Predigt am 14. Sonntag n. Trinitatis - 12.09.2004 Textlesung: Röm. 8, (12 - 13) 14 - 17 So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, daß wir nach dem Fleisch leben. Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr euch abermals fürchten müßtet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden. Liebe Gemeinde! Ich fürchte, nicht nur junge Menschen haben hier Schwierigkeiten zu verstehen: Viermal ist vom Fleisch die Rede, sechsmal vom Geist. Aber was ist damit gemeint? Wir sprechen vom “Fleisch” meist in ganz anderem Zusammenhang. Dabei geht es - wir müssen es einfach sagen - zuerst um etwas zu essen. Und wenn wir vom “Geist” reden ist auch eher der Verstand gemeint, den einer hat oder nicht hat, die Pfiffigkeit und Schläue vielleicht, aber nicht der Geist, an den Paulus hier denkt. - Aber woran denkt Paulus? Vielleicht kann man es so sagen: “Fleisch” ist wie eine Eigenschaft des Menschen. So wie einer schwach ist oder stark, flink oder eher langsam. Sie kennen das Kirchenlied “Jesus, meine Zuver- sicht”? Dort heißt es in der vierten Strophe: “Ich bin Fleisch und muss daher, auch einmal zu Asche werden...” Hier wird es ganz deutlich: Fleisch ist der Mensch, weil er vergänglich ist. Weil er ster- ben muss und am Ende zu Staub zerfällt. Fleisch sind wir Menschen aber auch, weil wir Sünder sind, uns gegen Gott und seinen Willen auflehnen, und weil wir darum den Tod vor Augen haben, der “Sünde Sold”, wie Paulus es ausdrückt (Röm. 6, 23). Mit Jesus Christus, durch seinen Tod am Kreuz, sozusagen als Opfer und Bezahlung für unsere Schuld, kommt nun der “Geist” in unsere todverfallene Welt des Fleisches. Auch er ist wie eine Ei- genschaft. Der Geist ist eine Gabe Gottes. Er ist stärker als alles, was wir nach dem Fleisch sind. Der Geist lässt uns der Sünde widerstehen. Er führt nicht nur bis ans Sterben, sondern in ein ewiges Leben, das keinen Tod mehr kennt. Der Geist ist die Hoffnung und der Glaube, dass alles einen Sinn hat und wir am Ende in das ewige Haus Gottes treten, unseres Vaters. Darum sagt Paulus hier solche Worte: So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, daß wir nach dem Fleisch leben. Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. - Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. - Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben wer- den. Liebe Gemeinde, das alles bleibt irgendwie schwierig! Wir möchten das gern so hören, dass wir spüren: Das hat mit unserem Leben zu tun. Wir fühlen es doch: Dieser Kampf zwischen “Fleisch” und “Geist” findet auch in unserem Alltag statt! Und wir möchten wissen, wie wir das “Fleisch” besiegen und ganz dem “Geist” gehören und der Glaubenszuversicht, die er uns schenkt. Mir sind hierzu einige wirklich ganz alltägliche Dinge in den Sinn gekommen: Worte, die wir sagen oder hören, Szenen, die wir erleben, Gedanken, die wir haben ... Da spricht die eine Nachbarin zur anderen: “Hast du schon gehört, den Jungen von Familie P. ha- ben sie beim Ladendiebstahl erwischt. Und nicht zum ersten Mal, der macht das schon seit Jahren! Jetzt droht ihm eine Jugendstrafe - und der ist doch erst 15!” Und so antwortet die andere: “Nein, ich habe das noch nicht gehört, aber es wundert mich nicht, bei den Eltern. Aus dem Jungen wird sowieso nichts mehr Rechtes. Im Gefängnis wird er für seine Verbrecherlaufbahn noch die richtigen Lehrmeister finden!” So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, daß wir nach dem Fleisch leben. Liebe Gemeinde, nein, das muss nicht so weitergehen! Zugegeben, das hängt nicht nur an dem Jun- gen selbst, der hier - wie man glaubt - am Anfang der schiefen Bahn steht, auf der er immer weiter nach unten rutschen wird. Das hängt auch an allen, die in seiner Umgebung leben und mit ihm eine Beziehung haben oder jetzt bekommen. Vielleicht findet der Junge ja einen guten Richter, der ihn nicht zu Arrest, sondern einer Maßnahme der Jugendpflege verurteilt. Und vielleicht erfährt der Junge dort so viel Interesse und Annahme, dass er so stabil und stark wird, von allem zu lassen, was gegen Gottes Gebot und das Gesetz ist. Ja, vielleicht ändern sich sogar seine Eltern dahin, dass sie erkennen, ihr Kind braucht Zuwendung und seine Diebstähle