Predigt am Sonntag "Trinitatis" - 06.06.2004 Textlesung: Röm. 11, (32) 33 - 36 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbe- greiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?« (Jesaja 40,13) Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müßte?« (Hiob 41,3) Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen. Liebe Gemeinde! Eigentlich möchten wir Predigerinnen und Prediger des Evangeliums unseren Hörern in unseren Ansprachen ja einen Gedanken vorlegen, wie man sein Leben im Sinne Gottes verändern kann, was wir tun könnten, um dem Anspruch unseres Glaubens noch klarer zu entsprechen, oder wie wir bessere Menschen werden. Keinesfalls ist es uns doch genug, der gottesdienstlichen Gemeinde nur zu sagen: Ihr seid in Ordnung so, wie ihr heute seid. Ihr habt keine Veränderung nötig. Gott macht schon alles. Da würde uns ja jeder Anstoß aus der Predigt genommen. Ja, wir müssten uns fragen, warum wir mit einer solchen Predigt überhaupt noch vor die Leute treten. - Aber genau so ist das scheinbar heute mit den Worten, über die wir sprechen und nachdenken sollen: Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. - Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Was heißt denn das? Ob ihr nun gehorsam zu sein versucht - es ist gleich: Gott sieht euch als unge- horsam an. Und wenn ihr ungehorsam seid und bleibt - auch dann gilt: So sieht euch Gott auch! Und überhaupt: Gott macht alles! Von ihm kommt euer Geschick. Auf ihn läuft es hin. Ihr könnt euch nicht wehren. Ihr könnt es nicht machen, nicht beeinflussen. Denn: Wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder: Wer hat Gott etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müßte? Nehmen wir einmal an, so wäre das überall in unserem Leben. Wir könnten nichts daran ändern, ob wir nun im Beruf erfolgreich sind, oder ob wir vor allen Aufgaben versagen. Es käme so, wie es bestimmt ist. Oder in unseren Beziehungen: Wir mühten uns um Liebe und Freundlichkeit, um Treue und partnerschaftliche Hilfe - alles würde sich doch so entwickeln, wie es das Schicksal oder der Zufall will. Oder in unserer Kirchengemeinde: Ob nun viele Menschen für die gute Sache ar- beiten oder niemand, ob hier unter uns ein christlicher Geist weht oder einer der Kälte und der Missgunst - alles wäre im Grunde gleichgültig. Könnten oder wollten wir damit leben? Läge hier noch irgend ein Ansporn für ein Verhalten im Sinne Jesu Christi? - Ich fürchte, in einer solchen beruflichen Tätigkeit würden wir es nicht aushalten. Aus diesen menschlichen Beziehungen ohne die Möglichkeit eigener Gestaltung würden wir fliehen. Und in einer solchen Gemeinde, in der es gar nicht mehr auf unseren Einsatz, unsere Güte und Liebe ankommt, könnten wir uns nicht ge- borgen fühlen. Aber, Gott sei Dank, so ist es auch nicht. Nur: Wie bekommen wir das alles jetzt zusammen? Wie reimt sich der Gedanke: Gott macht alles!, mit dem anderen: Es kommt auch auf uns an, unsere Mühe, den christlichen Geist, der von uns ausgeht, den Glauben, der uns beseelt...? Gehen wir doch einmal von dieser Seite an diese Fragen heran: Machen wir nicht im Berufsleben die Erfahrung - und heute zunehmend! - dass wir eigentlich selbst immer weniger dazu beitragen können, dass unsere Arbeitsplatz sicher ist und bleibt, dass wir auf der Leiter von Gehalt und Verantwortung so aufsteigen, wie es unserer Leistung und unserer Erfahrung entspricht? Im Gegenteil: Wir fühlen uns ausgeliefert. Wir können uns noch so anstrengen, wenn morgen unser Betrieb dicht gemacht oder unser Platz wegrationalisiert wird, dann ist es aus. Wir fühlen uns aus- geliefert. Wir haben, so müssen wir leider sagen, zuletzt gar nichts in der Hand. Und in der Partnerschaft? - Da ist es doch ähnlich. Wenn die andere Seite nicht mitzieht, wenn all unsere Mühen umsonst sind, unsere Liebe nicht erwidert wird und unsere Freundlichkeit nicht ge- würdigt, dann nützt alles nichts: Die Beziehung kränkelt und stirbt irgendwann. Vielleicht wird sie nach außen noch eine Weile vorgespiegelt und wenigstens für die Öffentlichkeit krampfhaft au- frecht erhalten. Aber tot ist sie doch. Gestorben daran, dass wir selbst eben wirklich nicht alles, sondern nur sehr wenig tun können. Schauen wir noch in unsere Gemeinde: Auch hier ist nicht alles, ja, nicht einmal das Entschei- dende, was wir an Einsatz und Mühe einbringen. Es ist ähnlich wie auf den Feldern und in unseren Gärten: Wenn nicht auch Segen auf der Arbeit liegt, wenn Gott nicht seine