Predigt zum So. „Estomihi“ - 22.2.2009 Textlesung: Mk. 8, 31 - 38 Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen aufers- tehen. Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu we- hren. Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh weg von mir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s erhalten. Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln. Liebe Gemeinde! Nachdem ich die Verse aus dem Markusevangelium gelesen habe, wurde mir auf einmal sehr, sehr traurig zumute. Ich wusste erst gar nicht warum. Dann dachte ich, das wird daran liegen, dass Jesus hier von seinem bevorstehenden Leiden und Sterben spricht. Das ist ja - immer wieder neu - eine Sache, die uns Christen nahe gehen und bekümmern kann. Aber das war’s nicht! Beim zweiten Le- sen ging mir auf: Mich hatte traurig gemacht, wie klar und eindringlich die Aussagen Jesu in diesen Versen sind - und wie wenig sich doch die meisten Christen unserer Tage daran scheren. Kann man denn an solchen Worten vorbeigehen, ohne sein Leben zu ändern: „Wer sein Leben retten will, der wird es verlieren! Wer es verliert um meinetwillen und des Evangeliums willen, der wird es gewin- nen!“ Und wie viele Christen unserer Tage sind das wohl, die das angeht: „Wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen werde auch ich mich schämen, wenn meine Herrlichkeit kommt!“? Sie sind mir jetzt bitte nicht böse, wenn ich von „uns“ spreche. Aber „die da draußen“, die selten oder nie zum Gottesdienst kommen, die hören es ja sowieso nicht - es sei denn, Sie erzählen Ihnen nachher oder in der kommenden Woche von dieser Predigt! - Ist es nicht so: Wir sind zu 99 Prozent unserer Zeit damit beschäftigt, „unser Leben zu retten“. Und da ist ganz und gar nicht das „ewige Leben“ gemeint! Nein: Diese 60, 70 oder 80 Jahre, die wir hier haben, diese Spanne Leben zwi- schen Geburt und Tod, die fordert meist unsere ganze Kraft, der gilt unsere ganze Mühe. Ich glaube, Jesus hätte überhaupt nichts dagegen gehabt, wenn wir uns einen guten Beruf suchen, wenn wir uns einen Platz im Leben erarbeiten, wenn wir eine Familie gründen und versorgen wollen und wenn wir uns ein Dach über dem Kopf schaffen. Sicher hätte er auch verstanden, wenn wir bei der heutigen Härte der Arbeitsbedingungen einmal im Jahr Urlaub machen, wenn wir uns mit einer Lebensversicherung unser Alter absichern, wenn wir uns hie und da eine besondere Freude gönnen. Aber ich möchte bezweifeln, dass vor ihm bestehen könnte, wenn wir nicht ein gehöriges Maß an Zeit, Kraft und Geld auch für seine Sache aufwenden, und seine Sache, das ist die Gemeinde, seine Kirche, das Leben in der tätigen Nächstenliebe, das Teilen aller Güter und Gaben, die er uns schenkt. Ach, was muss ich das denn erklären!? Jeder von uns weiß es doch, was seine Sache ist ... wäre ... Ja, ich glaube das war es wohl, was mich traurig gemacht hat, als ich die Verse des heutigen Predigttextes gelesen habe: Da ist einer kurz davor für dich und mich zu sterben, ans Kreuz zu gehen, um für alles gerade zu stehen, was wir schuldig geblieben sind - und wir sind eifrig damit befasst, unsere 60 oder 80 Jahre möglichst kurzweilig zu gestalten, sorgenfrei zu verleben und luxuriös auszustatten. Und er sagt es uns auch noch ganz klar und unmissverständlich: Das wird zum Tod führen! Ihr werdet das Leben verlieren! - Wer kümmert sich darum? Wen rüttelt es auf? Wer nimmt das ernst? Und das hat schon auch mit dem „Schämen“ um Christi willen zu tun, über das Jesus ja auch spricht: Denn das müsste schon ein wenig Scham wecken, wenn wir es nicht fertigbringen, unser neues Haus angemessen groß zu bauen, oder das neue Auto zweckmäßig und bescheiden zu wählen und dazu dann noch zu sagen: Ich möchte das Geld, das ich spare, lieber denen zukommen lassen, die auf unserer Erde niemals satt werden können. Wer brächte so etwas fertig? Wer würde dazu stehen, um Christi - seines Herrn! - willen? Und einer solchen Handlungsweise ist doch auch noch das Leben verheißen! So retten wir uns und unser Leben - in Ewigkeit! Da fragt man sich schon: Warum geschieht unter uns nur so wenig von dem, was uns doch „Rettung“ verspricht? Glauben wir unserem Herrn nicht, wenn er sagt: „Wer sein Leben gewinnen will, der wird es verlieren!