Predigt zum Drittl. Sonntag im Kirchenjahr - 8.11.2009 Textlesung: Lk. 17, 20 - 24 (25 - 30) Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! Oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. Er sprach aber zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet, zu sehen einen der Tage des Menschensohns, und werdet ihn nicht sehen. Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da! Oder: Siehe, hier! Geht nicht hin und lauft ihnen nicht nach! Denn wie der Blitz aufblitzt und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum andern, so wird der Menschensohn an seinem Tage sein. Liebe Gemeinde! Oft haben wir doch den Eindruck, die Bibel und unser christlicher Glaube antworten auf Fragen, die keiner mehr stellt. Wer quält sich denn z.B. heute wirklich noch, wie es der Mönch Martin Luther in durchwachten Nächten im Kloster getan hat, mit solchen Gedanken: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Und wer stellt heute noch solche Fragen, wie sie der „reiche Jüngling“ vor Jesus gebracht hat: „Meister, was soll ich Gutes tun, damit ich das ewige Leben gewinne?“ (Mt.19,16) Und wonach die Pharisäer hier fragen: Wann kommt das Reich Gottes?, möchte in unseren Tagen wohl auch kaum noch einer wissen! Unsere Lebensfragen sind doch heute vielmehr diese - und wir gehen damit einmal den verschiede- nen Lebensphasen der Menschen entlang: Wie kriege ich einen Schulabschluss, der mir einen Lehr- vertrag beschert oder mit dem ich studieren kann? Ob ich dann wohl einen guten Job bekomme und ein Gehalt, mit dem ich leben und vielleicht sogar eine Familie ernähren kann? Kann ich ein Auto, ein Haus und die Ausbildung meiner Kinder finanzieren? Was ist, wenn ich arbeitslos werde? Wird die Rente reichen? Ob ich gesund bleibe? Wer pflegt mich im Alter? Wir lange kann ich mich wohl selbst versorgen? Solche oder ähnliche Fragen stellen wir doch. Und diese Fragen werden auch von unserer gesell- schaftlichen Umgebung, der Politik, den Banken, den Medien und der Werbung auf ganz unter- schiedliche Weise aufgenommen: Für den guten Schulabschluss muss ich fleißig sein. Den besseren Job kriegt der, der sich anpassen kann, der mobil und flexibel ist. Mit einem Kredit kann ich mir fast alles leisten, Haus, Auto, Urlaub - kein Problem! Arbeitslosigkeit? - nun das kann passieren. Aber dafür sind wir ja versichert. Und Rente kriegen wir auch, vielleicht nicht so viel, wie wir dachten, aber immerhin. Auch die Versorgung im Krankheitsfall ist garantiert. Allerdings wird die eigene Zuzahlung immer höher. Und die Pflegeversicherung regelt einmal die Pflege ... aber warum immer so negativ denken. Man kann heute doch kerngesund uralt werden! Ja und dann spüren wir irgendwann, dass unsere Lebensfragen eigentlich gar nicht so richtig beantwortet werden. Es fehlt ... die Sicherheit. Es fehlt ... die Gewissheit. Es fehlt das ... worauf wir uns wirklich verlassen können. Weil das so ist, werden wir auch die Angst nicht los. Und so gut es uns auch im Augenblick gehen mag, immer nagen Bedenken an uns und Zweifel: Ob das noch lange so weiter geht? Ob sich das Blatt meines Lebens nicht irgendwann wendet und ich abstürze ... ins Bodenlose, in die Armut, in Not und Bedürftigkeit ...? Und genau an dieser Stelle merken wir: Es gibt sie doch noch, die anderen Fragen! Und sie sind wichtig, wichtiger als manches andere, was uns umtreibt und belastet und manchmal unsere Tage vergällt und uns in den Nächten den Schlaf raubt. Vielleicht haben diese Fragen heute eine andere Form, einen anderen Schwerpunkt. Aber sie sind da. Manchmal in den Hintergrund unseres Her- zens und unserer Seele verdrängt. Manchmal melden sie sich nur noch ganz leise oder nur von Zeit zu Zeit, vielleicht dann wenn wir - selten genug! - einmal zur Ruhe und zu uns selbst kommen. „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“, hat Martin Luther gefragt. Bei uns klingt diese Frage vielleicht so: „Wie kann ich mein Leben bestehen? Wer hilft mir bei allem, was mir begegnet und wer geht auch in schweren Zeiten mit mir?“ Der reiche Jüngling will wissen: „Meister, was soll ich Gutes tun, damit ich das ewige Leben gewinne?“ Wir fragen so: „Gibt es überhaupt noch etwas nach dem Tod? Wenn nicht, was soll denn sonst der Sinn dieser Zeit zwischen Geburt und Tod sein? Wenn ja, wie mache ich’s richtig, dass ich einmal das neue Leben bei Gott sehe?“ Und die Pharisäer schließlich fragen: „Wann kommt das Reich Gottes? Gibt es Vorzeichen?“ Bei uns hört sich das so an: „Können wir denn wirklich sicher sein, dass nach dem Tod noch etwas auf uns war- tet? Werden wir mit dieser Aussicht nicht vielleicht nur vertröstet?