Hand über unsere Arbeit hält und das Werk unserer Hände und Herzen fördert, blühen und Früchte tragen lässt, dann ist alles nichts. Und da ist nun vielleicht die Erkenntnis, zu der wir heute geführt werden sollen: Nicht alles, aber doch das meiste und das Entscheidende liegt nicht in unserer Hand! Und das ist eben in allen Berei- chen des Lebens so: im Beruf, in unseren Beziehungen, in der Gemeinde, genau so wie dort, wo es nach unserem Glauben als Christen geht und unsere religiösen Wurzeln und Bindungen liegen. Ich denke, es ist schon wichtig, dass wir das wieder einmal wahrnehmen. Und wenn es durch solche - sicher sehr deutliche und einseitige - Worte in uns angesprochen wird: Denn von Gott und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. - Wenn dabei am Ende bei uns ein wenig mehr Achtung dafür herauskommt, dass wir nicht alles im Griff haben, nicht alles machen können, vielmehr von Gottes Wollen und Segen abhängig sind und bleiben, dann ist das gewiss keine schlechte Lehre, die wir aus solchen Worten ziehen. Aber es gibt noch eine andere Seite dieser Gedanken, auf die will ich jetzt zu sprechen kommen: Gewiss haben oder hätten wir die Dinge, die Umstände unseres Lebens, ob es gelingt und erfol- greich ist, ob wir Erfüllung und Freude in ihm erfahren, gern in unseren Händen. Aber da es doch nun einmal nicht so ist, nicht so sein kann - ist das nicht auch enorm entlastend, die Sorge dafür und die Verantwortung endlich abgeben zu können? Ist das nicht wirklich ein Gutteil des Drucks, der auf unserem Herzen lastet, dass wir immer meinen, wir müssten uns hier mehr bemühen und da mehr einbringen... Wir machen es nicht! Wir können uns abzappeln wie wir wollen, ein anderer lenkt unser Geschick, läßt es uns geraten oder verweigert uns den gewünschten Erfolg. ER macht es. Aber wir wollen hier auch weiter denken, denn dann müssen wir sagen: Es ist eben kein blindes Schicksal, kein Zufall oder gar ein Verhängnis, das über uns waltet. Es ist der gütige Gott, den wir seit Jesus Christus in dieser Welt war, unseren Vater nennen. Er meint es gut mit uns. Er hat uns lieb und will, dass unser Leben auch frohe Stunden, auch Glück und Freude kennt. Und selbst in den Zeiten, in denen wir ganz unten sind, in denen wir steile Wege gehen müssen, uns in Wochen der Krankheit und des Leids der Atem ausgehen will... Selbst in diesen Zeiten verlässt er uns nicht. Vielmehr bleibt er ganz nah mit seinem Beistand, hört unsere Klagen und Bitten, lindert auch un- sere Beschwerden und unsere Not und arbeitet auf seine verborgene Weise daran, dass wir hin- durchkommen und wieder helle Tage sehen. Und noch eins könnten uns die Verse, die uns heute vorgelegt sind, vermitteln: Von Gott und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Selbst wenn unser Leben mehr schwere als gute Tage hat - und das gibt es! - selbst dann bleibt es der Vater, der im Hintergrund unseres Schicksals wirkt und uns gerade dieses Leben zuteilt. Es gehört sicher zu den schwierigsten Fragen überhaupt, warum das so ist. Wir können sie nicht beantworten und alle Versuche, die Fragen aufzulösen, müssen scheitern. So führt es z.B. nicht weiter, wenn wir unser Unglück damit erklären wollen, dass Gott uns damit strafen möchte. - Er ist kein strafender, gar rächender Gott! Und es hilft schon gar nicht, wenn wir unsere Behinderung oder Krankheit so begründen: Gott hätte uns damit doch noch Schlimmeres er- spart! - Das tröstet ja auch nicht wirklich. Wir wollen - so schwer es uns in manchen Lebensphasen auch fällt und so schmerzlich die Erfah- rungen auch sind, die wir machen müssen - wir wollen daran festhalten: Gott lenkt unser Leben. Aber er ist unser Vater. Darum wird er uns nur so führen, wie wir das zulassen und nicht wie er uns zwingen kann. Und er weiß den rechten Weg für uns. Dieser Weg führt an ein gutes, ewiges Ziel. Dabei können uns auch Umwege näher an dieses Ziel führen. Und manchmal werden sich die bösen Erlebnisse unterwegs, die Hindernisse und vermeintlichen Niederlagen und Unglücke als die Sta- tionen herausstellen, die uns nur um so sicherer dorthin geleitet haben, wo wir als Christen hinge- hören: In die Nähe Gottes. Von Gott und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Das ist wahr und es ist in einem ganz tiefen Sinn gut und heilsam. Darum ist es auch angemessen, wenn wir von Herzen den Lobpreis aufneh- men, den Paulus am Ende der Verse, die uns für heute verordnet sind, anstimmt: Gott sei Ehre in Ewigkeit! AMEN