Predigt zum 14. Sonntag nach Trinitatis - 13.9.2009 Textlesung: Lk. 17, 11 - 19 Und es begab sich, als er nach Jerusalem wanderte, dass er durch Samarien und Galiläa hin zog. Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne und er- hoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein. Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen. Liebe Gemeinde! Vielleicht haben Sie ja zuerst gedacht: Aha, wieder einmal die Sache mit den Zehn Aussätzigen. Und dann ist Ihnen durch den Kopf gegangen: Wie oft mag ich davon schon gehört haben, zehn- mal, zwanzigmal? Mir jedenfalls ging es so. Aber immer wieder entdeckt man dann doch Neues in den alten Geschichten! Und was man entdeckt, ist oft gar nicht so unwichtig! Heute lag für mich dieses „Neue“ in diesen beiden Sätzen: „Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein.“ Sagen Sie, ist Ihnen das früher schon ein- mal aufgefallen: Jesus hat die zehn Männer gar nicht sofort geheilt! Er hat ihnen den Auftrag gege- ben, der im Falle einer Heilung üblich war: Zeigt euch den Priestern. Den Priestern nämlich kam die Aufgabe zu, die Aussätzigen, deren Haut vielleicht lange von Geschwüren und Beulen gezeichnet war, nach ihrer Gesundung für rein zu erklären. Erst dann durften sie wieder unter die andern Menschen gehen. Es kam hier also auf das Vertrauen der Kranken an: Glaubten sie Jesus, dass er die Macht hatte, sie zu heilen - dann würden sie zu den Priestern gehen. Oder glaubten sie ihm nicht, dann würden sie nicht hingehen und könnten keine Heilung erleben. Aber sie glauben, sie gehen hin und werden rein. Vielleicht fragen wir uns jetzt: Ob die zehn Männer wohl nicht gesund geworden wären, wenn sie nicht geglaubt hätten und nicht zu den Priestern gegangen wären? Und vielleicht fänden wir das dann reichlich unbarmherzig! Andererseits ist das ja doch nicht so viel verlangt, bei der Aussicht, gesund zu werden, die Priester aufzusuchen. Außerdem war es neun der zehn Männer - außer dem Samaritaner! - gewiss bekannt, dass die Priester die ehemals Kranken offiziell für rein erklären mussten. - Aber nun haben sie sich ja den Priestern gezeigt und wurden schon auf dem Weg dorthin gesund. Und wir denken bei uns: Gott sei Dank, dass sie das taten! Wir könnten also auch hier, wie Jesus das bei einigen anderen Heilungen, von denen uns Lukas erzählt, ausgesprochen hat, sagen: Ihr Glaube hat ihnen geholfen! (Lk. 8,48; 17,19; 18,42) Es ist also an dieser wie bei vielen anderen Wundergeschichten das entscheidend: Jesus heilt nicht, um bei den Geheilten den Glauben hervorzubringen. Es ist vielmehr umgekehrt: Der Glaube ist zuerst da - er empfängt das Wunder! Das ist aber nur das eine, was wir über den Glauben und Jesu Wundertaten lernen sollen. Hier ist das zweite - und das ist nun nicht neu, aber doch wert, dass wir es heute und immer neu beherzigen: „Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm.“ Die anderen neun Männer mögen ja nun auch dankbar gewesen sein. Und es hätte geradezu den vom Gesetz vorgeschriebenen Abschluss der Reinsprechung durch die Priester gebildet, Gott zu danken! Der zehnte Geheilte aber weiß, zu wem er gehen muss, von wem seine Heilung letztlich ausging und wem er sie verdankt: Jesus! ER hat sich seiner erbarmt. ER hat das Wort gesprochen, das ihn rein gemacht hat. ER hat im Auftrag und in der Vollmacht Gottes an ihm gehandelt. - IHM musste er danken! Und wer IHN preist, der lobt und dankt Gott. Und wieder - wie schon in der Geschichte von dem, der sich des unter die Räuber Gefallenen annimmt - ist es ein Samaritaner. Einer von denen, um die fromme Juden einen Bogen machten, weil sie Gott auf andere Weise und an einem anderen Ort anbeteten. Für alle vermeintlich rechtgläubigen Juden, die damals diese Heilung miterlebten, muss das für lange zu denken gegeben haben! Das war vielleicht so, als wenn in unseren Tagen neun langjährige Kirchgänger, deren Gebete erhört wurden, sich danach nie mehr in der Kirche sehen lassen, während ein Kirchenferner, dem unverhofft Gutes widerfahren ist, zukünftig zum treuesten Gottesdienstbesucher wird. Und da sind wir in unseren Tagen und bei uns selbst: Wie halten wir es denn mit dem, was wir von Jesus an Wundern und Heilungen erfahren haben? - Wie bitte? Wir haben doch gar keine Wunder erlebt und wir sind doch gar nicht heil geworden? - Das sehe ich anders! Wie nennen Sie das, wenn sie einmal ganz