“ Liebe Gemeinde, Gott sei Dank gibt es aber auf diese Fragen echte Antworten und solche, die uns nicht in Angst und Unsicherheit lassen: Wie wir unser Leben bestehen und wer uns hilft? - Jesus Christus heißt der, auf den wir uns immer verlassen können! Er bewahrt uns nicht immer vor dem, was uns Sorgen macht und was uns ängstet, aber er bleibt neben uns, wenn wir mitten hindurch ge- hen! Und wenn wir gar nicht mehr weiter können, dann trägt er uns auch einmal ein Stück. Er ist nicht der Wundermann, der uns jeden Weg ebnet. Er ist nicht der Zauberer, der alle Hindernisse vor uns verschwinden lässt. Aber er ist auch nicht einer, der die Dinge und unser Verhalten schön redet. „Es wird schon wieder“, werden wir von ihm nicht hören, wenn eine Sache aussichtslos erscheint. „An dir hat es nicht gelegen“, wird er uns nicht sagen, wenn wir selbst an unserem Unglück schuld sind. Aber er bleibt bei uns, was immer geschehen ist, was immer wir getan haben, auch wenn es falsch und schuldhaft war. Auf ihn ist Verlass, auch wenn alle Menschen uns den Rücken kehren. Um uns darüber ganz sicher zu machen, ist er für uns ja ans Kreuz gegangen und hat unsere und die Schuld aller Menschen auf sich genommen und unsere gestörten Beziehungen zu Gott in Ordnung gebracht. Einer der selbst vor dem schändlichsten Sterben nicht davongelaufen ist, wird auch bei uns aushalten, was immer auch geschieht und wir immer wir uns entwickeln. Gibt es einen Sinn des Lebens und gibt es noch etwas nach dem Tod? - Kein Mensch wird je Gottes Gedanken ganz verstehen können! Niemand kann alles deuten, was ihm in seinem Leben begegnet und keiner wird hinter jedem Geschehen den tieferen Sinn erkennen. Aber wir wissen, seit Jesus Christus in der Welt war, dass alles einen Sinn hat, dass die Welt und wir mit ihr auf ein großes Ziel hin unterwegs sind und dass der Tod darum kein Ende ist, sondern ein Anfang. Unser Herr ist auferstanden und lebt. Wir werden ihm folgen. Das Leben endet nicht mit dem Sterben. Der Tod ist nicht ein Fall ins Nichts, sondern eine Heimkehr. Darum ist der Hintergrund - auch noch des schwersten Lebens - hell! Welche Sicherheiten gibt es, dass nach dem Tod wirklich noch etwas kommt? - Es gibt keine Si- cherheiten! Wir sollen glauben. Wir sollen Vertrauen haben. Und wir können es auch! Was sagt Je- sus?: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! Oder: Da ist es!“ Es gibt keine Vorzeichen, keine Hinweise, an denen wir erken- nen, dass es nun bald soweit ist. Aber es gibt eine innere Gewissheit, die der bekommt, der begrif- fen hat, was Jesus hier meint: „... das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Wir sind schon mitten drin in Gottes neuer Welt! Wir warten also gar nicht mehr nur, sondern der Himmel geht schon über uns auf und es hat schon angefangen mit dem neuen Leben! Ich muss bei diesen Gedanken immer an einen Menschen denken, der vorhat, ein fremdes Land zu besuchen. Dort wird eine ganz andere Sprache gesprochen als da, wo dieser Mensch heute noch wohnt. Aber er will gar zu gern in das fremde Land fahren. Also beginnt er die ganz andere Sprache zu lernen. Dabei merkt er schnell: Diese Sprache ist gar nicht schwer. Im Gegenteil: Sie geht ihm rasch in den Kopf, ins Herz und in die Zunge. Und noch etwas spürt der Mensch bald: Dort wo er lebt gibt es noch viele andere, die sich auch um diese Sprache bemühen. Manche sprechen sie schon ganz gut. Jedenfalls ist er nicht allein beim Lernen der neuen Sprache und er entdeckt eine nie gekannte, ungeahnte Freude dabei, die andere Sprache zu üben und zu sprechen. Nach und nach erfährt er auch von denen, die wie er diese Sprache lernen, dass es auch ihr Traum ist, einmal in das Land zu gelangen, wo man diese Sprache spricht. So entwickeln sich Vertrauen, gegenseitige Hilfe und Gemeinschaft untereinander: Selbst über die tiefsten Fragen des Lebens kann man miteinander reden. Auch dafür, was man glaubt und worauf man hofft findet man Worte - kein Geheimnis mehr, das man in sich verschließt. Je sicherer man im Gebrauch der neuen Sprache wird, umso gewisser wird man auch, dass man einmal in das fremde Land kommen wird, wo alle diese Sprache sprechen. Einer stützt bis dahin den anderen. Einer steht für die anderen ein und einer ist der Herr über alle: Jesus Christus. Liebe Gemeinde, lernen auch wir die neue Sprache! Es ist die Sprache der Liebe zueinander, die Zusammenhalt unter uns schafft, die unser Miteinander zu einer Gemeinschaft werden lässt, in der keine und keiner zurückgelassen wird auf dem Weg in die herrliche Zukunft des Reiches Gottes.