Predigt am 2. Weihnachtstag - 26.12.2008 Textlesung: Jh. 1,1-5 (6-8) 9-14 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im An- fang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen. Es war ein Mensch, von Gott ge- sandt, der hieß Johannes. Der kam zum Zeugnis, um von dem Licht zu zeugen, damit sie alle durch ihn glaubten. Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht. Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller. Liebe Gemeinde! Diese so bekannten und auch so schönen Worte kommen doch irgendwie so fremd und unnahbar daher. Fast zweifelt man daran, wenn man sie liest oder hört, dass sie wirklich uns meinen, dass sie uns ansprechen sollen und uns persönlich betreffen. Das liegt sicher daran, dass diese Worte von derart großen Dingen sprechen: Vom Anfang, also der Schöpfung. Vom Wort, das alles ins Leben gerufen hat und vom Fleisch, in das dieses Wort ein- geht. Vom Licht, das die Finsternis erhellt und schließlich wird noch von dem gesprochen, der das Licht der Welt geworden ist: Jesus Christus, auch wenn sein Name nicht genannt wird. Und immer wieder spüren wir in diesen großen Worten diese Spannung: Das Wort schafft die Welt, das Licht geht ein in die Welt, aber die Finsternis will es gar nicht haben. Jesus Christus war in der Welt, aber die Welt erkannte ihn nicht. Der, dem alles gehört, kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. - Da fragt man sich schon: Ja, ist denn alles, was Gott für und in seiner Welt tut, vergebliche Liebesmühe gewesen? Aber wenigstens am Ende dieser gewaltigen und doch auch so ernsten Worte sehen wir einen Hoff- nungsschimmer: Einige nehmen das Licht auf! Und sie bekommen die Macht, Gottes Kinder zu werden! Einige glauben doch an SEINEN Namen und sie zeigen damit, dass sie nicht aus der Welt, sondern aus Gott geboren sind. Und bei einigen kann das Wort doch Fleisch werden und findet eine Wohnung - diese Menschen sehen die Herrlichkeit Gottes in Jesus Christus als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Aber was sagen uns nun diese großen, gewaltigen, ernsten Worte - persönlich? Haben sie eine gute oder eine eher schlechte Botschaft für uns? Mir ist es mit diesen Versen immer wieder so gegangen, dass sie mich mit ihrer schönen, feierlichen Sprache zunächst sehr angesprochen haben. Dann aber fand ich sie immer auch bedrückend und negativ. Heute - nach dem vielleicht hundertsten oder gar zweihundertsten Lesen - ist mir aber noch etwas anderes an ihnen aufgegangen: Da wird uns in diesen Versen doch auch ein so wunderbares Angebot gemacht: Das Wort gilt uns! Das Licht will unser Leben erhellen! Das Fleisch möchte bei uns Wohnung nehmen und wir sollen die Herrlichkeit Gottes in Jesus Christus schauen! Die Gnade und Wahrheit Gottes sucht uns und will bei uns bleiben! Da mögen viele sich ja gegen das Wort, das Licht und den Herrn Jesus Christus sperren und ver- schließen. Aber es bleibt doch dabei: Wir können uns öffnen, wir können das Licht aufnehmen und das fleischgewordene Wort bei uns wohnen lassen! Da wird auf einmal, was erst so ernst und deprimierend war, eine ganz schöne und wirklich froh machende Sache: Ja, nicht alle wollen mit dem Wort, dem Licht, dem Herrn Jesus Christus etwas zu tun haben und ja, wir können daran nichts ändern und warum das so ist, bleibt das Geheimnis Gottes ... Aber wir wollen dem Wort, dem Licht, dem Herrn unser Herz aufschließen! Und wie geht das? - Mir ist dazu nichts anderes eingefallen, als diesem großen ernsten Text entlang zu gehen. Da lesen wir ja nicht wenig davon, wie das geht und was wir tun können: Zuerst sind meine Gedanken hier hängen geblieben: „... das Licht scheint in der Finsternis ...