Predigt zum Sonntag "Reminiszere" - 07.03.2004 Textlesung: Röm. 5, 1 - 5 (6 - 11) Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist. Liebe Gemeinde! Dazu können wir ja noch ja sagen: "Wir rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird." Und doch werden schon hier manche Gegner des Christentums auftreten und von "Vertröstung" sprechen und von "Weltflucht". Damit beklagen sie, dass wir Christen einfach nicht akzeptieren können, dass diese Welt hart ist und ziemlich schlecht, dass es in ihr nach dem Gesetz der Ellenbogen zugeht und naturgemäß der Stärkere den Schwächeren an die Wand drängt. Deshalb - so meinen die Gegner christlicher Weltsicht weiter - reden wir immer so gern und so viel von der zukünftigen Herrlichkeit, die uns erwartet! Aber das scheint ihnen Flucht und Vertröstung aufs Jen- seits, wie gesagt. Und doch bleiben wir dabei, wir Christen: Wir rühmen uns der Hoffnung auf Gottes herrliche Zu- kunft! Denn sie hat auch noch einen ganz anderen Sinn und sie hat eine unbändige Kraft: Das ist doch nicht nur Flucht vor der Wirklichkeit in eine bessere Zukunft im Reich Gottes, das ist doch auch Ansporn und eine nie versiegende Quelle von Stärke und neuem Mut! Wenn ich weiß, es wird nicht so bleiben, so ungerecht, so hart, so grausam und leidvoll..., dann werde ich alles daransetzen, schon hier und heute nach Kräften ein Stück dieser Zukunft zu verwirklichen. Von der Zuversicht auf Gottes neue Welt geht nicht nur Trost aus und - wie es die Kritiker sehen - Vertröstung, sondern ein unwiderstehlicher Wille, die Zustände in der Gesellschaft, die Lebensbedingungen der Men- schen, die Gesetze, nach denen gehandelt wird so zu verändern, dass sie schon heute die Verhält- nisse, das Miteinander der Menschen, die Gemeinschaft im Zusammenleben verbessern und gerechter machen. Denken wir doch einmal an die ungleiche Verteilung des Eigentums bei uns, aber noch mehr in den Entwicklungsländern. Können wir uns das als Christen wirklich vorstellen, dass es in alle Ewigkeit so weitergehen soll: Ein paar Prozent der Gesellschaft haben so viel Geld, dass ein langes Leben nicht reicht, es auszugeben, während andere - und das sind in manchen Ländern weit mehr als 80 % - buchstäblich am Hungertuch nagen, sich keine Schulbildung leisten können, keinen Arzt haben und oft genug an den Folgen des Mangels, der Entbehrung und des kräfteverzehrenden Überleben- skampfes einen frühen Tod sterben müssen? Oder können wir Christen uns wirklich damit abfin- den, dass es Mitmenschen gibt, die vom Schicksal gebeutelt, unschuldig in Not, Kummer und Sorge geraten, während wir zufrieden und mit Gott und unserem Geschick im Reinen leben kön- nen? Und können wir dann auch noch denken: So wird es auch für immer in Gottes Herrlichkeit sein? Nein, ich glaube, das können wir nicht! Im Gegenteil: Von diesen Verhältnissen, die nicht so sind, wie Gott sie gewollt hat, wird - wenn wir Christen sein wollen - immer ein Antrieb ausgehen, alles daran zu setzen, dass schon in unserer Welt andere Gesetze herrschen, die Liebe zueinander sich durchsetzt und Gerechtigkeit regiert. Prüfen wir doch einmal an ganz konkreten Fragen, ob wir nicht wirklich tief drinnen in unserem Herzen so denken und empfinden: Stellen wir uns vor, die Kirche, unsere Kirche würde nicht mehr mit ihrer ganzen Kraft für die Schwachen und Zukurzgekommenen eintreten, sie förderte vielmehr durch ihre Politik, durch Verlautbarungen und Maßnahmen an der einen, Stillschweigen an der an- deren Stelle den Sozialabbau, sie gebärdete sich selbst wie ein Wirtschaftsunternehmen mit einer Gruppe von Höherverdienenden an der Spitze, während ihre PfarrerInnen nicht mehr angemessen entlohnt werden und die Kirchengemeinden im Land finanziell ausbluten und ihren Auftrag der Mission, der Verkündigung und der Seelsorge nicht mehr wahrnehmen können... Oder stellen wir uns vor, unsere Regierung belastete mit den von ihr beschlossenen Reformen in der Steuer- oder Gesundheitspolitik weit mehr als die Reichen und Wohlhabenden die kleinen Leute, die Rentner und die Arbeitslosen, die Behinderten und die Alten in den Heimen... Und sie nähme diesen kleinen Leuten mit den entsprechenden Gesetzen ein gutes Stück der