Predigt am 8. Sonntag n. Trinitatis - 01.08.2004 Textlesung: Eph. 5, 8 - 14 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten. Liebe Gemeinde, das Bild malt sich hier ja wie von selbst vor unsere Augen: Christen, Frauen und Männer, die Jesus Christus als ihren Herrn bekennen, gleichen Menschen, die in einem dunklen Zimmer gesessen ha- ben. Dort war alles dunkel und auch sie selbst waren finster. Kein Lichtstrahl fiel auf ihr Gesicht. Mit dem Glauben an Jesus Christus ist nun in diesem Zimmer ein Licht angezündet worden. Eine Kerze strahlt in der Mitte. Endlich können wir etwas erkennen, Konturen, Farben und auch die Pro- file der Menschen, die mit uns im Raum sind. Wir sehen unser Gegenüber. Wir nehmen einander wahr - als Geschwister, als Kinder des einen Vaters, als Mitchristen, als Nächste... Und wir bringen die Früchte des Lichts hervor: "Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit". Aber - ich spüre das selbst - das ist alles ein wenig überschwänglich ... zu schön und zu weit weg vom wirklichen Leben: Alle in einem dunklen Zimmer ... Finsternis in uns und zwischen uns ... Christus entzündet sein Licht und es wird hell ... Schauen wir einmal, wie das in einem wirklichen Leben aussehen kann. Prüfen wir, wie Menschen - ja, vielleicht wir selbst - aus der Dunkelheit fern von Gott in das Licht Jesu Christi und des Glaubens an ihn kommen können. Ich denke da an eine Frau, von der ich gelesen habe, sie ist wohl heute so Ende Dreißig, die hat in ihrem Leben bisher so ziemlich alles ausprobiert, was Menschen machen können, um sich körper- lich und seelisch zugrunde zu richten: Prostitution, Alkohol, Drogen und die dazu gehörige Beschaffungskriminalität. Am Ende des Wegs nach unten war es buchstäblich ganz finster: Sie musste wegen Diebstahl und Scheckkartenbetrug für zwei Jahre ins Gefängnis. Dort aber, wo sie sich ähnlich tief gesunken gefühlt hat, wie der Verlorene Sohn am Trog der Schweine, dort trifft sie eine Frau, es ist die Gefängnispfarrerin gewesen, die ihr einen Weg nach oben und ins Licht zeigt. Ganz unaufdringlich tut sie das, ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Schuldzuweisung, einfach aus ehrlicher Liebe zu diesem so tief verletzten und gefallenen Menschen. Die bis dahin schwer Dro- genabhängige schafft mit Hilfe der Pfarrerin den Entzug. Stundenlange Gespräche, bei der auch Je- sus Christus in ihr Leben tritt, begleiten die Zeit des langsamen Aufstiegs dorthin, wo es wieder hell wird. Nach dem Gefängnisaufenthalt bekommt sie eine kleine Wohnung und Arbeit: eine zweite Chance! Und sie nutzt sie! Die Kraft dazu lässt sie sich täglich neu im Gebet schenken. Heute - wie gesagt mit Ende Dreißig - kann sie von sich sagen: Ich habe alle Dunkelheiten, die es in einem Le- ben geben kann, kennen gelernt. Aber ich bin mit der Hilfe meines Glaubens hindurchgekommen. Ich darf jetzt im Licht sein und von diesem Licht an andere abgeben, für die es noch finster ist. Und an einen 50jährigen Mann muss ich denken, dessen Schicksal nicht ganz so ungewöhnlich ver- laufen ist. Bei ihm war es mehr die Gewohnheit, das Immer-so-weiter, der ewig gleiche Trott seiner Tage, der ihm vor vielleicht 10 Jahren deutlich gemacht hat, dass er eigentlich ein Leben ohne Sinn und Bedeutung führt, dass er - wenn man es ohne falsche Rücksichten prüft - niemandem wichtig ist und keinem wirklich fehlen würde, wenn er nicht mehr da wäre. Das war für diesen Mann ein ganz tiefes Dunkel, aus dem er einen Ausweg gesucht hat. Er hat sich damals an seine Konfirman- denzeit erinnert. An so manches, was ihm damals vielleicht noch nicht ganz klar, aber doch wichtig und interessant gewesen war. Er hat dann seine alte Bibel wieder einmal aus dem Regal geholt und hat im Matthäusevangelium vorne angefangen zu lesen. Und das hat er jeden Tag ganz treu zur sel- ben Stunde gemacht. Und wirklich: Das Wort der Bibel hat mit ihm zu reden angefangen. Was er als Konfirmand noch nicht begriffen hat, jetzt konnte es seine Gedanken klären und sein Denken anregen und schließlich zu Taten führen. Er hat sich dann einem Bibelgesprächskreis seiner Kir- chengemeinde angeschlossen und es hat nicht lange gedauert, da wurde er zum Kirchenvorsteher seiner Gemeinde gewählt. Da ist es ihm ganz klar geworden, was er vorher nur allmählich erfahren hatte: Er war aus der Finsternis eines Lebens ohne