nüchtern Ihr Leben bis heute bedenken: Dass Sie gerade in diesem Teil der Welt geboren wurden, gerade diese Eltern hatten, die ihnen einen guten Start ins Leben bieten konnten. Wie nennen Sie das, wenn Sie schon älter sind und miterlebt haben, dass wir nach dem Zusammenbruch 1945 doch unser Land wieder aufbauen konnten, dass wir - vielleicht nach Vertreibung und Flucht - wieder eine Heimat gefunden haben, in der wir uns wohl fühlen, dass wir es auch persönlich zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben, ein Häuschen bauen und etwas fürs Alter auf die hohe Kante legen konnten? Und wie nennen Sie das, wenn wir unter Millionen Menschen gerade diesen einen gefunden haben, den wir lieben und der uns liebt? Und was bedeutet das für uns, dass wir gesunde Kinder bekom- men und vielleicht inzwischen sogar Enkel haben, die uns Freude machen? Und an so manches, was wir nur allein wissen, können wir jetzt denken, was erst so ganz anders aussah und dann doch so gut und so dankenswert geworden ist. - Wie nennen Sie das alles? - Ich nenne es Wunder, Wunder die Gott für uns getan hat! Und wenn Sie das jetzt alles nicht überzeugen kann, dann versetzen wir uns doch einen Augenblick in die Lage eines Kindes, das in Bogota oder Rio, in Kairo oder Kapstadt in den Slums wohnt, das täglich die Müllberge der großen Städte nach Essbarem durchwühlt oder nach Gegenständen aus Plastik oder Metall, die es dann für ein paar Cent verkaufen kann. Oder stellen wir uns vor, wir wären einer, der für die Ersparnisse seines ganzen bisherigen Lebens einen Platz auf einem überfüllten Schiff gekauft hat, das dann nach unsicherer Fahrt irgendwo an der französischen oder italienischen Küste anlandet, wo uns die Behörden in ein überfülltes Lager überführen, um uns dann nach Wochen oder Monaten wieder zurückzuschicken in die Hoff- nungslosigkeit unserer afrikanischen Heimat, die uns doch nie Heimat gewesen ist, sondern nur der Ort eines harten und oft aussichtslosen Überlebenskampfes. Oder denken wir uns hinein in einen jungen Menschen aus unserem Land - viele bei uns haben ja durchaus auch sehr traurige Lebensgeschichten und die sprichwörtliche „schwierige Kindheit“ gibt es ja wirklich! Dann hätte vielleicht schon die Schulkarriere früh einen Knick bekommen. Es gibt ja auch Eltern, die sich nicht so, wie es unsere getan haben, um ihre Kinder kümmern und sie auf dem Weg ins Erwachsenenleben tatkräftig und hilfreich begleiten. Später wäre dann auch der Einstieg in die Berufstätigkeit missglückt. Wer nimmt denn auch Schulsprecher, die nicht mal einen Haupt- schulabschluss vorzuweisen haben? Und eins gibt das andere. Wie lässt sich ohne Geld eine Familie gründen? Und wenn: Welche Partnerschaft hält ständige Geldsorgen aus? Liebe Gemeinde, ich denke, ich kann hier die Schilderung dieser Beispiele beenden. Aber das alles gibt es. Und es ist hart, dass es das gibt. Aber es zeigt uns auch, dass wir ein so ganz anderes Leben haben dürfen, dass wir nur dankbar sein können und uns wird jetzt sicher auch klar, dass wir in den Jahren unseres Lebens nicht nur ein Wunder, sondern gleich eine Fülle von Wundern erfahren ha- ben. Und wenn wir jetzt noch sehen und einmal ganz nüchtern wahrnehmen, dass wir schon am Anfang oder irgendwann in unseren Lebensjahren von Jesus erfahren haben. Dass mit uns eine Mutter oder ein Vater gebetet und in uns die Gewissheit eingepflanzt hat, da ist ein Gott im Himmel, ein Vater aller Menschen, der uns liebhat. Und wenn wir schließlich zum Glauben an Jesus Christus gefunden haben und ihm vertrauen im Leben und im Sterben, dann können wir auch von Heilung sprechen und davon, dass wir durch diesen Herrn gesund geworden sind von unseren Jahren ohne Ziel und Sinn zu einem Leben, das uns durch das Verdienst unseres Herrn, durch sein Leiden und Sterben in Gottes Ewigkeit führt. Wahrhaftig, wir haben alle immer wieder Gottes Wunder erfahren und wir erfahren sie täglich neu! Wahrhaftig, wir sind alle heil geworden durch Jesus Christus und sollen in Ewigkeit heil werden durch ihn! Es gibt nur eins für uns: Hingehen zu Jesus und ihm danken und damit seinen und unse- ren himmlischen Vater loben und preisen. Und wenn er uns dann aufstehen heißt und uns zuspricht: Dein Glaube hat dir geholfen!, dann werden wir es wissen: Es ist allein das Vertrauen zu IHM, das unserem Leben Sinn, Mitte und Ziel geben kann. Hier und ewig. AMEN