnt, das Erfüllung schenkt... Und solch ein Leben hat nicht allzuviel damit zu tun, ob ich reich bin oder arm, ob ich viele Sachen, Häuser oder Land besitze oder nicht, ob ich mir alles leisten kann oder den Pfennig umdrehen muss. Wirkliches Glück, erfülltes Leben ist davon nicht abhän- gig...oder vielleicht doch? Allerdings in anderer Weise, als wir im ersten Moment denken? Marilyn Monroe kommt mir in den Sinn und Elvis Presley. Schön, umschwärmt, angebetet, reich... Doch sie konnten ihr Leben nicht ertragen, so haben sie es sich selbst genommen. Woran hat es ih- nen gefehlt? An materiellen Gütern sicher nicht! Vielmehr: Aller Reichtum konnte ihnen nicht geben, was sie eigentlich suchten: Wahres Leben, eines, das satt macht und von Sinn erfüllt ist. Ein anderer Reicher fällt mir ein. Schon die Bibel erzählt von ihm. Er kommt zu Jesus, um sich zu erkundigen: "Was muss ich tun, um das ewige Leben zu haben?" Jesu Antwort ist deutlich: "Geh hin, verkaufe alles, was du hast und gib's den Armen und dann komm' und folge mir nach." Der Reiche macht sich davon. Er hat zu viele Güter, wie wir hören. Sein Reichtum steht ihm im Weg. Weil er reich ist, findet er also nicht zum Leben. Jesus drückt es so aus: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt." Arme Reiche! Scheinbar hängt das doch zusammen: Glück und der Reichtum, den einer hat, erfülltes Leben und der Besitz, den einer sein eigen nennt. Scheinbar ist es so: Deine Habe schafft dir nicht das erfüllte Leben, sondern bringt dich darum. - Soviel über andere. Lieber Zuhörer, du meinst jetzt vielleicht, das muss ja nicht so sein! Man kann doch in seinem Leben einen anderen Weg gehen. Du meinst, man könnte doch mit dem, was man hat, auch viel Gutes tun, man kann doch mit anderen teilen, wegschenken, und man kann so doch gerade den Reichtum, der einem gegeben ist, nutzen. Ei, freilich, kann man! Aber schau dir dazu doch die Beispiele an, die deine begüterten Zeitgenossen abgeben! Ist es nicht so: Je mehr einer hat, um so weniger mag er teilen. Ja, heißt es nicht meist: Alles für mich, den andern der Rest? So sieht das doch aus. Das ist die Regel; ich kenne kaum Ausnahmen! Die wenig haben, sind dagegen meist viel freigebiger. Bei- spiele? Ich kenne viele! Frag' den Bettler, wer ihm die meisten Münzen in den Hut wirft? - Einfache Leute, nicht die Reichen! Und auch das war schon zu Jesu Zeiten so: Die arme Witwe legte ihre ganze Barschaft in den Opferstock, die Reichen gaben allenfalls ein Almosen. Aber weiter zu uns: Wenn ich das nun weiß, reich ist noch lange nicht glücklich, und reich und barmherzig scheint geradezu ein Gegensatz, muss ich mich da nicht fragen lassen: Was imponiert dir eigentlich so daran, zu etwas zu kommen, viel Geld zu verdienen, Vermögen zu haben? Ich höre den Einwand: Ach, das will doch gar keiner hier! Vielleicht die Jungen, die noch die hoch- fliegenden Pläne und Wünsche haben, aber doch nicht die älteren unter uns! Zugegeben: Es sind meist junge Leute, von denen ich das sicher weiß, dass sie das als ihr Lebensziel angeben würden: So viel Geld haben, dass man frei ist und unabhängig und sich alles leisten kann. - Das glauben wir ja auch gewiss. Aber ich frage: Bei den Älteren ist das nicht mehr so? Die haben andere Ziele, andere Wünsche? - Das glaube ich nicht! Ihr habt vielleicht in eurem Leben gelernt, lernen müssen: Das Leben ist hart, keiner bekommt etwas geschenkt, ganz groß rauskommen, können nur wenige...wir waren halt nicht dabei, es hat nicht sollen sein... Anderes ist ja auch wichtiger! Der Sinn des Daseins liegt ja auch nicht im Geld, in Besitz oder all den Äußerlichkeiten! Aber ich frage weiter: Ist das wirkliche Einsicht bei uns? Werden wir mit den Jahren verständiger? Begreifen wir irgendwann, worauf es wirklich ankommt? Ich fürchte, es ist meist nur unsere Resignation: "Ein Platz ganz vorn war für mich halt nicht drin." So sind auch die Pläne und großen Wünsche in uns nur verdrängt, warten in unserem Innern darauf, doch einmal zum Zug zu kommen, warten auf die Chance, einmal, irgendwann... Auch bei den mei- sten hier ist das so, glaube ich, auch den Älteren! Und ich will auch sagen, warum ich das glaube: Viele spielen Lotto. Dahinter stehen doch Wünsche und Sehnsüchte nach dem großen Gewinn, dem Geld, mit dem man sich ein Stück von der Sonnen- seite des Lebens kaufen kann. Andere sehen gern die amerikanischen Fernsehserien, die ja meist in der großen Welt angesiedelt sind. Auch da zeigen sich Träume, geheime Wünsche nach dem