Predigt zum Sonntag „Okuli“ - 15.3.2009 Textlesung: Lk. 9, 57 - 63 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Je- sus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. Liebe Gemeinde! Will Jesus die Menschen, die ihm nachfolgen wollen, von ihrem Vorsatz abbringen? Fast sieht es hier doch so aus: Wer mit ihm gehen will, der hat wie er nicht, wo er sein Haupt hinlegen kann. Wer ihm folgen will, darf nicht einmal seinen Vater beerdigen, der tot zu Hause liegt. Und einem, der sein Nachfolger werden will, ist es nicht einmal erlaubt, von seinen Lieben Abschied zu nehmen. Warum diese unglaubliche Härte? Warum diese Bedingungen, die wohl kaum ein Mensch einhalten kann? Salopp könnte man jetzt sagen: Es wird auch bei Jesus nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird! Mit anderen Worten: Er meint das sicher nicht so, wie er es sagt. Und ich glaube, das stimmt - und es stimmt nicht! Um das zu erklären, denken wir einmal an andere Worte und Geschichten Jesu. Einmal sagt er: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Mt. 5,48) - Sagen Sie mir, wie das gehen soll! Wer kann denn sein wie Gott? Das kann Jesus nicht ernst gemeint haben! Ein anderes Mal erzählt er die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg, in der er von uns ver- langt, nicht „scheel zu sehen“ wenn er den Tagelöhnern, die nur eine Stunde gearbeitet haben, am Ende genauso viel Lohn ausbezahlt wie denen, die 12 Stunden schuften mussten. (Mt. 20,1-16) - Wer könnte von sich behaupten, dass ihm diese Geschichte und die „Gerechtigkeit“, die darin ver- mittelt wird, keine Schwierigkeiten macht? Oder denken wir an die Sache mit Zachäus: Jesus ruft diesen Zöllner, dem die Juden damals nicht einmal die Hand gegeben hätten, weil er durch Betrug zu seinem Reichtum gekommen ist, von sei- nem Baum herunter und sagt ihm: „Heute will ich in deinem Haus zu Gast sein!“ Dann setzt er sich mit diesem notorischen Sünder an den Tisch und isst mit ihm - was damals kein Mensch verstanden hat, geschweige denn getan hätte. (Lk. 19,1-10) - Verstehen wir heute, warum Jesus ausgerechnet mit diesem Betrüger zu tun haben wollte und warum er die anderen, die sich redlich um ein ge- setzmäßiges Leben bemühten, vor den Kopf gestoßen hat? Und ich könnte noch viele ähnliche Beispiele anführen. Die Evangelien sind voll davon! Immer wieder aber wird eines deutlich, wenn wir genau hinsehen: Die Geisteshaltung, das Denken und Tun, die Jesus in seinen Reden und Gleichnissen von uns verlangt, sind für uns oft unerreichbar. Wir können nicht so sein, wie er es von uns fordert! Und das weiß unser Herr! Deshalb sagte ich: Es stimmt, dass er, was er verlangt, eigentlich nicht so meint. Die andere Seite aber ist dies: Unser Maßstab ist allemal doch, „vollkommen zu sein wie Gott“ und seine Vorgabe für uns ist eben doch, nicht „schief zu schauen“ und es für ungerecht erklären, wenn Gott auch denen, die nur wenig für seine Sache getan haben, den vollen Lohn gewährt. Und nach seinem Maß ist auch ein Zachäus ein Mensch, ein Sünder wie wir, zu dem er seinen Sohn gesandt hat und für den dieser Sohn ans Kreuz gehen wird, um ihn zu retten. Darum habe ich gesagt: Jesus meint das sehr wohl ernst, was er uns heute sagt und was wir in dieser Predigt bedenken: Wer mit ihm gehen will, wird wie er nicht haben, wo er sein Haupt hinlegen kann. Wer ihm folgen will, darf nicht einmal seinen Vater beerdigen, der tot zu Hause liegt. Und einem, der sein Nachfolger werden will, ist es nicht einmal erlaubt, von seinen Lieben Abschied zu nehmen. - Auch wenn wir es nicht erfüllen können, so ist das doch der Maßstab, den unser Herr uns setzt. - Aber warum tut er das? Liebe Gemeinde, nein, nicht zur Abschreckung! Nicht um uns abzuwimmeln, dass wir nur ja nicht mit ihm gehen und seine Nachfolgerin, sein Nachfolger werden. Aber er schenkt uns reinen Wein ein. Auf seine Weise. Er macht uns deutlich, dass ein Leben in seiner Nähe kein Spaziergang ist, sondern immer wieder schmerzhafte und schwierige Entscheidungen verlangt. Und noch eines: Hinter ihm herzugehen, wird uns auch immer wieder in die Sünde führen oder besser: uns deutlich machen, dass wir Sünder sind. Denn das vergessen wir allzu leicht. Immer - nicht nur im Blick auf einen Zachäus - denken wir doch, dass wir gemessen an dem oder der