Predigt am 7. Sonntag n. Trinitatis - 25.07.2004 Textlesung: Apg. 2, 41 - 47 Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen. Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber Furcht über alle Seelen, und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden. Liebe Gemeinde! So ging es zu in der Urgemeinde, in den Jahren nach dem ersten Ostern und dem ersten Pfingsten... Wie schön, möchten wir ausrufen! Wie heil diese Welt der ersten Christenheit! Und wie von selbst fragen wir uns doch: Ist das alles für immer verloren? Gab es solche Gemeinde und Gemeinschaft nur vor bald 2000 Jahren? Kann es nicht heute - ja, nicht genau so! - aber ähnlich sein? Das haben wir doch alles auch, immer noch: die "Lehre der Apostel", die "Gemeinschaft im Brotbrechen", also das Mahl unseres Herrn, das "Gebet" ... Vielleicht werden wir sagen: Ja, das haben wie auch noch, allerdings hapert es an den anderen geistlichen Gütern, die hier genannt werden, an den "Wundern und Zeichen" ... auch noch "durch die Apostel". Das gibt es nun wirklich nicht mehr, heute ... Oder doch? Beim "Verkaufen der Güter und Habe" und beim "Verteilen unter alle" von dem hier die Rede ist, werden wir schließlich wirklich abwinken: Das macht doch keiner mehr in unseren Tagen! Allenfalls eine kleine Spende auf den Sammelteller oder in den Klingelbeutel bringen wir fertig. Also: ein nostalgischer Bericht über eine lange vergangene Zeit. Nur ein Anlass für wehmütige Erinnerung!? Alles lange vorbei. Leider. Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass wir deshalb auf diese Worte hören sollen, um dann festzustellen: So ist es heute nicht mehr und so kann es nicht sein. Wenn das der Sinn der Botschaft wäre, wenn das Evangelium von Jesus Christus nur erzählen wollte, wie es einmal war und nicht auch dazu einladen, wie es - auch in unserer Zeit! - sein soll und sein kann, dann könnten wir die Bibel wirklich zugeklappt lassen und ihre Worte zu verkündigen wäre überflüssig. - Aber so ist es nicht! Wir haben die "Lehre der Apostel": Über und in dieser Welt ist ein anderes Gesetz ausgerufen, als das der Ellenbogen und des eigenen Bauchs! Seit Jesus Christus in dieser Welt war, wissen wir etwas von der Liebe zum Mitmenschen, die ohne dafür bezahlt und oft auch nur anerkannt zu werden, für den Nächsten da ist, die von sich selbst absehen kann, die Schuld vergeben, einen neuen Anfang schenken und sich die Schürze umbinden und noch dem Geringsten selbstvergessen dienen kann. Wir Christinnen und Christen wissen, dass dieses Gesetz der Liebe weit über diese Welt hinaus reicht, denn es gilt nicht nur heute, sondern in Ewigkeit. Wo wir lieben, sind wir darum schon über diese Welt hinausgekommen und mit dem Gesetz des Reiches Gottes vertraut geworden. Und wir haben die "Gemeinschaft im Brotbrechen": Bei aller Scheu mancher Christen (besonders der noch jungen), die Abendmahlsfeiern ihrer Gemeinde zu besuchen, bei allem übertriebenen Ernst und so manchen eher abschreckenden Gebräuchen um das Abendmahl, die in manchen Gemeinden noch üblich sind, wir kommen am Tisch des Herrn wirklich und wahrhaftig mit Jesus Christus in Kontakt, er ist und bleibt der Gastgeber, er ruft uns, er beschenkt uns mit seiner Nähe und der Vergebung unserer Schuld. Er hat einen Auftrag für uns, wenn wir von seinem Tisch kommen, er sendet uns unter die Menschen, dass wir ihnen zeigen und so leben, dass sie spüren: Wir sind seine Leute. Und wir haben das Gebet, diese oft so verkannte Macht, dieses doch eigentlich unbegreifliche Vorrecht, dass die Geschöpfe mit ihrem Schöpfer reden so wie Kinder mit ihrem Vater, ja, dass sie sich mit allem, was sie auf dem Herzen haben, an ihn wenden dürfen. Und wir werden gehört! Nicht immer gleich und nicht immer so, wie wir uns das gewünscht hätten, aber wir dringen durch bis zu Gottes Ohr! Es mag allerdings sein, dass wir die Nöte, aus denen Gott uns geholfen hat, schneller vergessen als die Wünsche, die bis heute unerfüllt geblieben sind. Und es mag sein, dass wir über so manche Hilfe Gottes dank- und gedankenlos