Predigt am Heiligen Abend: „Weihnachtsgeheimnis“ - 24.12.2008 (Die Predigt (für eine besinnliche Christvesper oder -mette) kann auf zwei SprecherInnen (in der Predigt 1 oder 2) verteilt werden. Am Eingang des GD schreibt jeder Besucher seinen Namen (viel- leicht mit Straße und Hausnummer) auf einen der bereitgehaltenen Zettel. Die Zettel werden ge- sammelt und beim Orgelvorspiel in die vor dem Altar aufgestellte - sonst leere - Krippe gelegt.) Textlesung: Lk. 2,1-14 (15-20) 1) Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Stat- thalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Liebe Gemeinde in der Heiligen Nacht! 2) Jedes Jahr entdeckt man an dieser wunderbaren Geschichte neue, bedenkenswerte Züge. So ging es mir auch in diesen Tagen beim Lesen der Weihnachtsbotschaft. Mir ist aufgefallen, dass die Worte des Engels an die Hirten doch eigentlich wenig Anreiz bieten, sich auf den - vielleicht langen - Fußmarsch nach Bethlehem zu machen. Stellen sie sich vor, uns sagte jemand, irgendeine un- bekannte Frau hätte in irgend einem Stall ein Bettelkind zur Welt gebracht. Was könnte uns dazu bringen, uns nun zu diesem Stall aufzumachen? - Und wir könnten sogar mit dem Auto dorthin fa- hren! Wirklich, das ist schon erstaunlich, zumal die Hirten doch offenbar voller Furcht waren! Ich glaube nicht, dass die Hirten nur die Neugier dazu getrieben hat, sich in Bewegung zu setzen. Nein, das hat wohl mit diesen Worten zu tun: „...ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“ Die Hirten haben etwas verstanden an diesem Zeichen: Da ist einer in die Welt gekommen, der ist wie wir. Dieses Kind ist nicht reicher, nicht vornehmer und nicht mächtiger als wir. Und es ist ihnen aufgegangen: Wenn das Gottes Kind ist, und so hatte es der En- gel verkündigt, dann haben wir arme Leute, wir Hungerleider, wir Elenden und Ausgestoßenen ei- nen, der für uns ist. Der große Gott will mit uns zu tun haben! Gott wird wie wir! - Was für ein Wunder! 1) Und ist das nicht eigentlich auch der Grund, warum wir uns heute abend auf den Weg in unsere Kirche gemacht haben? Weil wir doch auch - nach 2000 Jahren immer noch! - das an dieser Ge- schichte begreifen: Es ist ein Wunder, dass Gott uns so nah kommt. Es ist eigentlich ganz unglaub- lich, dass der große Gott seinen Himmel verlässt und so tief hinabsteigt, dass er uns Menschen gleich wird, ja sogar die Gestalt eines der ärmsten Menschen auf Erden annimmt. Vielleicht hätte Gott heute das Los eines Slumbewohners von Bogota oder Rio gewählt, oder er wäre als Sohn einer Obdachlosen von Berlin geboren worden? Jedenfalls kann uns dieses Wunder auch heute noch anrühren, zum Staunen bringen und eben dazu, uns zum „Stall“ aufzumachen - wie schon die Hirten damals. Was mögen die Hirten in jener Nacht mitgenommen haben nach Bethlehem? Ganz gewiss - wenn wir auch nichts davon hören - werden sie dem Kind doch irgendetwas geschenkt haben. Sind wir nicht immer ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass nicht die Könige allein ihre Gaben bringen, sondern auch die Hirten und die anderen armen Leute, die zur Krippe gehen? Sie haben es doch schon von dem Engel gewusst, dass dieses Kind noch ärmer war als sie. - Hören wir einmal auf eine Geschichte, die uns davon erzählt, was die Hirten dem Kind gebracht haben: 2) Als es damals auf dem Feld bei den Hürden wieder tiefschwarze Nacht geworden war, als die Worte des Engels verklungen und die Beklommenheit der Herzen sich langsam wieder gelegt hatte und die Hirten wieder unter sich waren, da sprach zuerst ein ganz alter Hirte zu seinen Gefährten: „Wir wollen nach Bethlehem gehen! Und ich weiß auch, was ich dem Kind mitnehme. Sicher hat es ein Schaffell nötig, dass es warm hat in der kalten Nacht!