eigentlich ganz in Ordnung sind. Vor dem Maßstab Gottes, den Jesus uns verkündigt hat, sieht das allemal anders aus. Nun könnten wir aber doch sagen: Wenn das so ein hoher Maßstab ist, mit dem Gott uns misst, wenn die Latte so hoch liegt und die Pforte so eng ist, dann wollen wir doch lieber unseren eigenen Weg gehen. So gern hören wir ja auch nicht, dass wir sündig sind. Und so viel ist uns auch nicht daran gelegen, immer wieder vor Augen gehalten zu bekommen, dass wir Gottes Erwartung nicht erfüllen und fern von dem sind, wie wir eigentlich sein müssten. Liebe Gemeinde, verständlich ist das schon, wenn wir so denken. Aber es ist zu kurz gedacht! Es ändert doch nichts daran, wie Gott uns sieht, auch wenn wir es nicht wahrnehmen wollen. Und es macht uns doch nicht besser, wenn wir die Ohren davor verschließen, wenn er uns Sünder nennt. Aber noch wichtiger, ewig wichtiger ist doch dies: Darum hat Gott uns seinen Sohn gesandt, dass er uns aus aller Sünde und Schuld herausholt! Mit seinem Urteil über uns, dass wir seinen Ansprüchen nicht genügen können, sagt er uns auch: Aber ich habe euch trotzdem lieb und will, dass ihr von meiner Güte lebt - hier in dieser Welt und einmal in der Ewigkeit! Und noch etwas vergessen wir auch immer wieder, wenn wir - wie jetzt - darüber nachdenken, warum Gott uns nur unter dieses Urteil stellt: Ihr seid Sünder! Wir vergessen die Freude, die damit verbunden ist, dass dieses Urteil uns eben nicht verdammt, sondern uns über das Kreuz Christi ei- nen Weg zu Gott öffnet. Und wenn wir genau hinhören, ist diese Freude auch in allen Worten und Gleichnissen Jesu enthalten. Auch in denen, die wir heute betrachtet haben: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ - Wir hören nur die Forderung und spüren unser Unvermögen, dass wir nicht so sein können ... Aber wir beachten gar nicht diese unglaubliche Sache, dass der große Gott, der Schöpfer aller Dinge „unser Vater“ ist! Und er bleibt das doch auch, wenn wir ganz und gar nicht vollkommen sind. Welche Freude! Und wenn wir „scheel sehen“ wenn Gott auch den Menschen ihren Lebensunterhalt schenkt, die nach unserer Meinung weniger für ihn tun und nicht so nah bei ihm sind, dann bemerken wir gar nicht mehr, wie froh das die Menschen macht, die er so gnädig und unverdient gütig behandelt. Außerdem denken wir nicht daran, wie schnell auch wir in die Lage kommen können, dass wir an Gott und dem Glauben irre werden und uns zurückziehen von ihm und untätig werden. Er wird uns aber auch dann noch mit allem Lebensnotwendigen versorgen und uns nicht fallen lassen! Welche Freude! Aber auch in der Geschichte vom Zöllner Zachäus ist die Freude zu finden, auch wenn sie vielleicht versteckt ist: Und da meine ich nicht einmal nur die Freude des Zöllners selbst, als Jesus ihn be- sucht. Ich glaube, Jesus mutet auch uns die Mitfreude zu, wie er das damals seinen Jüngern und den anderen Juden zugemutet hat. Auch hier - oder gerade hier! - wo wir uns mit einem Zachäus sicher nicht vergleichen lassen wollen, müssten wir aber auch das sehen: Wir sind auch Sünder und nicht besser als er - und doch hat Gott in Jesus Christus gerade solchen Menschen seine Liebe und seine Gemeinschaft geschenkt! Welche Freude! Und genau so können wir nun auch hinter Jesu Worten, die wir heute bedenken, ein ganzes Stück Freude entdecken: Zwar sagt er es ganz deutlich, dass seine Nachfolgerin, sein Nachfolger zu wer- den, schwer ist, weil uns manches abhalten will und der Weg mit ihm kein Zuckerlecken ist. Aber trotzdem werden wir Freude und Erfüllung darin finden, in seiner Spur zu bleiben und so zu leben, wie es unserem Glauben entspricht. Hören wir auf zu klügeln und zu rätseln, warum Gott gerade diesen Weg zu unserer Rettung ge- wählt hat. Warum er will, dass wir erkennen, dass wir Sünder sind und seinem Maßstab aus uns selbst niemals gerecht werden? Er hat uns Jesus Christus gesandt, dass er uns am Kreuz erlöst von aller Sünde und uns seiner Liebe gewiss macht. Nehmen wir wahr, wie viel Freude darin liegt, schon heute zu Gott zu gehören, sein Kind zu sein. Bleiben wir nicht stehen bei unserem Grübeln und unseren Fragen. Schauen wir nicht zurück, schauen wir nach vorn, dorthin wo unsere Erlösung und das Ziel unseres Lebens liegt, denn: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ AMEN