Predigt zum 2. Adventssonntag - 7.12.2003 Wir hören zusammen auf die Schriftlesung zu dieser Predigt. Sie steht im Jakobusbrief im 5. Kapi- tel: Textlesung: Jak. 5, 7 - 8 So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis auf den Tag, da der Herr kommt. Siehe, ein Ackermann wartet auf die köstliche Frucht der Erde und ist geduldig darüber, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärket eure Herzen; denn der Herr kommt bald. Liebe Gemeinde! Ich möchte ihnen heute mit Worten ein Bild vor Augen malen. Dieses Bild soll uns durch die Ge- danken dieser Predigt begleiten: Ein Floß mit Schiffbrüchigen. Sein Holz aus Wrackteilen notdürftig zusammengebunden. Es treibt schon seit Tagen auf den Wellen. Eine Handvoll Menschen kauern auf ihm. Sie sind am Ende ihrer Kraft. Einige werden wohl noch sterben bis zur Rettung. Andere sind dumpf und teilnahmslos ge- worden. Zu schrecklich waren die Eindrücke der vergangenen Tage seit dem Unglück. Aber da ist etwas zu sehen am Horizont. Ein Schiff? Endlich Land? Ein paar aus der Zahl der Verzweifelten haben sich mit letzter Kraft aufgerichtet. Sie recken die Hände. Da, da muß die Hilfe sein. Trog die Hoffnung doch nicht? Waren die Strapazen, die Angst und all das Furchtbare, was sie erlitten ha- ben, doch nicht umsonst? Ist dort die Rettung? Soweit das Bild. Ich denke, wir können uns das vorstellen. Was hat es mit uns zu tun? Viele von uns sitzen auch auf solchen zusammengezimmerten Planken. Unser Lebensplan ging ent- zwei. Er erlitt Schiffbruch. Er konnte dem Sturm und den Wellen nicht standhalten. Jetzt treiben wir auf dem Meer der Angst, schauen verzweifelt nach dem Ufer aus. Wo ist Halt? Wo ist fester Boden, auf dem ich wieder sicher schreiten kann? Unser Floß heißt vielleicht: Krankheit. Unsere Gesundheit ist schon lange angeschlagen. Keine Besserung in Sicht. So vieles müssen wir uns deshalb versagen. Wenn wenigstens die Schmerzen nicht wären. Unser Floß mag auch Einsamkeit heißen. So viel allein, so oft ohne einen Menschen. Die langen Stunden der Tage, die wie Ewigkeiten sind. Hin und wieder die Viertelstunde, die uns die Kinder oder Enkel schenken - manchmal wie ein Almosen. Wo ist einer, der wirklich für uns Zeit hat? Oder unser Floß heißt Trauer. Wir mußten Abschied nehmen. Die Wunden sind noch offen und schmerzen. Wie wird es weitergehen, ohne diesen Menschen? Werden wir je über unser Leid hi- nauskommen? Wird es wieder hell - nach diesen Erfahrungen? Unser Floß heißt ........... Noch viele Namen trägt unser Floß. Und ganz unterschiedlich ist unsere Verfassung: Fast verzwei- felt die einen, stumpf und ohne Teilnahme die anderen, wieder einige klammern sich an ein letztes Stück Hoffnung... (Liedstrophe: EG 16, 1 Die Nacht ist vorgedrungen...) (2. Textlesung: So seid nun geduldig, liebe Brüder...) Ich will hier nicht billigen Trost ausstreuen: Haltet aus, es wird schon wieder, Kopf hoch, laß dich nicht so hängen... Der Herr kommt bald! Der Trost, den Jesus darreicht, kann nie billig sein. Die Hoffnung, die wir kriegen, wenn wir uns an ihm festhalten, trägt uns über jeden Ozean. Die Ge- duld, die auf ihn wartet, wird nicht enttäuscht. Weil: Für unseren Trost, unsere Geduld und unsere Hoffnung hat er teuer bezahlt. Wenn wir noch einmal unser Bild vornehmen und betrachten - er selbst hat auch auf solch einem Floß gesessen und kein Land mehr gesehen. Ihm sind die Wogen des Haßes ins Gesicht geschlagen. Er trieb auch auf den Wellen der Verzweiflung. Ihn umgab auch ein Meer der Schmerzen. Ja, er versank sogar darin. Aber die Hand Gottes hat ihn wieder heraufge- holt. Sein Vater gab allem, was er hatte leiden müssen, einen ewigen Sinn. Und uns gibt er mit ihm ein immer gültiges Beispiel! Seitdem sind wir niemals allein auf unserem Floß. Einer ist immer ne- ben uns, um uns und umgibt uns mit seinem unsichtbaren Schutz. Aber wir können ihn spüren!: Das hilfreiche Wort, daß uns erreicht - sein Wort! Der gute Gedanke, der uns ein Stück Wegs be- gleitet - kommt von ihm her! Der Mensch, der uns nah ist, wenn wir nicht mehr weiterkönnen - er hat ihn gesandt! Das fröhliche Lachen des Kindes in unserer Nähe, wenn wir ganz unten sind - er will uns ermuntern! Der Tag, an dem uns miteinmal so frei und gelöst zumute ist - er möchte, daß wir aushalten! (Lied: EG 611, 1+2 Harre meine Seele...) Hat nicht jede und jeder von uns seine eigenen Erfahrungen und Beispiele?: Wer weiß, daß er auf den Planken seines Floßes niemals verlassen und vergessen ist, der kann vielleicht sogar aufschau- en und sieht dann die anderen, die noch halt- und hilflos treiben. Und - erstaunlich ist das - der Ein- satz für die Not der anderen, stärkt immer auch uns selbst. Die vielen Flöße zusammengebunden geben einen größeren, tragfähigen Grund. Viele Menschen, die sich gegenseitig ihre Sorgen erzäh- len und ihre Ängste teilen, können viel Hoffnung weitergeben. Viele Augen, die nach Land aus- schauen und nach der Rettung, werden sie besser erspähen. Der Herr, der bei uns und mit uns ist in allen Nöten, der ist auch vor uns. Sein Licht ist schon am Horizont. Das Ufer ist nicht mehr weit. Wir werden einmal wieder festen Boden unter den Füßen haben. Wir müssen nicht in den Fluten versinken. Einer holt uns herauf aus allem Schmerz, aller Furcht und Verzweiflung. Wir sollen einmal Antwort bekommen auf alle unsere Fragen. Wir dürfen einmal allen Sinn begreifen. Darum: Seid auch ihr geduldig und stärket eure Herzen; denn der Herr kommt bald! AMEN