“ Und ein anderer, ein junger, hat gemeint: „Und ich will ihm den hölzernen Vogel schenken, den ich gestern aus dem Ast eines Ölbaums geschnitzt habe. Vielleicht kann der Kleine schon bald damit spielen?“ Und ein dritter hat vielleicht an die Eltern gedacht, die Mutter, die nach der Geburt doch sicher etwas Gutes zu essen nötig hatte, und hat einen Krug mit Milch eingepackt und ein Stück Butter. Und dann sind sie losgezogen. Und ganz gewiss sind ihre Gaben gut aufgenommen worden und haben Freude geschenkt und Dankbarkeit. 1) Was haben wir heute abend an die Krippe mitgebracht, liebe Gemeinde? Ganz gewiss ein großes Stück Liebe, die wir dem Kind schenken wollen. Sicher auch ein paar gute Vorsätze. Und viel Be- reitschaft, zu geben, zu teilen, anderen Freude zu machen. Unsere Herzen sind weiter heute abend, offener, und unsere Augen sehen und unsere Ohren hören gewiss auch besser als sonst, was andere brauchen und sich vielleicht von uns wünschen. Nur: Wie sieht das nun wirklich praktisch aus? Wo geht es nach Bethlehem? Wo steht die Krippe? Wo liegt das „Kind“, das wir beschenken könnten? Da hatten es die Hirten damals doch besser, einfacher, denken wir. Das Schafffell, der hölzerne Vogel, die Milch und das Stück Butter - das ist alles sicher gut angekommen und hat Freude berei- tet. Aber was machen wir mit unserer Liebe, unserem guten Willen zu teilen und andere froh zu machen? Hören wir, wie die Hirtengeschichte weitergeht - ja, sie war noch gar nicht zu Ende: 2) Einer aus der Schar der Hirten, nennen wir ihn Simon, war nämlich erst noch zurückgeblieben. Er wusste einfach nicht, was er dem Kind mitbringen sollte. Er war besonders arm und besaß nicht viel mehr, als er auf dem Leib und in seiner Tasche am Gürtel trug. Eine ganze Weile überlegte er in jener Nacht, aber es fiel ihm nichts ein. Endlich - da graute schon der Morgen im Osten - kam ihm doch noch etwas in den Sinn, das wollte er dem Kind bringen. Es war seine Dankbarkeit! Simon hatte nämlich bei all seiner Armut erkannt, dass er doch gesund war, dass er Hände zum Zupacken hatte und Füße, denen kein Weg zu weit und keine Straße zu steinig war. Und er war zufrieden mit seinem Leben, trotzdem er nur die paar Habseligkeiten hatte. Und das schien ihm gar nicht wenig. So machte er sich also auf, dem Kind seinen Dank zu bringen. Als er auf halbem Wege war, kamen ihm die anderen Hirten entgegen. Ihre Augen waren noch voll Glanz und sie erzählten ihm, was sie gesehen und erlebt hatten. Als er dann kurz nach Sonnenaufgang selbst den Stall erreichte, da war die Krippe leer, denn die Eltern waren mit dem Kind unterwegs nach Ägypten, um ihren Sohn vor den Soldaten des Herodes in Sicherheit zu bringen. 1) Liebe Gemeinde, ich glaube schon, dass auch wir - neben allem, was uns bedrückt und sorgt, was uns Not macht und die Zukunft verdunkelt - doch heute abend auch Dankbarkeit in unserem Herzen haben. Was machen wir mit unserem Dank, wenn wir ihn nicht mehr dem Kind zu Füßen legen können? Behalten wir ihn für uns? Nehmen wir ihn mit nach Haus? Soll er ohne Wirkung bleiben? Hören wir den Rest der Geschichte: 2) Simon ging zu der kleinen Futterkrippe und beugte sich darüber. Er berührte das Stroh und er meinte, noch eine kleine Wärme darin zu spüren. Lange stand er da, einerseits traurig, zu spät ge- kommen zu sein, andererseits aber spürte er immer deutlicher, was er tun konnte, tun sollte ... Wie in diesem Kind, von dem das Stroh noch warm war, Gott selbst sich den Menschen geschenkt hatte, so wollte auch er sich den Menschen seiner Umgebung