“ Das müssen wir sicher alle bekennen, dass wir - zumal in dieser Zeit - meist nur das Dunkel sehen, nur das Beängstigende, nur schlechte Aussichten und nur böse Erwartungen haben. Die Zukunft ist eher trübe und hoffnungslos, meinen wir. Es geht abwärts: wirtschaftlich, beruflich und wohl auch persönlich. Da hat das Licht bei uns kaum Chancen! Wir schauen einfach nicht hin auf die schönen Dinge, die uns doch auch an unseren Lebensweg gestellt sind. Die freundliche Geste, die uns einer tut, das gute Wort, das uns eine gibt, die Aufmerksamkeit, die der Nachbar oder Kollege uns er- weist ... Alles geht unter in dieser Sicht, die nichts Helles mehr wahrnehmen kann, weil sich unsere Augen an der Finsternis geradezu festgesehen haben. Aber es gibt Licht im Dunkel! Es sind sogar einige Lichtpunkte, die wir tagtäglich wahrnehmen können ... könnten, wenn wie nur einmal den Blick heben und genauer hinschauen auf das, was uns vielleicht gar nicht mehr auffällt. Dann musste ich über dieses Wort nachdenken: „... und die Seinen nahmen ihn nicht auf ...“ Ob nicht auch wir unserem Herrn gegenüber oft genug abweisend sind und ihn gar nicht erkennen, wo er uns in unserem Alltag in der Gestalt eines anderen Menschen gegenübertritt? Wir wissen es doch: Alle Menschen tragen sein Antlitz! Und besonders die, deren Los hart ist und die schwach sind und uns brauchen! Wie oft haben wir allein in der letzten Woche gedacht: Schlimm, was die oder der im Augenblick durchmacht - aber persönlich haben wir uns nicht angesprochen gefühlt und dass vielleicht wir gefordert sind und helfen sollten, das haben wir nicht gedacht. Und wie oft sind wir in der vergangenen Woche mit Menschen in Kontakt gekommen, die uns vielleicht gern ein wenig von sich erzählt hätten, die einsam sind und niemanden haben, mit dem sie einmal reden können. Aber wie oft war da in uns dann der Gedanke, dass wir uns doch wirklich nicht um alle und jeden kümmern können. Und wenn wir dann vielleicht gedacht haben, dass es ehrlicherweise ja gar nicht alle und jeder gewesen ist, sondern ein, zwei oder drei Menschen in acht Tagen ... Dann hat uns das halt doch nicht dazu bringen können, den wenigen ein paar Minuten unserer Zeit zu schenken, ihnen einmal zuzuhören und ein wenig an ihrem Geschick teilzunehmen. Aber hören wir weiter, es geht um nicht weniger als das: „... Gottes Kinder zu werden ...“ Wäre das nicht wirklich wunderbar, sein Kind zu sein? Das hieße doch immer, noch in den schwersten Stun- den, ganz fest zu wissen, ich bin nicht allein! Der Vater ist bei mir. Es kann mir nichts geschehen. Selbst wenn ich ein paar dunkle Tage habe, es wird wieder hell, denn er ist das Licht! Und am Ende aller meiner Tage, da wird es dann ohnedies auf ewig hell sein! Ja, das muss es sein, dieses Gefühl der Geborgenheit und eines tiefen Friedens, das uns überkommt, wenn das wahr wird, was wir hier lesen: „... er wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit ...“ Können wir uns etwas schöneres vorstellen als das: Unser Herr und Gott wohnt mit uns Tür an Tür - schon in dieser Welt? Er ist sozusagen im in Rufweite und wir dürfen sicher sein, er sieht alles, was uns zustößt, was uns Angst macht, was uns hart auf der Schulter liegt und auch das, was uns wirklich zu schwer ist, als dass wir es tragen könnten. Und das bleibt dann nicht so. Wir können uns ja im Gebet an ihn wenden. Er achtet auf uns und hört, was wir ihm sagen und unsere Bitten will er uns erfüllen, wenn es uns wirklich dient. Wir kriegen seine Hilfe. Wir werden spüren, dass es uns auch wieder leichter wird. Es kommt immer auch wieder ein anderer, besserer Tag! Und alles mündet hinein in eine Beziehung von uns zu unserem Gott, die wir mit dem Evangelisten Johannes „Gnade und Wahrheit“ nennen wollen. Gnade, die uns an jedem Tag in dieser Welt erfüllt, Gnade, die uns ganz sicher macht, dass unser Leben einen Sinn hat, geradeso, wie es halt verläuft und uns von Gott bestimmt ist. Gnade, die wir empfinden, so dass wir uns keine Sorgen mehr machen, was auch immer kommt und wie unser Weg auch weitergehen wird. Und dann haben wir die tiefste Wahrheit des Lebens begriffen: Dass Gott, wenn auch auf geheim- nisvolle Weise, doch alles in seiner Hand hält: Die Welt, das Leben, die Zeit, die Vergangenheit und die Zukunft - und noch dazu die Ewigkeit. Dann wissen wir auch, wohin uns diese großen, ernsten Worte, die wir bei Johannes lesen, heute hinführen wollten - ganz persönlich. AMEN