Predigt zum Sonntag "Rogate" - 16.05.2004 Textlesung: 1. Tim. 2, 1 - 6a So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen ge- holfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist EIN Gott und EIN Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung, dass dies zu seiner Zeit gepredigt werde. Liebe Gemeinde! Beten sollen wir. Das ruft uns schon der Name dieses Sonntags zu. Aber was ist Beten eigentlich? Wie hieß das eben: So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen. So vielseitig ist das Beten! Und sicher sind dabei auch alle Arten des Gebets wichtig und gut! Mit der "Bitte" haben wir keine Probleme: "Mein Gott, hilf mir jetzt!" - "Vater im Himmel, wenn es dich gibt, dann mach doch..." - "Herr, lass doch das nicht geschehen!" Lauter Bitten sind das. Gewiss nicht aus der Luft gegriffen, diese Wünsche an Gott. Jedenfalls, das können wir gut: Bitten! Auch das "Gebet" an sich beherrschen wir recht ordentlich: Das drückt ja meist auch unsere Wün- sche und Bedürfnisse aus. "Beten" kommt ja auch von "Bitten". Im Gebet allerdings verkleiden sich unsere Bitten manchmal ein wenig. Wir sprechen mit Gott und meinen, wir hören dabei auf seinen Willen. Aber im Grunde tragen wir doch nur vor, was wir wollen, was wir uns vorstellen, wie es unseren Wünschen entsprechend gehen soll. - Ist es nicht so? Mit der "Danksagung" schließlich hapert es meist ein wenig bei uns. Darüber müssten wir reden. Gut, hin und wieder, wenn wir ganz und gar überschüttet werden mit Glück und den Gaben der Güte Gottes, dann bricht es schon einmal aus uns heraus: "Danke, mein Gott, für all das Schöne!" Aber sehen wir noch die alltäglichen Geschenke, das Glück jedes neuen Tages? Achten wir auf die kleinen Freuden unseres Lebens und die manchmal so selbstverständlich hingenommene Fürsorge Gottes für uns? Dass wir Spaß am Leben haben und immer auch einmal etwas zum Lachen. Dass wir gesund sein dürfen, genug Geld für den Unterhalt haben, ein Haus oder eine Wohnung, einen Arbeitsplatz, oder - wenn wir schon älter sind - eine Arbeit, die uns noch erfüllt, viele körperliche und geistige Talente, die Familie, die Liebe unserer Angehörigen, Freunde, die uns mögen und uns brauchen und noch so viel mehr! Sehen wir das noch? Wir hätten wohl wirklich allen Grund, uns über Dankbarkeit zu unterhalten. Wie wir es lernen kön- nen, nicht immer alles so selbstverständlich hinzunehmen. Weil unser Gott sich ja auch freut, wenn wir ihm danken, ihn loben und preisen. Und weil uns selbst das auch zufriedener machen würde, wenn wir wahrnehmen könnten, wie viel Gutes uns geschenkt ist. Aber ich will noch über das Vierte reden, zu dem Paulus uns heute mahnt: Die "Fürbitte für alle Menschen". Und die Fürbitte fällt auch unter die Empfehlungen, denen wir "vor allen Dingen" nachkommen sollen! Über das Bitten für andere Menschen wird bei uns vielleicht noch am wenigsten gesprochen. Ich hoffe allerdings, dass es um so fleißiger geübt wird! Ich muss dabei zuerst an die Konfirmanden denken, die wir ja gerade (in diesen Wochen) konfirmiert haben. Wir haben auch für sie gebetet und ich bin sicher, dass viele, viele Mütter und Väter, Patinnen und Paten bei unserem Gebet für die jungen Menschen mit-"getan" haben. Und ich hoffe darüber hinaus, dass diese Menschen nie ablassen darin, für ihre Kinder und Patenkinder zu beten! Ich hoffe das, weil ich ganz sicher bin, die Fürbitte ist eine Macht, die etwas ausrichten kann. Und es ist ganz und gar nicht gleichgültig, ob ich Gott sage, was mich bewegt, wenn ich an mein Kind denke, oder ob ich ihm das nicht sage - vielleicht weil ich meine, er weiß das doch schon und er wird doch auch sicher das Beste für diesen jungen Menschen tun... Oder gar, weil dieser junge Mensch doch gefälligst für sich selbst bitten soll, wenn er etwas will - zumal er doch jetzt konfirmiert ist! Ich will es noch einmal betonen: Wir sollen Fürbitte üben! Gott möchte sie von uns haben. Und nicht nur für die Kinder, die uns anvertraut sind!: Haben unsere Nachbarn keine Sorgen? Lässt die Gesundheit vieler Menschen in unserem Dorf (Straße, Gemeinde) nicht zu wünschen übrig? Ja, hat nicht jedes Häuschen sein Kreuzchen und jedes Dach sein Ach? Und dann: Was würde es mich denn kosten, wenn ich wenigstens einmal am Tag an all diese Menschen und ihre Sorgen denke? Wie viel Zeit müsste ich dafür investieren, wenn ich Gott die Namen und die "Kreuze" von einigen Mitmenschen nenne? Fünf Minuten, vielleicht nur zwei? Wäre das zu viel? - Aber