“ Kümmert uns das gar nicht? - Doch: Es ist schon traurig! Liebe Gemeinde, wenn es mir jetzt gelungen ist, Sie auch ein wenig traurig zu machen - vielleicht sogar über sich selbst! - dann sind wir alle zusammen jetzt vielleicht reif für die frohe Botschaft, die doch auch in diesen Versen steckt: „Wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird es retten!“ - „Wer sich meiner nicht schämt, dessen werde ich mich auch nicht schämen, wenn meine Herrschaft anbricht!“ Das heißt ja gar nicht nur: Leiste Verzicht, teile jeden Cent, denke immer an deine darbenden Schwestern und Brüder, sieh zu, dass du nicht zu große Sprünge machst, diene, helfe, leide, kasteie dich ... Nein! Das hat ja auch eine Verheißung! Und die betrifft wieder nicht nur das ewige Leben, sondern das, an dessen Anfang, Mitte oder Ende wir heute stehen. Diesem Leben zuerst ist Rettung verheißen! - Wie soll das gehen? - Das will ich mit einem praktischen Beispiel sagen: Da ist einer, der hat einem Mitmenschen mit einer bestimmten Tat der Nächstenliebe wirklich entscheidend und nachhaltig geholfen. Er hat eben nicht einmal schnell zur Geldbörse gegriffen und eine Münze oder einen klei- nen Schein hinübergereicht, sondern etwas getan, was ein bisschen mehr Zeit, mehr Phantasie und mehr Kraft gekostet hat: Er hat dem Nachbarn, als der krank war, das Mittagessen gekocht, oder ei- nen Mitbürger mit einem täglichen Besuch über eine seelisch belastende Zeit gebracht, oder einen anderen für immer in sein Haus aufgenommen, oder ... Sie dürfen noch an ganz andere - aber ähnli- che - Beispiele denken! Wer einmal versucht, sich in solche Taten an den Mitmenschen hineinzu- denken, der merkt es: Das bleibt doch nicht bloß bei der Überwindung, bei der Last, bei der Be- schwerde, die mit dieser Handlungsweise verbunden sein mag. Das schenkt doch auch Freude, viel mehr Freude, als es Kraft oder Geld kostet! Da kommt soviel zurück für das bisschen Einsatz, den ich gebracht habe. Und da liegt soviel Erfahrung von echtem Lebenssinn darin - man weiß hernach gar nicht, wie man früher - als Mensch, der nur um sich selbst kreiste - überhaupt hat leben können! Und - es klingt fast ein wenig verrückt! - du begreifst auf einmal dieses Wort gar nicht mehr richtig: „Wer sein Leben verliert ...“ Du fragst dich, wo ist denn das ein Verlust, wenn du dein Leben für andere führst, einsetzt, fruchtbar machst, wo verlierst du denn irgendetwas, was dir nicht vielfach - schon in diesem Leben! - vergolten würde?! Nein, die anderen verlieren, die immer nur festhalten, sammeln, mehren und raffen können. Sie verlieren ein Leben, das Freude macht, sinnvoll ist, Wert hat und die Verheißung Jesu. Und sie verlieren sich selbst dabei, denn wenn ich mein Herz an die Welt, den Kram und das Vergnügen hänge, werde ich am Ende mit leeren Händen dastehen: Die Weltsachen kann ich nicht mitnehmen, wenn ich dahinmuss! Kein Lächeln auf dem Gesicht meines Nächsten aber wird je verloren gehen, keine - nicht die kleinste Tat der Liebe, nichts, was ich geteilt oder wo ich mich selbst verschenkt habe. Das wird zählen. Damit gewinne ich dieses - und einmal das ewige Leben! Aber eben nicht wie ein fronender Knecht, der bei allem, was er tut nach dem ewigen Lohn schielt! Es ist ja vielmehr umgekehrt: Dieser ewige Lohn ist uns ja schon verdient! Dieser Jesus, der hier noch vor seinem Leiden steht, ist schon für dich und mich gestorben. Er hat schon alles vollbracht. Der Tod ist für uns kein Ende mehr, sondern der Anfang! Wer wird denn jetzt nicht dankbar, freudig und gern zurück- und weitergeben, was ihm geschenkt ist? Wer wird denn jetzt noch so leben, dass sich Jesus seiner schämen muss? Wenn es doch auch noch solche Freude macht! „Wer mir nachfolgen will, sagt Jesus, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s erhalten.“ AMEN