Predigt zum 20. Sonntag nach Trinitatis - 25.10.2009 Textlesung: Mk. 10,2-12.(10,13-16) Und Pharisäer traten zu ihm und fragten ihn, ob ein Mann sich scheiden dürfe von seiner Frau; und sie versuchten ihn damit. Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten? Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; aber von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Und daheim fragten ihn abermals seine Jünger danach. Und er sprach zu ihnen: Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht ihr gegenüber die Ehe; und wenn sich eine Frau scheidet von ihrem Mann und heiratet einen andern, bricht sie ihre Ehe. Liebe Gemeinde! Früher hat man nicht so gern davon geredet. Heute spricht alle Welt öffentlich über Scheidungen, über Schwierigkeiten miteinander, über Probleme in der Partnerschaft, über Seitensprünge, Betrug in der ehelichen Gemeinschaft. Manchmal wird noch hinter vorgehaltener Hand gesprochen, meist aber ganz offen, ohne Hemmungen, unverblümt ... Wir sind ja so aufgeklärt, zeitgemäß, modern. Die Ehe erscheint oft nur noch als ein bedauerlicher Zustand, als eine Beziehung mit vielen Gefah- ren und voller Stoff für Konflikte: „Hast du schon gehört, bei X und Y ist es schwer am kriseln!“ So sagt es eine Frau der Nachbarin auf der Straße. Und in der Frühstückspause auf der Baustelle heißt es: „Der S. ist ja zu Hause ausgezogen, soll jetzt bei einer anderen wohnen.“ Und so weiter und so weiter. - Aber haben Sie schon einmal solche Worte gehört oder gesprochen: „Was sind K. und R. doch so glücklich zusammen; 20 Jahre verheiratet und immer noch wie die Turteltauben?“ Ich sage es jetzt schon: Ich bin überzeugt, so schlecht, so unbefriedigend sind viele Ehen heute gar nicht. In unseren Gesprächen tun wir aber gern so. Das scheint Spaß zu machen, nur die dunklen Seiten der Beziehung zwischen Mann und Frau zu sehen. Und wir bauschen auch gern auf: Aus ei- nem Wortwechsel wird schnell eine handfeste Krise. Sind Eheleute einmal gegenteiliger Meinung, dann läuft schon alles auf Trennung zu. Und in unserer Nachbarschaft ist die Öffentlichkeit halt immer dabei. Da bleibt nichts verborgen. - Wie oft mag wohl schon das Geschwätz der Leute mit- gewirkt haben, dass eine Ehe zerbrochen ist? Die Pharisäer zur Zeit Jesu waren uns gar nicht so fern. Nicht nach einer gelungenen Ehe fragen sie, nein, sie wollen wissen, wie sie eine Frau wegschicken können, wenn sie ihrer überdrüssig sind: „Ist es dem Mann erlaubt, seine Frau zu entlassen?“ Was sich wie eine Frage ansieht, war eigentlich gar keine. Die Pharisäer wussten wohl, was Mose im Gesetz für diesen Fall geboten hatte: Der Mann stellte der Frau einen Scheidebrief aus und jagte sie davon. So einfach war das. Jetzt wollen sie von Jesus nur hören, dass er sich gegen Mose stellt. Und er tut es: Wegen der Härte eurer Herzen hat Mose das geboten. Wir können uns denken, wie sich ein triumphierendes Lächeln auf den Gesichtern der Pharisäer breit macht: Jesus ist in die Falle getappt! Er hat die Autorität des Mose bestritten. Er hat die Gel- tung ihres Gesetzes bezweifelt! Aber gleich vergeht ihnen das Lächeln: Am Anfang der Schöpfung hat Gott Mann und Frau füreinander geschaffen, ein Leib sollen sie sein und niemand hat das Recht, sie zu scheiden! Jesus bringt hier die Autorität Gottes ins Gespräch. Die stand für jeden Pha- risäer noch weit über dem Gesetz Moses. Jetzt konnten sie nichts mehr erwidern. Nur dass deutlich wird, wie hart euer Herz ist, hat Mose euch gewährt, die Frau wegzuschicken. Nur um schlimmeren Schaden für eure Gemeinschaft und für die Frauen zu vermeiden, hat Mose die Scheidung geduldet. Gott aber will nicht, dass Menschen sich scheiden oder scheiden lassen. Gott will, dass Mann und Frau einander ehren, achten, gehören und lieben. Und Gott hat den Eheleuten seinen besonderen Schutz und seinen Segen versprochen. Schauen wir doch jetzt einmal uns an: unsere Ehe, wenn wir (noch) einen Partner haben dürfen. Und blicken wir in Gedanken nach den Ehen in unserer Nähe, bei unseren Kindern, Enkeln, unse- ren Nachbarn ... Spüren wir etwas von dem Segen Gottes, der über der ehelichen Gemeinschaft liegt? Fallen uns Erlebnisse ein, wo wir erfahren haben: Ja, die Gemeinschaft von Mann und Frau ist von Gott gewollt und er hält seine Hand darüber? Zuerst erinnern wir uns wohl meist an die Zeit der jungen Liebe, als die Mandelbäume auch im Winter blühten. Vielleicht fallen uns auch die Stunden zu zweit ein, die später so prallvoll mit Glück und Freude waren. Oder wir denken an die Ereignisse, die wir zusammen feiern durften, die Geburten