Predigt zum Sonntag „Judika“ - 29.3.2009 Textlesung: Mk. 10, 35 - 45 Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen: Meister, wir wol- len, dass du für uns tust, um was wir dich bitten werden. Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich ge- tauft werde? Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das steht mir nicht zu, euch zu geben, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist. Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes. Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so soll es unter euch nicht sein; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. Liebe Gemeinde! Wenn man diese 11Verse der Bibel gelesen und verstanden hat, dann fällt es leicht, die Menschen zu beurteilen! Wir kennen sie doch, die Machthaber der Welt, die in Saus und Braus leben, die ihre Geburtstage feiern wie Könige, während ihr Volk hungert, kein sauberes Wasser zu trinken, kein Dach über dem Kopf und keine medizinische Versorgung hat, dem tausendfachen Sterben überant- wortet. Wir könnten gleich einige von ihnen beim Namen nennen! - Wir kennen auch in unserem Land die Manager der Wirtschaft und die Politiker, die sich nur für sich und ihre Karriere interes- sieren, Gehälter einstreichen, die sie nun wirklich nicht verdient haben und die mit unsereiner nur etwas zu tun haben wollen, wenn es um unser Geld oder unsere Stimme geht. Und auch hier wüss- ten wir einige Namen. - Schließlich leben solche Menschen auch ganz in unserer Nähe: Sie tragen die Nase höher als andere, meinen sie wären etwas Besseres und schauen auf uns herab, weil wir’s nicht so weit gebracht haben, weil wir nicht so viel Ansehen besitzen wie sie oder nicht studiert ha- ben. - Und wieder müssen wir nicht lange nachdenken, um solche Menschen zu benennen. - Wie gesagt, ein Urteil über diese Menschen fiele uns nicht schwer. Aber fällt es uns genauso leicht, die Worte Jesu einmal auf uns selbst zu beziehen, einmal zu fragen, ob er nicht vielleicht auch uns damit meint, wenn er sagt: „Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an.“ Setzen wir uns den anderen gegenüber nicht auch gern aufs hohe Ross? Trifft meinen Nachbar nicht auch hin und wieder ein abschätziger Blick von mir? Erhebe ich mich nicht auch oft über „die Schwätzer, die doch keine Ahnung haben“ oder „die Jungen, die noch nicht trocken hinter den Ohren sind“? - Das ist doch etwas ganz anderes!, meinen Sie? Da gibt es doch schließlich Unterschiede: Wenn man die wirklich Großen ansieht, die alles bestimmen und ganz oben sitzen - und dann uns kleine Leute ... glauben Sie? Und ich gebe Ihnen Recht: Das ist wirklich ein Unterschied ... was das Maß angeht! Aber ich bestreite, dass es prinzipiell etwas anderes ist! Denn die Großen wie die Kleinen versagen dem Wort gegenüber, das Jesus hier anschließt: „... so soll es unter euch nicht sein; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“ Das Dienen mögen wir alle nicht! Sich klein zu machen, fällt jeder und jedem von uns schwer! Und wir geben alle lieber den Herrn als den Knecht! Sie kennen gewiss das Zeichen, das Jesus während des letzten Abendmahls mit seinen Jüngern ge- tan hat (es ist in diesem Jahr Predigttext am Gründonnerstag!): Er hat sich die Schürze umgebunden und hat seinen Jüngern die Füße gewaschen! Dieser Dienst war der allerniedrigste. Er wurde von rechtlosen Sklaven verrichtet. Hier tut ihn der Herr an denen, die seine Knechte sind, der Meister an seinen Schülern. Hinter dieses Zeichen können wir Christen nicht mehr zurück: Unser Dienst ist niemals nur so ein wenig süffisante Achtung des anderen. Wenn wir den Mitmenschen dienen, tun wir das nicht nur mit ein wenig milder Stimmung im Herzen oder ein paar Sonntagsgedanken im Kopf. Dienen ist wirklich ganze Hingabe, ohne Vorbehalte, ohne Unterschiede zu machen (Jesus hat auch seinem Verräter die Füße gewaschen!) und