Predigt zum Sonntag "Okuli" - 14.03.2004 Textlesung: Eph. 5, 1 - 8a So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Un- reiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts. Liebe Gemeinde! Ich habe die klaren, deutlichen Worte lieber als die anderen, die verschleiern oder verharmlosen wollen. Wenn etwas schwarz ist, dann nenne ich es gern Schwarz und zu Grau sage ich Grau. Auf- passen muss ich, dass ich auch das Weiße sehe und als weiß anspreche. Soviel zuvor. Mir gefällt, wie klar sich Paulus ausdrückt: Es schickt sich nicht, dass bei euch von Unsauberkeit und Gier auch nur gesprochen wird! Das passt nicht zu euch. Alle, die falsch leben, ziehen sich den Zorn Gottes zu. Götzendiener, unzüchtige, Habgierige bekommen keinen Platz in Gottes neuer Welt. Deutliche Worte. Der Apostel redet nicht drumherum. Er sagt's ohne Umschweife. Und er sagt auch das, was uns nicht passt. Wenn ich jetzt daran denke, wie wir manchmal herumdrucksen! Sicher weiß ich auch, dass Worte arg verletzen können. Ein wichtiger Teil dessen, was man sagt ist, wie man es sagt. Aber sagen muss man's! Ein Schriftsteller unserer Zeit (Max Frisch) schreibt: "Du musst deinem Mitmenschen die Wahrheit hinhalten wie einen Mantel." Hineinschlüpfen muss er können. Wir sollen einander die Wahrheit annehmbar machen, aber wir sollen sie nicht verdunkeln und nicht beschönigen. Im- merhin: Es geht um die Wahrheit und ob sich einer von ihr bestimmen lässt. Und es steht etwas da- bei auf dem Spiel; der Zorn Gottes oder der Platz in Gottes neuer Welt. Paulus redet unverblümt: Unzüchtiges Denken und Handeln gehört sich für euch nicht. Habgierige Gedanken ziemen sich nicht für die Leute Christi. Ausschweifender Lebenswandel darf nicht eure Sache sein. - Und das lassen wir uns ja auch sagen. Soweit gehen wir mit. Aber ich will auf etwas anderes hinaus: Wie geben wir diese klaren Worte eigentlich weiter? Ja, tun wir das überhaupt? Wem halten wir den Mantel der Wahrheit hin? Ich beobachte heute zunehmend einen Verfall der Werte. Sicher ändert sich die Lebensart der Men- schen und was wir "Moral" nennen laufend. Mit welchem Ziel wurde um die vorletzte Jahrhun- dertwende, also vor rund hundert Jahren, erzogen - und mit welchem heute? Von wie viel Angst war noch unser Umgang z.B. mit Pfarrern und Lehrern geprägt - und wie frei sind Kinder heute? Wie sahen Zeitschriften vor 50 Jahren aus - und wie in unseren Tagen? Ich meine aber: Mit bloßer Änderung der Moralvorstellungen allein, können wir nicht erklären, was heute gilt oder besser: nicht mehr gilt. Ja, ich glaube, keiner von uns wird die "moderne Zeit" und was sie uns gebracht hat, nur für segensreich halten. Alles scheint doch heute erlaubt. Für das Ver- halten im Umgang miteinander gibt es kaum noch Grenzen: Da kann doch einer in seiner Gier nach Besitz über Leichen gehen. Wenn er auch Mitmenschen ins Elend bringt, wenn er auch seine Fami- lie zerrüttet, wenn er sich und anderen auch die Gesundheit zerstört - wenn am Ende viel Hab und Gut herauskommt, dann ist doch alles in Ordnung, für das Ansehen bei den Leuten, für die gesell- schaftliche Achtung. So einen wird so schnell keiner schneiden und meiden. Im Gegenteil! Man kann mit ihm ja "gute Geschäfte machen, "gut" allerdings nur im Sinne von "günstig". Schon gar keiner wird diesem Menschen sagen: Du bist habgierig. Du machst die Menschen um dich herum - und dich selbst - kaputt. Du lebst nicht wie Gott es will. - Das wäre aber die "Wahrheit". Ach, und manche Ehe! Die Sterne wollte man dieser Frau vom Himmel holen. Immer wollte man nur für diesen Mann da sein. Ein paar Jahre später spricht man von "verliebter Blindheit" und "rosa Brille". Der "eine Mensch", für den man einmal so viel empfand, wird vor anderen als boshaft, dumm und langweilig verleumdet. Und ist schon das traurig genug, so ist doch noch viel schlim- mer: Die es hören, die nicken mit dem Kopf dazu und sprechen davon, sie hätten das "damals schon geahnt" und er oder sie "sei halt nicht die oder der Richtige gewesen"... Und keiner ist da, der ein- mal daran erinnern würde: "Ihr habt Verantwortung füreinander übernommen. Ihr habt einmal "Ja" zueinander gesagt! Ihr wolltet in Freud und Leid zueinander stehen!" - Geschwätz von gestern? Wenn du dich heute neu - anders - entscheidest, wird das akzeptiert. "Unzucht" - dein, gutes Recht!? Untreue - ein Kavaliersdelikt!? Wer sagt: Das ist nicht Gottes Wille? - Das aber wäre die Wahrheit. Und schließlich: unser Verhältnis zu den "Sachen"! Auto, Video, Fernsehen, das Haus, das Boot, die Urlaubsreise... Die reine Anbetung ist das oft. Jede freie Minute wird ver(sch)wendet, die gol- denen Kälber zu umtanzen. Dinge, die keiner mitnehmen kann, wenn er dahin muss. Kram, der nur der Unterhaltung und Zerstreuung