hinweggegangen sind. Es bleibt eine wunderbare Gabe, Gott immer und an jedem Ort erreichen zu können - und wenn es heute das erste Mal wäre: Uns ist verheißen, dass unser ernsthaftes, ehrliches Gebet seinen Weg zum Ohr und zum Herzen Gottes findet. Nun heißt es auch noch, in der Gemeinde wären "Wunder und Zeichen" geschehen ... Wir wissen es: Ein Naturwissenschaftler geht anders durch eine schöne Landschaft als vielleicht ein Dichter. Wenn ein Biologe die Blüte einer Rose beschreibt, wird sich das anders anhören, als wenn das ein Gartenfreund tut. Und einem Christen, der vielleicht sehr lange um Heilung von seiner Krankheit gebetet hat, wird diese dann etwas ganz anderes bedeuten, als dem Arzt, der die Genesung als Folge seiner Therapie wertet. "Wunder und Zeichen" sind etwas sehr Persönliches. Nur ich selbst kann sie so ganz verstehen und beurteilen. Und ich glaube, Gott hat sie auch nur für mich selbst getan. Wenn ich ein solches Wunder erlebt habe, dann wird mich auch nichts davon abbringen können, dass ich sage: Hier hat Gott gehandelt. Ich weiß, wer mir hier geholfen hat! Und ich bin ganz sicher: Es sind doch einige unter uns, die haben für und an sich - vielleicht sogar schon mehrfach! - Gottes Zeichen und Wunder erfahren! Nun bleibt noch als Unterschied zwischen der Gemeinde der Apostel und unserer heute das "Teilen der Gaben" und dass wir alles "gemeinsam haben". Und das wollen wir auch stehen lassen. Es ist wirklich oft nicht sehr weit her damit, dass wir die Dinge, die wir doch reichlich und oft zu viel haben, weiterschenken an jene, die Not leiden, die Hunger haben und im Elend sind. Und dabei müssen wir gar nicht nur an die dritte Welt denken und auch nicht nur an materielle Güter. Was hat so mancher von uns einen Überfluss an Talenten des Geistes - und setzt sie doch nicht für andere, nur für sich selber ein. Und was haben manche von uns so geschickte Hände - und arbeiten doch nur für das Eigene und sind mit diesen Händen nicht denen eine Hilfe, die sich selbst nicht so helfen können. Aber das ist kein Verhängnis. Es ist doch möglich, dass wir hier umdenken, uns ändern! Es muss ja nicht gleich so ganz umfassend und in allen Bereichen und Beziehungen sein, die wir so haben. Aber hier und dort ... Was ist mit der Nachbarin, die den Weg in die Kirche und ins Gemeindehaus nicht mehr allein schafft. - Hier könnten wir anbieten, dass wir sie mit dem Wagen abholen, also sozusagen mit ihr unser Auto teilen. Und der alte Mann schräg gegenüber, der nur noch am Fenster sitzt und hinaussieht ... Warum gehen wir nicht einmal wieder zu ihm und teilen ein wenig unserer Zeit mit ihm? - Was wird der sich freuen! Gewiss wird auch das Geld gebraucht, das wir wirklich übrig haben. So viele wirklich wichtige und gute und auch seriöse Zwecke gibt es. Und wir hatten das doch auch schon lange vor, uns einmal irgendwo regelmäßig mit einer Spende zu beteiligen! Immer nur zu argwöhnen, man wüsste ja nicht, ob es ankommt, ist doch nur bei ganz wenigen Ausnahmen angebracht. Auf der anderen Seite gibt es so viele Hilfsorganisationen bei denen wir ganz sicher sein dürfen, dass unser Beitrag denen dient, die ihn so nötig brauchen. Ich nenne hier nur einmal "Brot für die Welt" und die "Kindernothilfe". Sicher werden sie noch viele Ideen haben, wir sie auch im Teilen und Schenken dem mehr entsprechen können, was hier gemeint ist: Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Dabei werden wir ganz gewiss auch das spüren: Es ist am Ende gar kein Verlust, sondern ein Gewinn für uns, wenn wir das, was wir doch übrig haben, anderen zugute kommen lassen. Denn das macht Freude und es gibt uns das gute Gefühl, dem Gesetz Gottes, der Liebe zueinander gerecht zu werden. Doch, so weit muss unsere Gemeinde und was wir in ihr erfahren gar nicht entfernt sein von dem, was wir von der allerersten Christengemeinde hören: Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Ein wenig ehrliches Bemühen bei uns wird am Ende gar noch das erleben: Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden. AMEN