nicht nur zu einer Zeit, wo mir das passt, sondern immer! Und es geht dabei auch gar nicht um mich: Wie gütig ich doch bin oder wie klein ich mich machen kann! Und es wird auch nicht spekuliert: Wenn ich jetzt ihm diene, dann wird er gewiss auch mir gefällig sein. Wenn ich ihr so entgegenkomme, dann kann sie doch gar nicht anders, als auch ein paar Schritte auf mich zuzugehen. Das ist Berechnung. Mein Dienst soll ehrlich sein. Aus reinem Herzen und voller Überzeugung. Und wir haben ein Vorbild, dem wir folgen sollen: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“ Jesu Dienst hat ihn ans Kreuz gebracht. Er hat sein Leben für uns gegeben. Das ist nicht zu überbieten, wenn der Herr für die Knechte stirbt. - Sollen wir ihm etwa auch hierin folgen? Liebe Gemeinde, es ist wie so oft in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments: Wir sollen den Maßstab erkennen, um die rechte Richtung zu wissen! „Du sollst Gott lieben und deinen Näch- sten wie dich selbst!“ - Wem wird das immer gelingen? „Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist!“ - Wer kann auch nur über das durchschnittliche menschliche Maß hi- naus gelangen? Und doch bleiben diese Wegmarken bestehen. Denn wir sollen uns wenigstens be- mühen, dem so nah wie möglich zu kommen. Hören wir jetzt noch einmal die Bitte des Jakobus und des Johannes: „Meister, wir wollen, dass du für uns tust, um was wir dich bitten werden. Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Lin- ken in deiner Herrlichkeit.“ Nicht wahr, wir verstehen gut, wenn sich die anderen Jünger über die beiden aufregen?: „... als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes.“ Aber wir verstehen jetzt auch, wenn er mit den beiden nun auch die anderen 10 zu sich ruft und sie und uns (!) auf seine Art zurechtweist: „... die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so soll es unter euch nicht sein; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“ Wir hören nun weder von Jakobus und Johannes, noch von den anderen Jüngern, wie sie Jesu Wort aufgenommen haben. Ob sie ein wenig beschämt waren oder ob sie nun den Vorsatz fassen, sich zu bessern. Genauso wenig werden wir heute von einander erfahren, ob wir bereit sind, uns in der Nachfolge unseres Herrn in Zukunft mehr und ehrlicher um das rechte Dienen zu bemühen. Und das mag auch jede und jeder mit sich selbst und unserem Herrn ausmachen. Zwei Dinge aber müssen hier noch gesagt werden. Das erste ist dies: Unser Dienst im Sinne und nach dem Vorbild unseres Herrn kann immer nur darum geschehen, weil er uns zuerst gedient hat: „Denn ... der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“ Weil er uns im Dienst an den Menschen voran gegangen ist können wir ihm folgen. Wir können es auch so sagen: Es kann immer nur Dankbarkeit sein, wenn wir uns in seinen und der Menschen Dienst stellen - weil er uns im Dienen vorausging und er den Lohn seines Dienstes mit uns teilt: die Auf- erstehung und das Ewige Leben. Und das zweite ist dies: Zwar sind immer Mühen mit diesem Dienen verbunden, besonders am An- fang, wenn wir uns vielleicht erst einmal überwinden müssen. Aber es dauert nicht lang, dann ist uns der Dienst an unseren Nächsten so in Fleisch und Blut - oder besser ins Herz und die Seele - übergegangen, dass wir gar nicht mehr anders wollen und können. Dann beginnt der Dienst am Nächsten auch Freude zu machen: Wenn wir in den Augen eines anderen lesen, wie dankbar er uns ist. Wenn ein Mensch vor Glück strahlt, weil ihm durch uns widerfahren ist, was er niemals für möglich gehalten hat. Oder wenn einer Liebe und Aufmerksamkeit erfährt, der immer nur herum- gestoßen wurde. - Nein, unser Leben wird im Dienst an den Menschen keinesfalls weniger, sondern mehr. Wenn wir den Menschen wirklich dienen, dann verlieren wir nichts, sondern wir gewinnen. Und Freude macht es auch noch! AMEN