Predigt zu "Christi Himmelfahrt" - 20.05.2004 Textlesung: Apg. 1, 3 - 4 (5 - 7) 8 - 11 Jesus zeigte sich den Aposteln nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes. Und als er mit ih- nen zusammen war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Ver- heißung des Vaters, die ihr, so sprach er, von mir gehört habt; denn Johannes hat mit Wasser ge- tauft, ihr aber sollt mit dem heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen. Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder au- frichten das Reich für Israel? Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; aber ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde. Und als er das gesagt hatte, wurde er zuse- hends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg. Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sag- ten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen. Man kann ruhig darüber reden, liebe Gemeinde: Diese Geschichte macht es uns schwer, dass wir sie glauben! Jedenfalls was ihren Gehalt an wunderbaren Ereignissen angeht, die allen Naturgeset- zen spotten: Jesus wird aufgehoben, eine Wolke nimmt ihn auf und er verschwindet vor ihren Augen... Ausdrücklich: Ja, damit haben wir Schwierigkeiten. Das will uns nicht in den Kopf! Liebe Gemeinde, muss es auch nicht! Ich finde immer, solche Züge einer biblischen Geschichte sind gar nicht so wichtig. Sie drücken eigentlich nur die Wahrheit hinter dem Geschehen aus. Auf diese Wahrheit allein kommt es an! Und manchmal - so wie hier - lenken uns aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts die "beschriebenen" Ereignisse eher vom Wahren und Wesentlichen ab. Lassen sie uns doch einmal so fragen: Was steht im Hintergrund der Geschichte und wie sie uns erzählt wird. Ganz konkret wollen wir untersuchen, was uns eigentlich mit diesen Worten gesagt werden soll: Jesus wird aufgehoben, eine Wolke nimmt ihn auf und er verschwindet vor ihren Augen... Ganz schlicht ausgedrückt, heißt das doch: Jesus ist von dieser Stunde an nicht mehr so erreichbar, wie er es vorher war. An diesem Tag geschieht es, dass die Jünger nicht mehr zu ihm hingehen und nicht mehr wie ein Mensch mit dem anderen reden können. Wir wollen es einmal so sagen: Hatten die Jünger bis zu diesem Tag das Vorrecht, eine Beziehung mit Jesus zu haben, wie zu einem Freund oder einem Bruder - jetzt werden sie uns gleich. Wir haben eine solche Beziehung nie gehabt. Aber es steht noch mehr im Hintergrund dieser Erzählung von der "Himmelfahrt" Jesu: Wenn er "gen Himmel fährt", dann wissen wir, er ist jetzt (wieder) dort, von wo er ausging. Er ist bei seinem, bei unserem Vater. Und auch schon die Wolke will uns das nahebringen, denn "Wolken, Luft und Winde", sind Gottes Schöpfung, er gibt ihnen "Wege, Lauf und Bahn". Die Bestätigung durch die zwei "weißgekleideten Männer", bei denen wir gewiss an Engel denken, hätten wir ei- gentlich gar nicht mehr gebraucht. Es ist ganz klar: Jesu Werk des Lebens, Sterbens und der Aufer- stehung für uns ist nun vollendet. Er ist zurückgekehrt zu Rechten des himmlischen Vaters. Ja, vielleicht kommt uns da der Gedanke: Dann ist jetzt ja alles wieder so, wie vorher? - Da aber widerspricht uns die Geschichte und zwar ganz deutlich: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Wenn wir einen Augenblick einmal denken, die Engel hätten uns angesprochen...wir hätten von ihnen vielleicht solche Worte gehört: Jesus ist zwar jetzt nicht mehr sichtbar bei euch, aber ihr habt seinen Auftrag! Ihr sollt seine Zeugen sein! Ihr sollt allen Menschen von ihm erzählen, seine Liebe, die ihr kennen gelernt habt, sollt ihr jetzt euren Mitmenschen weit- erschenken. Was er für euch getan hat, sollt ihr für andere tun. Vor allem wisst ihr jetzt davon, dass Schuld vergeben werden kann und dass ihr nicht für den Tod geschaffen seid, sondern für das Le- ben - ein Leben in Ewigkeit! Wenn ihr hier nur herumsteht und in den Himmel starrt, dann wird nichts geschehen, sich nichts zum Guten wenden in dieser Welt. Wenn ihr aber mit der Botschaft eures Herrn zu den Menschen geht und ihnen die weitersagt, dann kann, dann wird sich alles verändern! Wie ist das denn nun bei uns: Gehen wir hin zu den Menschen mit der Botschaft Jesu? Geben wir - angesteckt durch seine Liebe - die Liebe an unsere Mitmenschen weiter? Oder stehen wir noch herum und starren in den Himmel, wohin er entschwunden ist? Warten wir, dass er wiederkommt und sein Werk in dieser Welt selbst in die