Predigt zum 1. Sonntag nach Trinitatis - 14.6.2009 Textlesung: Lk. 16, 19 - 31 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte, sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre. Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde be- graben. Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen. Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfan- gen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, und du wirst gepeinigt. Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüber will, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber. Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde. Liebe Gemeinde! Ich sage das ganz offen: Diese Geschichte, die da heute zu predigen „dran“ ist, kommt mir gerade zu dieser Zeit sehr recht! Aber keine Bange: Ich will jetzt nicht über die „Hölle“ sprechen, über die „Pein der Flammen“ oder über die Frage, ob es wirklich einmal eine solche Abrechnung gibt: Wer hier leiden musste, wird dort von Engeln in Abrahams Schoß getragen. Und wer hier „herrlich und in Freuden“ gelebt hat, kommt dort in den Feuersee und wird gequält. Das sind Bilder und Gedan- ken aus vorevangelischer Zeit. Da wissen wir seit Jesus Christus über diese Erde ging, etwas an- deres. Vor allem kennen wir die Güte Gottes, der eben nicht jedem das zuteilt, was er verdient hat, sondern der um seines Sohnes Willen selbst dem Sünder gnädig ist, wenn der ihn bittet. Nein, was mir „recht kommt“ ist das, was im letzten Vers der Geschichte von Abraham auf den Punkt gebracht wird: „Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ Sie müssen schon entschuldigen, aber es ist die auch in unseren Tagen so häufig zu beobachtende Sturheit der Menschen! Und im Hin- tergrund dieser Sturheit steht noch ein ganzes Bündel anderer Eigenschaften, die mir und sicher vielen von uns einfach unbegreiflich sind. Aber ich will da etwas konkreter werden. Nehmen wir erst einmal die Geschichte, die uns Lukas hier erzählt: Wenn wir einmal davon ausgehen, dass die Brüder des reichen Mannes wirklich auch einmal an den Ort der Qual kommen werden, wenn sie nicht ihr Leben ändern, dann ist das doch einfach nicht zu verstehen, dass sie sich nicht warnen ließen, selbst wenn ein Toter, Lazarus, zu ihnen ginge. Aber das ist ja noch nicht alles: Nicht einmal wenn einer „von den Toten auferstünde“ - und wer denkt da nicht an die Auferstehung unseres Herrn? - würden sie sich überzeugen lassen und sich zu einem anderen Leben bekehren. Wer sich so verhält, der hat gewiss ein starkes Selbstbewusstsein. Oder sagen wir besser: Der hat kein Gefühl dafür, dass er doch alles, was er besitzt, aus Gottes großzügiger Hand geschenkt bekommen hat. Wir müssen also einen gewaltigen Mangel an Selbsteinschätzung und Bescheidenheit feststellen. Aber noch etwas: Was hätten denn die Brüder des reichen Mannes im Sinn der Geschichte zu tun, um sich richtig zu verhalten? Sie müssten auf Mose und die Propheten hören! Und was sagen die? Sie erinnern die Reichen immer wieder an ihre Pflichten gegenüber den Armen, ein paar Beispiele dafür: „Wenn du Geld verleihst an einen aus meinem Volk, an einen Armen neben dir, so sollst du an ihm nicht wie ein Wucherer handeln; du sollst keinerlei Zinsen von ihm nehmen.“ (2.Mos. 22,24) „Es sollte überhaupt kein Armer unter euch sein; denn der HERR wird dich segnen in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, zum Erbe geben wird.“ (5.Mos. 15,4) „Höret dies, die ihr die Armen unterdrückt und die Elenden im Lande zugrunde richtet ... Niemals werde ich diese ihre Taten vergessen!“ (Am. 8,4+7) „Weh denen, die unrechte Gesetze machen, und den Schreibern, die unrechtes Urteil schreiben, um die Sache der Armen zu beugen und Gewalt zu üben am Recht der Elenden in meinem Volk.“ (Jes. 10,1f) Ist etwas davon denn zu viel verlangt? Ist es nicht im Gegenteil ein Leichtes, wenigstens so viel Mitgefühl mit den Armen zu haben, dass man sie nicht bedrückt, nicht mit Wucherzinsen in den Ruin treibt und ihnen hie und da aus seinem eigenen Reichtum etwas abgibt? So zu handeln würde doch schon genügen! Aber die Reichen der Lazarusgeschichte haben nicht so viel Mitgefühl! Sie bringen diese kleine Barmherzigkeit gegen die Armen ihres Volkes nicht auf. Und das selbst wenn ein Toter zu ihnen ginge und sie warnte! - Welch eine Sturheit! Aber sprechen wir über unsere Zeit und ihre Menschen. - Das ist inzwischen ja wohlfeil geworden, immer wieder auf den Managern herumzuhacken, die für eine Verantwortung, die sie dann nicht übernehmen, Millionen bekommen haben und nach totalem Versagen, das die Wirtschaftskrise nach sich gezogen hat, dann auch noch mit goldenem Handschlag und einer Abfindung nach