Predigt zum 2. Sonntag nach Trinitatis - 21.6.2009 Textlesung: Lk. 14, 15 - 24 Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit! Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft, und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird. Liebe Gemeinde! So ein paar Dinge muss man einfach wissen, um das Gleichnis vom großen Abendmahl richtig zu verstehen: Das Mahl am frühen Abend war in Israel die wichtigste, die Hauptmahlzeit des Tages. Passend dazu stellte man sich das Reich Gottes vor wie solch ein Abendmahl - mit opulenten Spei- sen, vornehmen Gästen und guten Tischgesprächen. Der Gastgeber, Gott, hatte seine Leute schon lange eingeladen. Schon seit der Zeit des Mose und der Propheten galt Israel ja als sein auserwähl- tes Volk. Keiner hätte da an fremde Gäste gedacht. Wenn der Gastgeber hier noch einmal seinen Knecht aussendet, um die schon längst Geladenen noch einmal an das Festmahl zu erinnern, dann ist das ein Zeichen ganz besonderer Wertschätzung und Hochachtung! Das machte man nur, wenn man auf gerade diese Gäste nicht verzichten wollte. Vor diesem Hintergrund begreifen wir, welche ungeheuerliche Frechheit und Missachtung des Herrn das darstellt, wenn die geladenen Gäste jetzt nicht kommen wollen und sich mit fadenschei- nigen Gründen entschuldigen. (Der dritte, der Mann, der die Frau genommen hat, findet es dabei nicht einmal mehr für nötig, dem Knecht eine Entschuldigung für seinen Herrn mitzugeben!) Es führt uns nun sicher nicht weiter, wenn wir die damaligen Gäste ins Auge fassen, ihrem Verhal- ten nachdenken und den Gründen für ihre Absage nachspüren. Wir müssen uns auch gar nicht län- ger in der Vergangenheit aufhalten, denn auch wir sind zu Gottes Fest eingeladen! Und auch bei uns gibt es genügend Menschen, die seinen Ruf schon lange gehört haben und doch nicht kommen wollen, wenn das Fest beginnt. Aber auch hier muss man etwas erklären: Wir Christen sprechen nicht von einem „großen Abend- mahl“ bei Gott, unsere Vorstellungen sind anders, wir drücken uns da eher so aus: Wir gehen ein- mal in die Ewigkeit, in die Nähe Gottes, in die Herrlichkeit eines ewigen Lebens ... Jedenfalls ist das, was wir erwarten und erhoffen ein wunderbarer Zustand, der mit unseren Worten kaum zu be- schreiben ist: „Kein Aug hat je gespürt, kein Ohr hat mehr gehört, solche Freude!“ (EG 147,3) Wir sind durch Jesus Christus eingeladen zu diesem herrlichen Leben. Und mehr noch: Er hat uns nach unserem Glauben sozusagen die Gästekarte für Gottes ewiges Fest verdient. In der Taufe schon hat er sie uns überreicht. In der Konfirmation haben wir selbst zugesagt, dass wir zum Fest kommen wollen. Eines aber haben auch wir - wie die Juden, an die sich damals das Gleichnis wendet - gründlich missverstanden: Wir denken gern, dieses neue Leben, dieses Fest oder bei den Juden die- ses große Abendmahl fände nach unserem Tod in einer fernen Zukunft statt. Aber so ist es nicht! Dass die Gleichnishörer damals und wir heute das begreifen, sendet der Herr noch einmal - mitten im Leben! - seinen Knecht, dass er die Einladung erneuert. Keiner soll sagen können, das habe ich doch nicht gewusst, dass dieses Abendmahl, das neue Leben schon jetzt und hier anfängt! Aber alle sagen ab, entschuldigen sich - damals (wir haben es im Gleichnis gehört) wie heute (wir können es in unseren Tagen hören). Aber wer ist heute dieser „Knecht“, der an die Einladung erinnert? - Das kann jeder Mitmensch sein, der uns auf die Sache Gottes anspricht und uns wieder ins Gedächtnis ruft, dass wir Christen heißen, dass unser Leben mehr ist als Schlafen und Wachen, Arbeiten und Ruhen, Essen und Trin- ken und die Jahre mehr oder weniger gut herumbringen. Der Knecht kann auch ein Wort sein, das wir in unserem Losungsbuch lesen, eine Spruchkarte, die uns die Pfarrerin zum Geburtstag mitb- ringt, eine Predigt, die uns im Innersten erreicht. Immer soll es uns klar werden: Gottes Anspruch auf unser Leben beginnt hier. Seine Einladung, ein Leben unter seinem Wort und Willen zu führen, beginnt heute. Die Ewigkeit, der herrliche Zustand, die Geborgenheit in den Armen des Vaters, der Himmel, wie wir oft