ganz anderen, dem großen Leben, wie es Millionäre führen können. Denn mit deinem und meinem Alltag haben die meisten dieser Serien nun, weiß Gott, wenig zu tun. Dafür kann ich von den Heldinnen und Helden der Serie ganz und gar nichts lernen! Aber ich kann einmal träumen, wenigstens eine dreiviertel Stunde lang: Solch eine Ranch oder so eine Villa besitzen, mit einem Rolls Royce ins Weekend fahren, mit einer Ölquelle leichte Dollars machen... Aber - das ist nun wieder interessant und entspricht der Wirklichkeit: Glücklich sind die Serienhelden auch nicht! Was haben die Proble- me, diese Menschen: Ehekrisen, Krankheiten jeder Art, Gerangel um die Kinder, Intrigen, Unfälle, Mord und Verbrechen. Das scheint der Preis für den Reichtum zu sein! - Führt uns das zur Einsicht? Nein, wir träumen weiter, Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr. Denn Einsicht hieße, end- lich ehrlich zu sagen: Ich will kein anderes Leben als das, was nun einmal meines ist. Ich will nicht mehr sein, mehr haben, mehr besitzen, als mir nötig ist. Ich will in diesem Leben nicht von einem anderen träumen, sondern den rechten Weg gehen, den Sinn und die Erfüllung suchen und entdek- ken, die in diesem Leben liegen. Wie gewinnen wir diese Einsicht? Durch das abschreckende Beispiel vieler begüterter Menschen al- lein scheinbar nicht, denn trotz allem, was wir mit den Reichen erleben und erfahren, wir hören ja nicht auf zu träumen! Darum möchte ich jetzt über den ungeheuren Reichtum reden, der - heute schon! - in deinem und meinem Leben liegt: Wir haben so viele Gaben und Talente, jeder von uns! Wir sind, die meisten je- denfalls, gesund und frei von äußerer Not, haben unser gutes Auskommen, zu essen, Kleidung, ein Dach über dem Kopf und noch so vieles mehr... Und alles das sind eigentlich nur die Zugaben, denn das größte Geschenk ist doch, dass wir einen Herrn haben, an den wir glauben, einen Gott, der uns liebt, in dessen Hand unser Leben in Ewigkeit geborgen ist. Wir können also aufhören, irgendwelchen Gütern, irgendwelchen Träumen nachzulaufen. Mehr als das ewige Leben kann keiner verdienen (und das bekommen wir auch noch geschenkt!). Und diesen Reichtum können wir teilen, ohne dass es wehtut, ohne dass er weniger wird!: Wenn du gewiss sein darfst, für mich ist gesorgt, ich bin geliebt, dann hast du Herz und Hände frei für die Mitmenschen. Aller Kampf und aller Krampf um das Eigene hört auf. Und du spürst: Das macht ja Freude. Ich werde ja gar nicht ärmer, wenn ich vom Meinen abgebe, wenn ich mich für andere ausgebe; ich wer- de noch reicher! Ich glaube, liebe Gemeinde, dahin will Jesus uns führen, wenn er dem Thomas damals und uns heute sagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, und wenn er dieses Wort mit dem anderen verbindet: Niemand kommt zum Vater denn durch mich. Was wollen wir einem ewigen, herrlichen Leben beim Vater denn noch hinzufügen durch unser Träumen, unser Streben, unsere Sehnsüchte? Was gäbe es für einen Christen in dieser Welt denn noch zu gewinnen, als das, was er schon hat? Hieße das nicht auch, den verachten, der sich den Weg genannt hat und die Wahrheit, wenn wir nun weiter unseren Wünschen nach Reichtum, Besitz und all dem Luxus auf der angeblichen Sonnenseite des Lebens nachhängen. Und wir wissen es doch, dass er's ist, der uns den rechten Weg zum Vater führt und dass er die Wahrheit weiß und mit seinem Leiden und Sterben geworden ist, die allein in Ewigkeit zählt! Liebe Gemeinde! Wie können wir den Weg wissen? So hat Thomas gefragt, und so fragen viele Menschen in unserer Zeit, nicht nur junge! In diesem neuen Jahr, das noch vor uns liegt, wie ein weites unbetretenes Land, wünsche ich dir und mir, wenn wir nun die ersten Schritte hineintun, dass wir mehr als bisher die Gaben und Geschenke Gottes wahrnehmen, die wir schon in Händen halten. Ja, wir wollen ein- mal all den Reichtum sehen und erkennen, mit dem wir schon ausgestattet sind und nicht immer auf das schielen, was uns vielleicht noch fehlt. Von dem her betrachtet, was wir schon haben, wird ge- wiss manches, was wir wünschen und ersehnen, ja, dem wir vielleicht ein Leben lang nachgelaufen sind, ganz unwichtig für uns. Dazu wünsche ich uns den Glauben und das feste Vertrauen zu dem Herrn, der uns sagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben! In seiner Spur und an seiner Seite können wir den neidvollen Blick endlich von der Habe und dem eigentlich oft armseligen Leben der Begüterten wegbekommen. Die wahrhaft Reichen sind wir!