schenken. So verließ er den Stall von Bethlehem und ging wieder zurück zu seiner Herde und seinen Gefährten. Im Herzen aber trug er einen Vorsatz, der ihm wie einen Auftrag war: Er wollte von heute an seinen Dank, seine Zufriedenheit, seine Freude über seine gesunden Glieder denen schenken, mit denen ihn das Schicksal verbunden hatte, die wie er dasselbe Leben führten und die doch oft nicht so gesund, nicht so zufrieden und nicht so stark und geschickt waren wie er. 1) Liebe Gemeinde in der Heiligen Nacht! Was kann uns hindern, es diesem Hirten gleich zu tun? Wir sind heute auch zu Jesu Krippe ge- kommen. Aber sie ist leer. Ihm können wir unseren Dank nicht darbringen. Aber denen, die mit uns leben, in unserem Dorf (in unserer Stadt), in unserer Gemeinde. Und da gibt es viele, die unsere Kraft brauchen, unsere Zufriedenheit, unsere Hände, Füße und Herzen. Und es gibt noch ganz an- dere Gaben, die uns geschenkt wurden und die wir dem Hirten damals voraus haben: Unsere ans- teckende Fröhlichkeit vielleicht, unsere Verlässlichkeit, unsere Fähigkeit, Worte zu finden, die trösten können oder solche, die andere mitreißen und begeistern - und schließlich haben die meisten von uns auch die Möglichkeit, anderen materiell zu helfen oder ihnen etwas zu schenken, was man anfassen kann. - Lassen sie uns einmal darüber nachdenken, was wir mit unseren besonderen Gaben für andere tun könnten. Lied: 37, 1-4 2) Wir wollen uns jetzt jede und jeder wenigstens einen Menschen nennen lassen, der uns braucht. Wir wollen nicht zweifeln daran, dass es die Frau, der Mann ist, dem wir mit dem, was wir haben und vermögen, wirklich nötig sind. Wir wollen es so verstehen, dass uns heute das Kind, von dem das Stroh noch warm ist, zu gerade diesem Menschen sendet. Aber wir wollen diesen Auftrag für uns behalten, denn er gilt nur uns ganz besonders. (Die beiden SprecherInnen gehen mit der Krippe die Bankreihen entlang. Alle Gottesdienstbesucher ziehen sich einen der Zettel aus der Krippe.) Während der Austeilung der Zettel spielt die Orgel. 1) Liebe Gemeinde, wenn wir nun den Namen dieses einen Menschen mit nach Hause nehmen, zu dem wir gesandt sind, dann wollen wir diesen Namen wirklich niemand anderem sagen, nicht ein- mal unseren liebsten Menschen. Wir wollen uns in der nächsten Zeit eine Freude, eine Hilfe oder eine Gabe für den Menschen ausdenken, dessen Namen wir heute abend aus der Krippe gezogen haben. Wir wollen diese Hilfe, Freude oder Gabe dann bis zum Ende des Februar kommenden Ja- hres an diesen Menschen verschenken. Aber wir wollen auch ihm nicht offenbaren, warum wir es getan haben, vielleicht ist unsere Tat an ihm ja auch eine, deren UrheberIn gar nicht bekannt werden muss!? Freude wird sie trotzdem machen! 2) Wir nehmen also von heute hier einen Auftrag mit und ein kleines Geheimnis, unser Weihnach- tsgeheimnis sozusagen. Aber wir wollen den Auftrag auch wirklich erfüllen! Dazu wünschen wir allen gute Gedanken und viel Phantasie! Da ja heute auch unser eigener Name mit einem anderen nach Hause geht, dürfen wir auch selbst gespannt sein, was uns wohl getan wird, wo wir eine Freude erleben oder eine hilfreiche Tat. Ganz besonders schön wäre es, wenn wir über den einen Menschen hinaus, dessen Namen heute mit uns geht, noch andere damit überraschen könnten, was wir an Dank, an Zufriedenheit, an Glück, guten Gaben und an Geschick und Kraft unserer Hände geschenkt bekommen haben. Wenigstens dem einen aber wollen wir uns wirklich in den nächsten Wochen auf irgendeine gute, hilfreiche Weise zuwenden! So könnte die Freude der Weihnacht noch weit hinter dem Fest Wir- klichkeit werden! (Lied: 10, 1-4)