dient. Wie viel Zeit bleibt für die Sache Gottes, sein Wort, für den Schöpfer - und einmal den Richter? Und wer wird den Nachbarn ansprechen: Du vertust deine Tage mit nichtigem Kram? Wer fragt ihn einmal: Meinst du nicht, dass unser Leben mehr ist, als Autopflege und Fernsehen? Eher kann man solche Äußerungen vernehmen: "Aber er schafft doch auch so für seine Lieben." - "Aber er braucht doch auch den Ausgleich." - "So viel Arbeit muss sich doch auch lohnen." - Was hat sich denn gelohnt, wenn einer einmal nur käufliche Dinge zurück- lässt? (Außer für die Erben.) Wenn er weiter nichts konnte als Sachen anbeten? Wer nennt in unse- rer Zeit den "Götzendienst" beim Namen? - Das aber wäre die Wahrheit. "Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Göt- zendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes.", schreibt Paulus. "Sie ziehen sich den Zorn Gottes zu!" Wer sagt diese Wahrheit heute weiter? Liebe Gemeinde, wir suchen inzwischen Ausflüchte: Aber ich kann doch meinen Nachbarn so nicht ansprechen. Ich habe mir schon einmal den Mund verbrannt. Der wird sich von mir auch etwas sa- gen lassen... Und außerdem: So ganz frei sind wir selbst ja auch nicht von diesen Dingen. Ganz schön verstrickt ist der eine oder die andere in Schuld und Wesenszüge, die der Apostel so deutlich missbilligt und anprangert. Reicht das alles zur Entschuldigung für uns? Steht hier nicht arg viel auf dem Spiel? Für uns selbst und für den Mitmenschen. Kann das wirklich genügen, wenn ich sage: Mir ist schon einmal einer über den Mund gefahren, oder: als wäre ich selbst moralisch so sauber? Immerhin: Wir erwarten doch noch Wegweisung durch das Wort Gottes, sonst wären wir heute morgen nicht hier. Wir möchten doch noch unser Leben an der Wahrheit Gottes orientieren, säßen wir sonst im Gottes- dienst? Damit übernehmen wir aber auch die Aufgabe, draußen von der Sache Gottes zu reden und seinen Willen zu bezeugen. Wir werden diese "Sache" niemandem um die Ohren schlagen. Viel- leicht lassen wir uns von diesem Bild anregen: Die Wahrheit hinhalten wie einen Mantel... Das ist ja überhaupt ein Bild, in dem viel steckt: Ein "Mantel"..., der wird schützend und bergend um einen gelegt, da hat man warm, den braucht man - gerade im Winter - und es ist ja wirklich kalt genug in unserer Zeit. Irgendwie finde ich, da ist im Bild vom "Mantel der Wahrheit sehr schön aufgenom- men, was Paulus so ausgedrückt hat: So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat. Er hat sein Leben für uns gegeben. Hat nicht die Wahrheit, die wir einander sagen, viel mit "Liebe" zu tun? Ich muss so oft denken: Warum nur schweigt dieser oder jener Christ so beharrlich von dem, was ihn doch bestimmt? Wa- rum sagt er seinem Nachbarn nichts davon, wie sehr ihm sein Glaube hilft und wie seine Hoffnung trägt? Wieso weist er den, der in Habgier oder Götzendienst verharrt, nicht zurecht. Steht das "Got- tes geliebten Kindern" an? Ist das die Liebe, wie sie unter "Geschwistern" herrschen soll? Kann es wirklich irgend eine Erklärung, irgendeinen hinreichenden Grund dafür geben, so lieblos zu sein? Und wie oft sind das unsere Hausgenossen, unsere Ehegatten, unsere Eltern oder Kinder, unsere "Lieben", denen wir den Mantel der Wahrheit vorenthalten. Und wenn ich mir den Mund wieder und wieder verbrenne! Und wenn ich selbst auch nicht frei von Schuld bin! Und wenn die Chance, dass ich gehört werde, auch sehr klein ist. Beim hundertsten Mal schlüpft unser Mitmensch doch in den bergenden Mantel der Wahrheit, weil er die Liebe gespürt hat, die uns bewegt. Ich glaube, wer wirklich begriffen hat, wie Gott in Christus den Mantel seiner Liebe um uns gelegt hat, der muss von der Wahrheit zeugen, reden, weiterreichen... Wenn es doch so ist, wie Paulus sagt: "Götzendiener, Unzüchtige, Habgierige bekommen keinen Platz in Gottes neuer Welt. Sie ziehen sich den Zorn Gottes zu." Ich meine immer, Kindern des einen Vaters im Himmel darf es doch nicht gleichgültig sein, was mit den Geschwistern geschieht! Diese Welt, diese Zeit der zerfallenden Werte, werden wir nicht gleich umkrempeln. Aber vielleicht schaffen wir in unserer Umgebung Inseln, auf denen sich Menschen die Wahrheit sagen, unbeschö- nigt, klar und deutlich - und doch liebevoll, eben wie man einen Mantel hinhält. Die Welt zu verän- dern, ist auch nicht unsere Aufgabe. Es ist auch nicht "die Gesellschaft", die vor meiner Haustür Gottes Gebote bricht und die Götzen anbetet. Das sind konkrete Menschen, deren Namen ich ken- ne, die ich täglich ansprechen kann, die oft genug mit mir unter einem Dach wohnen. Und es sind Menschen, die Gott liebt, wie er mich liebt. Meine Geschwister, für die unser Bruder Christus sein Leben gegeben hat. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts. AMEN