Hause geschickt werden. Aber ich komme doch irgendwie nicht an diesen Leuten vorbei. Ich kann sie nicht freisprechen und verschonen, wenn ich daran denke, dass sie weder den oft Tausenden von Arbeitslosen, die ihnen den Verlust ihrer Arbeit „verdanken“, etwas von ihrem Reichtum abgeben, noch versuchen im System, das sie gierig ausgenutzt haben, etwas - auch materiell - wieder gut zu machen. Dabei gibt es noch einen gewaltigen Unterschied von heute zur biblischen Zeit: Die Rei- chen, von denen in der Lazaruserzählung die Rede ist, hatten sicher keine Jahresgehälter von 10 oder mehr Millionen! Es wäre heute also noch einfacher, wenn Reiche an einer Stelle, an der arme Menschen leiden, mit ihrem vielen Geld für ein wenig Linderung sorgten. Selbst wenn sie damit nur ein kleines Zeichen setzten, es würde doch unseren Glauben an die Betuchten wieder stärken! In diesem Zusammenhang muss eine Initiative der jüngsten Zeit angesprochen werden, sie heißt genau: „Initiative Vermögender für eine freiwillige Vermögensabgabe“. Ziel ist, dass alle, die ein Vermögen von über 500.000 € haben, über zwei Jahre 5 % dieses Vermögens für nachhaltige Inves- titionen abführen, für die gerade in der Wirtschaftskrise kein Geld mehr da ist: Also für den ökolo- gischen Umbau der Wirtschaft, für Personal in Bildungs-, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und ähnliches mehr. Ich finde, das ist eine gute Sache! Leider haben sich aber bisher nur 26 Wohl- habende bereit erklärt, diese Abgabe zu entrichten. Trotzdem: Es bleibt ein erster Schritt in die rich- tige Richtung. Das bringt mich nun auf Gedanken, die sicher vielen unter uns kommen, wenn sie sich einmal auf die Größenordnung des Eigentums und Vermögens heutiger Reicher einlassen: 5 % über zwei Jahre - das sind bei 500.000 genau 50.000 €! Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Menschen, die so viel auf dem Konto haben, in diesen zwei Jahren ja auch weiter etwas verdienen. Und mit Sicher- heit mehr als diese 50.000! Damit will ich diese Vermögensabgabe nicht als unzureichend abtun. Noch einmal: Sie ist gut und ein Anfang! Worauf ich hinaus will, ist dies: Es gibt in unserem Land etwa Vierhunderttausend, die mehr als eine Mio. € Vermögen haben! Und darunter wieder sind Menschen, die mehrere 100 Mio. oder gar einige Milliarden ihr Eigen nennen. Wenn ich an solche Reichen denke, die ihr Geld doch im ganzen Leben nicht ausgeben können, dann kann ich nur den Kopf schütteln und bin ohne jedes Verständnis für die Sturheit von Menschen, die so viel Gutes tun könnten und es doch meist nicht tun. Und den Einwurf, ich begänne hier wieder eine „Neidde- batte“, kann ich nicht gelten lassen. Denn ich will - und so geht es doch wohl jedem und jeder von uns - ich will gar nichts vom Geld der Reichen haben! Ich bin nicht neidisch auf sie. Ich wünschte mir nur, sie würden etwas freiwillig an die abgeben, die ohne eigenes Verschulden am Rande un- serer Gesellschaft stehen. Es ist auch bei uns halt eher wie in der Geschichte vom Scherflein der Witwe: Es sind meist die, deren Einkommen durchschnittlich bis schlecht ist, die mit anderen teilen können. Aber jetzt genug von den Reichen. Kommen wir zu uns. Ich gehe davon aus, wir tun so manches für unsere Mitmenschen. Auch in finanzieller Hinsicht. Wir geben für Brot für die Welt. Für die Kindernothilfe oder für das eine oder andere Projekt anderer Hilfseinrichtungen. Aber - da frage ich auch mich selbst - könnten wir nicht etwas mehr oder gar viel mehr tun? Manchmal ist das doch seit Jahren festgeschrieben bei uns. Soundsoviel geben wir für diesen Zweck. Inzwischen aber hat sich einiges verändert: Wir verdienen mehr als noch vor Jahren. Und die Not in vielen Bereichen ist größer geworden. Sollten wir da nicht auch bei unseren Spenden aufstocken? Ich will hier jetzt nicht mehr weiter „bohren“. Schon deshalb nicht, weil es noch viele andere Möglichkeiten gibt als die finanzielle Hilfe, etwas für andere Menschen zu tun. Das darf auch nicht in den Hintergrund geschoben werden, als wäre es ja eigentlich nichts. Ich möchte aber noch einmal daran erinnern, dass gerade wir Christen das klare Gebot der Nächstenliebe haben. Und Nächstenliebe umfasst auch und gerade das, was wir für arme Menschen tun sollen und können. Vergessen wir nicht: Wir hängen nicht an dieser Welt und ihren Sachen. Wir dürfen hinausblicken über diese Zeit und dieses Leben und uns an der Hoffnung auf ein Ewiges Leben freuen. Denn für uns ist einer „von den Toten auferstanden“, der heißt Jesus Christus. Wer ihn kennt, gewinnt ein anderes Verhältnis zu den Dingen dieser Welt, zu seinem Geld und allem, was er hier sein Hab und Gut nennen darf. AMEN