sind auch Schreie nach Aufmerksam- keit gewesen! Nicht zuletzt haben auch die beiden Nachbarinnen, die sich hier unterhalten, eine Aufgabe an dem jungen Mann: Ihn eben nicht auf das festnageln, was er heute ist und getan hat, sondern offen sein für die Veränderung, die Besserung - und durch diese Offenheit dabei mithelfen, dass der Junge so werden kann, wie er selbst das eigentlich gerne will, wollte ... An eine Frau in der Mitte ihres Lebens muss ich denken. Sie hat alles erreicht, was sie je erträumt hat. Nichts, was man mit Geld bezahlen kann, muss sie sich versagen. Sie hat ihren Traumjob ge- funden und eine steile Karriere als Sekretärin gemacht. Ihr Wort gilt etwas beim Chef und in der Firma. Sie ist unentbehrlich. Gewiss, das hatte seinen Preis. Oft hat sie eine Entscheidung treffen müssen, die vor ihrem Gewissen nicht in Ordnung war. Manchesmal musste sie einem Kunden sagen, was nicht der Wahrheit entsprach. Am Anfang hat sie das schon beschäftigt. Mit der Zeit fiel es ihr immer leichter. Hauptsache war schließlich das Wohl der Firma und dass sie ihre Position behaupten konnte. Wie hätte sie sich denn auch anders verhalten können? - Seit ein paar Wochen nun ist sie in einer richtigen Krise. Sie fragt sich, ob sie das eigentlich noch selbst ist, die da auf sein Zeichen hin den Chef am Telefon verleugnet oder einem Kunden weiß macht, seine Bestel- lung, die doch verschlampt wurde, wäre schon lange zur Post gegeben? Seltsam ist das: Sie spürt zunehmend deutlich, dass sie so nicht weitermachen kann. Andererseits weiß sie aber auch nicht, was sie tun soll. Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. Das sollte die Frau tun: Auf ihr Gewissen hören, das sich da doch ganz offenbar wieder meldet. Und sie sollte dankbar sein, dass sie diese innere Stimme noch hat und sie von ihr so vernehmlich gewarnt wird! Denn es führt zum Tod, immer so weiter zu machen. Und wir müssen dabei gar nicht nur an das leibliche Sterben denken. Ist das nicht schon der Tod, wenn ich so gar nichts mehr dabei empfinde, meinen Mitmenschen (auch wenn das doch “nur” die Kunden meiner Firma sind!) immer wieder Lügen aufzutischen. Und ist das nicht der Tod, wenn ich nach und nach alle inneren Hem- mungen verliere, dem Betrug, der Vorspiegelung falscher Tatsachen und der Verleugnung unver- antwortlichen Verhaltens zu dienen? - Leicht wird das nicht sein, einen Schlussstrich zu ziehen! Das kann sie die Position in der Firma kosten und die “Vertrauens”-stellung beim Chef. Aber sie wird auch viel gewinnen! Ja, eigentlich alles! Denn was könnte mehr sein und wichtiger als das Le- ben? Ein Leben das Verheißung hat und in dem ich mit mir, meinem Gewissen und meinem Gott im Reinen bin. Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Und so viele Äußerungen fallen mir ein, die man so hört und die auch wir selbst immer wieder sagen: “Eher wird der Mond eckig, als dass der sich ändert!” - “Bei dem ist Hopfen und Malz ver- loren!” - “Die ist so und bleibt so, da kann niemand etwas machen!” ... Warum rechnen wir Christen eigentlich gar nicht mehr damit, dass Gott uns seinen Geist schenkt? Warum sehen wir auch bei den anderen immer nur das, was sie nach dem Fleisch sind? Wir können uns ändern! Noch heute können wir den Anfang machen, den ersten Schritt in der Richtung so- zusagen, die uns der Geist Gottes zeigen will. Nichts kann uns daran hindern, wenn wir es nur wol- len! Keine Schuld - sie ist durch Jesus Christus vergeben. Keine Gewohnheit - was wir gelernt ha- ben, können wir auch wieder verlernen. Keine äußeren Umstände - es kommt darauf an, was unser Herz will! Auch nicht, was andere Menschen von uns denken und worauf sie uns festlegen - es geht allein darum, was Gott uns zutraut und von uns verlangt. Sein Geist wird uns helfen. Aber geben wir jetzt auch unseren Mitmenschen den Raum und die Chance, anders zu werden, als wir immer von ihnen gedacht haben! Unser Denken und Reden ist immer ein Glied der Kette, das sie fesselt und vielleicht langsam erwürgt! Geben wir sie frei! Seien wir offen für ihren Weg ... ge- führt durch den guten Geist Gottes. Für uns und für unsere Mitmenschen steht viel auf dem Spiel: Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.