hart erarbeiteten und durch jahrzehntelang gezahlte Beiträge sicher geglaubten Lebensqualität, ja, oft sogar den zum Leben unbedingt notwendigen Unterhalt und machte sie so zu Bittstellern bei der Fürsorge. Stellen wir uns das vor! - Ich bin sicher, wir könnten diese Vorstellung nicht mit unseren Erwartun- gen an ein Denken und Handeln im Sinne Jesu Christi reimen. Und ich bin gewiss, der Ausblick auf eine "herrliche Zukunft" in Gottes neuer Welt, in der alle Ungerechtigkeit endlich aufhört, könnte uns auch nicht trösten. Genau so sicher bin ich, dass wir - gerade als Christinnen und Christen! - mit all unserer Kraft dafür arbeiten werden, dass die geschilderten Zustände in Kirche und Gesell- schaft niemals eintreten - und wo die Weichen vielleicht schon falsch gestellt sind, schnellstens wieder gerechte Verhältnisse geschaffen werden. Nun sagt Paulus aber weiter: "Wir rühmen uns der Bedrängnisse..." Können wir das auch unter- schreiben? Ist es gut, bedrängt zu sein, belastet durch die Umstände, beschwert durch die Aufgabe, in dieser Welt zu arbeiten, dass sie besser, gerechter, menschlicher wird und so dem Willen Gottes entspricht? Ganz klar und deutlich: Spaß macht das nicht! Es ist auch nicht irgendwie schön oder erfreulich, in Bedrängnis zu sein. Auch nicht, um des Evangeliums willen. Es geschieht mit und an uns etwas an- deres, wenn wir bedrängt werden, wenn wir uns von einer guten Sache, ja, der besten Sache der Welt anspornen lassen, zu wirken und zu schaffen. Davon eben spricht Paulus auch - mit diesen Worten: ""Wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden..." Wahrhaftig, Geduld werden wir lernen müssen! Die Veränderungen, für die wir uns einsetzen, kommen nicht über Nacht. Es gibt viele Widerstände, Menschen, die überzeugt werden müssen, Beziehungen, die über unterschiedlichen Meinungen zerbrechen, vielleicht sogar Hass und Verfolgung, die wir uns einhandeln. Aber dann werden wir auch das erfahren: Bewährung. Dieses wunderbare Gefühl, nein, dieses Wissen: Es ist richtig, es ist gut und hat seinen Grund in Gottes Willen, wenn ich daran arbeite, ungerechte Verhältnisse zu ändern. Bewährung - Freude darüber, auf dem richtigen Weg zu sein, Glück tief drinnen, so wollte Gott seine Welt... Und auch die Hoffnung wird nicht ausbleiben: Das schenkt Zuversicht und Mut, wenn wir erfolg- reich waren - und wenn auch nur ein bisschen. Das gibt einen weiten Blick, das lässt träumen und stärkt unsere Geduld, dass wir unsere Mühen nicht aufgeben. Und wenn nur einem Menschen dadurch geholfen wurde, dass wir an der richtigen Stelle den Mund aufgemacht oder unser Herz oder Portemonnaie geöffnet haben, das schenkt Hoffnung, lässt uns treu und ohne Angst weiterge- hen... Und das Beste ist vielleicht die Verheißung: Hoffnung lässt nicht zuschanden werden! Wie nah liegt es uns doch oft, aufzustecken, wenn unserem ehrlichen Bemühen nicht gleich Erfolg beschieden ist. Wenn wir aber geduldig waren, wenn aus dieser Geduld dann der lange Atem kam und am Ende die Zuversicht, es ist doch nicht alles vergebens... Dann haben wir es erlebt: Hoffnung ist eine gewaltige Macht! Sie lässt uns auf dem Weg bleiben, auch wenn der steil und steinig ist. Sie lässt uns selbst da noch tapfer unsere Schritte setzen, wo alles dunkel scheint und wir den Boden vor unseren Füßen nicht mehr sehen. Hoffnung schließlich, wo sie um den guten ewigen Ausgang unseres Lebens weiß, gibt eine große Gelassenheit: In einem letzten Sinn kann uns nichts geschehen! - Hoffnung lässt nicht untergehen! Wir bewirken etwas - mit Gottes Hilfe. Wir verändern zum Guten, zum Besseren - auch wenn es länger dauert. Und am Ende werden wir sehen, was wir gehofft haben. Und so spricht Paulus weiter: "...denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist." Vergessen wir es nicht: Wir haben bei allem, was wir in Got- tes Namen tun, den Heiligen Geist als Beistand. Er hilft uns, dass wir beständig, voll Kraft und Ausdauer, mit Mut und Geduld den uns von Gott gewiesenen Weg gehen und unsere Arbeit für sei- ne Sache - für die Menschen - tun können. Dass dies alles von Gottes Liebe gespeist ist und seiner Liebe bei uns und in uns und allen Menschen dient, das schenke uns Gott.