Hand nimmt und vollendet? Da mag sich eine jede und ein jeder selbst die Antwort sagen. - Was ich jetzt noch tun kann und tun will, ist dies: Ich möchte ein paar Beispiele dafür geben, wo wir am Werk Jesu Christi mittun kön- nen an den Menschen dieser Zeit, ganz in unserer Nähe: Es ist sicher kein Zufall, dass mir zuerst die jungen Menschen einfallen, die in den letzten Wochen - auch in unserer Gemeinde - konfirmiert worden sind. Noch unsicher im Glauben, manchmal vielleicht auch in ihrem Innern gar nicht von der Botschaft Jesu erreicht, brauchen die Jungen und Mädchen uns, die Erwachsenen, dass wir ihnen glaubhaft vorleben, dass wir Christinnen und Chris- ten sind. Wenn sie an uns Verständnis für ihre Fragen, ihre Unsicherheit und ihre Zweifel finden, dann erfahren sie darin ein Stück der Liebe Jesu, der Liebe, die keine Vorbedingungen stellt, die nicht fragt, ist dein Ja beim Konfirmationsversprechen auch echt gewesen, sondern die den jungen Leuten einfach gütig entgegenkommt, ohne Vorbehalte, sie annimmt, so wie sie nunmal sind: Noch unfertig, noch in der Entwicklung, noch ohne viel Glaubenserfahrung und vielleicht sogar ablehnend und gleichgültig gegenüber Gott. - Wenn wir da warten und zum Himmel starren, dann wird nichts geschehen. Und ich denke an die vielen in unserer Gemeinde, die sich einsam fühlen und allein, die keinen Menschen an ihrer Seite haben, der immer bei ihnen ist, die selten Besuch haben und ihr Leben ohne Hilfe anderer meistern müssen. Vielleicht bedürfte es ja nur einmal eines Wortes und der Kontakt wäre hergestellt. Vielleicht so: "Du, heute ist so herrliches Wetter, ich gehe heute Nachmit- tag spazieren, willst du nicht mitkommen?" Gewiss werden wir so manches, was uns zunächst hin- dert, abtun müssen: Z.B. die Frage, ob man denn so etwas überhaupt machen kann, dass man je- mand anderen zu einem Spaziergang einlädt. Oder alles, was die Leute vielleicht reden könnten. Je- sus hätte gewiss nicht gezögert, wenn er gesehen hätte, ein Mensch ist einsam und braucht mich. Seine Liebe hat sich nicht abhängig gemacht von dem, was man fragen und tun darf und was die öf- fentliche Meinung wohl dazu sagt. - Wenn wir immer warten und zum Himmel starren, dann wird nichts geschehen und keinem Menschen geholfen. Und die Starken und manchmal Überheblichen in unserer Umgebung kommen mir noch in den Sinn, die vielleicht über unseren Glauben lächeln oder spotten. Die Menschen, bei denen wir immer denken, wie können die wohl einmal damit fertig werden, wenn in ihrem Leben nicht mehr alles so fadengerade läuft, wenn Zeiten der Not und der Sorge bestanden werden müssen und vielleicht Krankheit und Alter ihre Boten schicken? Zu mehr als einem Achselzucken und den Gedanken, die werden dann schon sehen, haben wir es doch noch nicht gebracht. Dabei spüren wir das doch: Auch diese Menschen sind uns als Christen auf die Seele gelegt. Wir können nicht sagen, die wollen schließlich ohne Gott leben, dann sind sie doch auch selbst schuld... Was wissen wir denn, warum sie so sind, wie sie sind? Da mögen auch Christen ihren Anteil daran haben, dass sie so werden mussten. Vielleicht war es die Bigotterie von Leuten, die sich als fromm ausgegeben haben, vielleicht der Wortbruch eines Gemeindeglieds, das jeden Sonntag in die Kirche geht... Wir können uns viele Ereignisse vorstellen, die einem Menschen Gott verdunkeln und es ihm schwer und vielleicht unmöglich machen können, den Glauben zu finden oder festzuhalten. Die Liebe Jesu hätte sicher da mit solchen Menschen angefangen, wo sie heute stehen. Sie hätte - statt zu mut- maßen, statt überheblich die Augebrauen zu kräuseln oder gar zu verurteilen - einfach geliebt, den Menschen vermittelt: Du ich mag dich, ich respektiere dich, wie du bist. Nur eine solche Liebe kann die Menschen verwandeln. Zum Himmel zu starren und zu warten, ist zu wenig. Wir müssen diese Liebe haben. Vor diesem Hintergrund, liebe Gemeinde, spielt es nun wirklich keine Rolle mehr, ob ein Wolke damals Jesus aufgenommen hat, ob er sichtbar aufgehoben wurde von der Erde und dann verschwunden ist. Alles, was wir begreifen sollen, ist doch dies: Jesus ist nicht mehr in menschlicher Gestalt unter uns. Wir müssen tun, was er getan hat. Seine Botschaft ist uns anver- traut. Seine Liebe bekommt durch uns Hände und Füße. - Was starren wir noch in den Himmel? Von dort wird nichts geschehen! Wir müssen es selbst tun. Und wir können es, denn Gottes Heiliger Geist ist uns verheißen!