auch sagen, beginnt hier und heute! Aber - machen wir uns da einmal selbst nichts vor! - wir reagieren oft wie die Geladenen im Gleichnis: Wir suchen Ausflüchte, wir haben gute Gründe, nicht zu kommen, wir entschuldigen uns ... Es ist wohl nicht der Acker, das Gespann Ochsen oder die Eheschließung, die wir vorschützen. Bei uns hört sich das vielleicht so an oder es ist auch nur unausgesprochen so in unseren Köpfen: Ich habe derzeit einfach zu viel zu tun! Ich bemühe mich ja schließlich, zu jedermann freundlich zu sein. Meine Kinder sind getauft und konfirmiert, das ist doch das wichtigste! Mehr als einmal im Monat schaffe ich es einfach nicht in die Kirche. - Und was wir sonst alles noch so sagen und den- ken. Liebe Gemeinde, es ist dieses grundsätzliche Missverständnis, mit dem wir bei uns aufräumen soll- ten: Als wäre die Sache Gottes nur eine Vorbereitung für das Jenseits. Sie ist nicht erst dran, wenn wir uns langsam auf den Abschied von dieser Welt vorbereiten müssen. Jesus Christus ist nicht für uns ans Kreuz gegangen, dass wir am Ende beim letzten Stündlein keine Angst haben müssen. Die Sache Gottes will unser ganzes Leben gestalten, will uns in den Dienst nehmen und dabei die tiefe Freude schenken, dass dieses Leben einen Sinn hat, wichtig ist und nicht umsonst gelebt. Jesus Christus ist für uns gestorben, damit wir täglich neu mit ihm auferstehen dürfen zu einem Tag, an dem wir den Menschen von ihm erzählen können, ihnen bezeugen können, dass er uns Vergebung und Geborgenheit schenkt und wir mit ihnen gemeinsam eine Gemeinde und Gemeinschaft bauen, die keinen allein lässt, sondern alle mitnimmt zu ihm. Selbstverständlich müssen wir nun auch die Folgen bedenken, die es im Gleichnis hat, dass die Ge- ladenen so frech ihre Teilnahme am großen Abendmahl absagen. Darum wollen wir jetzt auch das in unsere Zeit übertragen: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. So entspricht das nicht mehr unserem Sprach- gebrauch und der Knecht heute muss die Gäste des Festes auch nicht auf den Straßen und Gassen suchen. Sagen wir es so: Wenn die Abendmahlsgäste die Einladung so brüsk zurückweisen, dann wird Gottes Ruf doch ganz gewiss von anderen gehört! Ist es nicht wirklich so, dass wir die Bot- schaft von der Liebe Gottes, von seiner Vergebung um Christi willen, von seiner Güte, die uns an jedem Morgen einen neuen Anfang schenkt und von seiner Verheißung eines ewigen Lebens oft gar nicht mehr angemessen würdigen? Das hat man doch alles schon so oft gehört: Gewiss vergibt Gott unsere Sünden. Und gewiss ist er wie ein Vater zu seinen Menschen, die er alle gleich liebt. Selbst- verständlich wissen wir auch, dass dieses Leben nicht alles ist, sondern einmal aufgeht in einem neuen ewigen Leben in Gottes Nähe. - Aber was bedeutet uns das - im Alltag dieser Welt? Wie stark bestimmt uns das bei unserer Arbeit, im Umgang mit anderen Menschen in der Familie, der Gesellschaft und der Kirchengemeinde? Was würde uns fehlen, wenn wir es nicht wüssten? Da gibt es andere Menschen, die vom Schicksal gebeutelt sind, die an schweren Krankheiten lei- den, die lebenslange Behinderungen haben, die wenig Erfolg und wenig Ansehen genießen, die am Rande leben, mit denen niemand gern zu tun hat und die ehrlicherweise niemand liebt ... Wenn der Knecht nun zu denen ginge und wenn er ihr Ohr fände? - Keine Frage, dass sie ganz anders reagier- ten, dass sie - nach dem ersten Schock und wenn sie begriffen haben, dass der Knecht wirklich sie meint - nur zu gern zusagen würden und sich sogleich auf dem Weg machten zu diesem großen, großzügigen Herrn, der sie so freundlich einlädt, sie in seinem Haus haben will, sie bewirten will, umsonst, und ihnen glaubhaft zusagt: Ich habe euch lieb! Liebe Gemeinde! Ich glaube, es geht alles darum, dass wir uns das heute und immer wieder einmal klar machen und auf uns wirken lassen: Gott hat uns zu einem Leben mit ihm eingeladen. Dieses Leben beginnt heute und es wird in alle Ewigkeit reichen. Das ist eine so unglaubliche Auszeich- nung, ein so großes Geschenk ... Wir sollten diese Einladung nicht ausschlagen, sondern ihr noch heute folgen! AMEN