wie viel könnte solches Fürbitten ausrichten!? Wir denken jetzt vielleicht bei uns: Muss ich denn Gott sagen, was mit meinem Nachbarn los ist? Kennt er denn nicht schon alle Sorgen, die meine Gebete vor ihn bringen? Ist denn ein Haus in un- serem Dorf (Stadt) und in der ganzen weiten Welt, dessen Kreuz er nicht weiß? - Alles richtig. Und doch wartet Gott darauf, dass wir füreinander bitten. Und doch will er unser Eintreten einer für den anderen haben. Und doch wird vielleicht gerade unser Gebet das schlimme Geschick eines Näch- sten herumreißen. - Schwierige Gedanken sind das. Warum hilft Gott nicht von selbst, wenn er doch um eine Not weiß? Das ist jetzt keine Antwort auf die Frage, aber sehen wir's doch auch einmal von der anderen Seite: Wie wichtig ist es meinem Gott, dass ich für andere bei ihm bitte. Wie viel Verantwortung traut er mir zu. Wie ernst nimmt er mich und mein Gebet. Ich kann es vielleicht in den Händen - oder im Herzen! - haben, ob meinem Nächsten leichter wird. "Gott will, dass allen Menschen geholfen werde...!" Ich darf - und ich kann! - dabei mittun! Ich denke, dass Gott mein Gebet für andere haben möchte, muss damit zusammenhängen, dass er unser "Vater" sein will. Wie ist das denn bei einem Vater und seinen Kindern?: Freut sich ein Vater nicht, wenn er sieht, mein Kind will dieses oder jenes gar nicht für sich selbst, nein, es tritt für die Schwester, den Bruder ein. Wird er sich da nicht - vielleicht sogar eher! - erweichen lassen? Warum wollen wir uns denn scheuen, es auszusprechen: Wird nicht auch der himmlische Vater gerührt sein und sich gar umstimmen lassen, wenn er erlebt, die Kinder machen sich füreinander stark? Wir menschlichen Väter (und Mütter!) würden bestimmt unserem Herzen nachgeben, oder? Und noch etwas: Ist das nicht auch ein anderes Verhältnis unter Geschwistern, die füreinander bitten? Kommt nicht durch das Gebet, einer für den anderen, ein wenig Wärme in unsere kalte Welt? Und noch einmal: Ist es denn viel verlangt, für ein paar Mitmenschen in meiner Nähe zu beten? Ist das ein so großes Opfer? Und vielleicht denken wir auch noch daran: Wie oft schon mag uns zugute gekommen sein, dass ein anderer für uns gebetet hat? Und anders herum: Wie wäre unser Schicksal wohl gelaufen, ohne das Gebet unserer Mutter, unseres Ehegatten, aber auch der vielen anderen, von denen ich gar nichts weiß und die doch für mich gebetet haben und noch beten? Wir sollten jetzt wohl auch die vielen Menschen vor Augen haben, die nicht beten, die selbst weder bitten noch danken, ja, die überhaupt kein Verhältnis zum Vater im Himmel haben. Und denken wir dabei ruhig zuerst an die, die ganz in unserer Nähe leben, unsere Söhne und Töchter, Enkel, Väter und Mütter... Selbst darum, dass Gott sich ihnen offenbart und Glauben schenkt, kann ich bit- ten! Auch diesem Gebet wird sich Gott nicht verschließen, wenn wir es wieder und wieder vor ihn bringen. Gewiss kann Gott auch hier von sich aus wirken. Er muss es zuletzt ja auch tun, denn kein Mensch kann einem anderen Glauben oder Vertrauen zum Vater in sein Herz geben. Aber Gott will auch hier unsere Fürbitte! Und er handelt durchaus nicht gleich - ob wir ihn bitten oder nicht. Er lässt sich erweichen, denn er will, "dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen." Mir geht zu diesen Gedanken die ganze Zeit schon eine kleine Geschichte durch den Sinn, die ich irgendwann einmal gehört habe: Ein Mensch ist gestorben und steht jetzt vor seinem himmlischen Richter. Der Mann hat sein Leben lang nicht an Gott gedacht, seine Gedanken und Taten waren stets böse und auf den eigenen Vorteil bedacht. Er hat nun nichts, aber auch gar nichts vorzuweisen, was bei Gott zählen könnte. So blicken Gottes Augen auch finster auf diesen Menschen. Eben will der göttliche Richter das Urteil sprechen und der Mann weiß, wie es lauten wird. Da erhellen sich die Züge Gottes. Er schaut auf einmal sanft und gütig auf und spricht: Gehe ein in mein Reich, Menschenkind! Der Mensch - in der Erwartung der Verdammnis völlig gefangen - fragt zweifelnd: "Warum?" Und Gott antwortet: "Eben hat einer deiner Mitmenschen für dich ein Gebet gesprochen!" Wir mögen diese Geschichte sehr menschlich - und gar kindlich - finden. Und doch ist sie auf eine bestimmte Weise wahr: Das Gebet ist eine Macht! Die Fürbitte - unser Gebet für andere - hat die Verheißung, dass Gott sie erhört. "So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen!" Lasst uns heute mit der Fürbitte beginnen.