Gott ins Licht gegangen. Und Jesus Christus hat- te von ihm Besitz ergriffen, ganz sanft, er hatte ihn nicht überrumpelt oder gedrängt. Er war ganz einfach in ihm aufgegangen, wie ein Licht, oder wie die Sonne, die am Morgen über den Horizont steigt und nach und nach alles in ihre gleißenden Strahlen taucht. Und in dieser Zeit hatte er auch andere Menschen kennen gelernt, denen sein Licht dienen konnte, bei denen es noch nicht so hell oder noch ganz finster war. Sein Leben war nicht mehr unnütz und sinnlos. Er wusste jetzt, wofür er da war und wofür es sich zu leben lohnt. Liebe Gemeinde, es mag ja sein, dass sie sich hier noch nicht erkannt haben. Vielleicht sagen sie: Mein Leben ist anders. Meine Geschichte mit Gott und dem Glauben an Jesus Christus hat einen anderen Verlauf genommen. Und bei jedem Menschen wird das anders sein. Aber die zwei Geschichten dieser zwei Menschen könnten uns doch eines deutlich machen: Der Weg aus dem Dunkel ins Licht ist nicht nur eine fromme Geschichte, kein eigentlich unrealistisches Beispiel für die geistliche Betrachtung. Das spielt auch im wirklichen Leben. Und das geschieht sogar in Fällen, die wir vielleicht als ziemlich aussichtslos ansehen würden. Aber wenden wir uns unserer eigenen Person zu: Wie hell oder dunkel ist es bei uns? - Dürfen wir Jesus Christus wirklich den Herrn unseres Lebens nennen? - Hat er bei uns sein Licht angezündet? - Können die anderen Menschen um uns das auch sehen und spüren? Vielleicht tun wir einmal, was uns in den Worten aus dem Epheserbrief empfohlen wird: Sehen wir auf die Früchte, die wir hervorbringen! Wie steht es mit der "Güte und der Gerechtigkeit und der Wahrheit"? Aber wir sollten das nicht so schnell und dann vielleicht voreilig tun! Es nützt uns ja nichts, wenn wir uns selbst z.B. bescheinigen, wir wären gütige Leute - wenn doch unsere Umge- bung uns eher als hartherzig erfährt? Und was ist eine Gerechtigkeit wert, die wir uns nur zuschreiben - die Menschen um uns aber würden sagen: Du bist oft ungerecht und nur auf deinen eigenen Vorteil bedacht? Und schließlich kann uns doch auch nicht zufrieden machen, wenn wir nur von uns glauben, wir wären wahrhaftig und redlich und sprächen nur hilfreiche, ehrliche Worte. Wenn unsere Nächsten z.B. am faulen Geschwätz leiden, das von uns ausgeht und wenn ihnen die Gerüchte, die wir ausstreuen Not machen, dann kann es nicht weit her sein mit der "Wahrheit" bei uns! Und so geht das weiter: "Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf!" Es ist eben nicht genug, nur das zu lassen, was Gott nicht gefällt. Zu tun, was ihm wohl gefällt, ist etwas anderes! Da ist vielleicht an ein Handeln gedacht, das Gott Freude machen kann! Da Gott es nicht nötig hat, dass wir etwas für ihn tun, könnte unser Mitmensch gemeint sein, dem wir mit un- seren Gaben, unserer Zeit, unserer Liebe und vielleicht auch einmal mit unserer Habe und unserem Geld dienen sollen. Und dieses Handeln wird Licht verbreiten! Nicht nur bei unserem Nächsten, auch bei uns selbst. Denn das schenkt immer auch uns selbst Freude, wenn wir anderen helfen und sie erfreuen. Und manchmal kann man das Licht das unser Tun entzündet geradezu als einen Glanz auf ihrem Gesicht sehen ... Und mit den "unfruchtbaren Werken der Finsternis" haben wir dann schon gar nichts mehr zu schaffen! Wer die Freude eines Wirkens für andere Menschen erlebt hat, der wird sich nicht mehr an Neid, an Missgunst, an Verleumdung oder an Taten, die den anderen schaden vergeuden. Im Gegenteil: Wo sich andere noch mit solchem nichtigen Tun beschäftigen, da werden wir dafür ein- treten, dass ans Licht kommt und aufhört, was Menschen doch nur herunterzieht in das Dunkel eines sinnlosen, unfruchtbaren Lebens. "Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht aufgedeckt wird!" Wie von selbst werden wir in diesen Kreis treten: Wenn Christus in uns als Licht aufgeht, dann werden auch wir hell. Wenn wir hell sind, dann wird von uns auch ein Strahlen auf andere ausgehen. Und dieses Strahlen wird als Freude zu uns selbst zurückkehren. So wollen wir das letzte der Worte aus dem Epheserbrief nicht als Mahnung oder gar Drohung ver- stehen, sondern als freundliche Einladung, dass wir uns ins Licht Jesu Christi rufen lassen, wie hell oder wie dunkel es heute auch bei uns ist: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.