der Kinder, die Jubiläen der Ehe, die Feste unserer Familie ... Da wird’s uns ein wenig wehmütig ums Herz. Wie war das doch so schön - damals! Wie viel Glück haben wir doch erlebt - als wir jünger waren, früher, vor Jahren ... Ist das nicht seltsam: Unsere Gedanken eilen meist in die Vergangenheit, wenn wir an unsere Ehen und Partnerschaften denken. Mir kommen dabei jetzt die vielen Menschen - auch unter uns - in den Sinn, die ihre Partner verloren haben. Die Witwen, deren Männer im Krieg geblieben sind, die Männer, die von ihren Frauen schon Abschied nehmen mussten. Vor dem Hintergrund solcher Schicksale begreifen wir vielleicht heute wieder einmal, welche Freude darin liegt, einen Menschen haben zu dürfen, der zu einem gehört, der das Leben mit mir teilt. Welches Glück - und welche Gnade! - nicht allein zu sein! Und auch das wird uns jetzt deutlich: Wie undankbar von uns, wenn wir darüber nicht jeden Tag froh und glücklich unseren Gott preisen: Danke, Vater im Himmel, dass ich einen Menschen habe, der bei mir ist und den ich lieben darf. Menschen, die so denken und danken lernen, gehen gewiss auch anders mit Gefährdungen und Krisen der Ehe um. Sie erkennen nämlich, was da auf dem Spiel steht, wenn es um die Gemeinschaft von Mann und Frau geht. Wer den hohen Wert der Beziehung zwischen zwei Menschen sieht und schätzt, der ist davor geschützt, leichtfertig zu sein. Selbst unser Reden über die Ehen anderer und über ihre Probleme wird sich verändern: Wir werden vorsichtiger, behutsamer. Die Ehe ist eine große, wunderbare Einrichtung Gottes - glücklich zu preisen, wer in ihr leben darf! Wer das neu sehen lernt, entdeckt vielleicht mit seinem Partner auch wieder ein Stück Gegenwart: Wir hatten ja gar nicht nur gute Stunden - wir können sie uns ja auch heute noch bereiten! Wir wa- ren ja gar nicht nur verliebt - es verbindet uns doch immer noch Liebe, sogar eine tiefere Form der Zuneigung! Ja, oft ist es doch so, dass wir heute sogar die besseren Möglichkeiten zu beglückenden Erlebnissen und schönen Erfahrungen hätten: mehr Zeit als früher, wir können uns auch eher einmal etwas leisten. Und schließlich sind wir doch zusammen auch reifer geworden. Wir können viel besser beurteilen, was wir aneinander haben; jedenfalls sollten wir es beurteilen können! Wirklich: wir müssten in unseren Ehen zu neuen guten Erfahrungen kommen können. Die Vorbedingungen sind da: Wir sind nicht allein, wir dürfen einen Mann haben, eine Frau ... Wichtig scheint mir noch zu sein, dass wir auch den Bereich des Glaubens gemeinsam in Gespräch und Gedankenaustausch neu entdecken. In wie vielen Ehen wurde noch nie darüber gesprochen, was dem Partner, der Partnerin die Sache Jesu bedeutet, was er oder sie im Innersten glaubt und nach dem Tod erhofft und erwartet ... Ich wage es sogar zu behaupten, damit hängt es oft (vielleicht sogar meist) zusammen, wenn Ehen farblos und fade werden. Wenn wir bei den Themen, wo es doch interessant wird, im Gespräch mit unserem Partner halt machen, dann verschenken wir die Möglichkeiten wesentlicher Erfahrung und dass sich unsere Beziehung vertieft. Darum wünsche ich uns Eheleuten mehr Mut, auch über unseren Glauben und unsere Hoffnung zu reden. Aber auch unsere Zweifel müssen wir nicht ausklammern. Sie werden gut aufgehoben sein bei dem Menschen, der uns liebt. Über diesen Austausch der Herzen hinaus, der allein schon wichtig und beglückend ist, wächst in uns dann vielleicht noch die alles entscheidende Erkenntnis: Wir sind zu zweit nicht allein mitei- nander - da ist ein dritter mit uns im Bund. Der hat uns einst zusammengeführt, der stand dahinter, als wir uns damals kennen und lieben gelernt haben. Der hat seine segnende Hand über unsere Ge- meinschaft gehalten und - der hat auch heute noch etwas mit uns beiden vor: Seine Verheißungen für uns beide gelten noch! - Ich bin ganz sicher, dass hier die alles entscheidende Grundlage für eine gute und befriedigende Partnerschaft liegt: Dass der Dritte in der Ehe mit dabei ist, in allen Gedanken, Worten und Wer- ken. An ihm wird es nicht liegen, wenn wir unsere Ehen ohne ihn gestalten. Sein Segen und seine Verheißung wird wirksam, wenn wir das wollen und zulassen. Ich wünsche uns - wenn wir einen Partner haben dürfen - dass wir mit unserem Reden und Handeln dazu beitragen, dass unsere Nachbarschaft und unsere ganze Umgebung erfährt: Es ist ein großes Geschenk Gottes, dass er Mann und Frau dazu bestimmt hat, eins zu werden vor ihm. Grund zum Danken ist es allemal, wenn einer einen Gefährten haben darf, der ihn liebt und den er lieben darf. AMEN