Predigt zum 8. Sonntag n. Trinitatis - 21.7.2002 Textlesung: Röm. 6, 19-23 Ich muß menschlich davon reden um der Schwachheit eures Fleisches willen: Wie ihr eure Glieder hingegeben hattet an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit zu immer neuer Ungerechtig- keit, so gebt nun eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtigkeit, daß sie heilig werden. Denn als ihr Knechte der Sünde wart, da wart ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet ihr nun damals für Frucht? Solche, deren ihr euch jetzt schämt; denn das Ende dersel- ben ist der Tod. Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid, habt ihr darin eure Frucht, daß ihr heilig werdet; das Ende aber ist das ewige Leben. Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn. Liebe Gemeinde! Das will gar nicht so recht in diese schöne Sommerzeit passen: Schwachheit, Sünde, Tod... Viel zu ernst sind diese Gedanken, zu schwer und unangenehm! Da halten wir es lieber mit dem, von dem wir hier ja auch lesen: Frei werden, Gabe Gottes, Ewiges Leben... Aber wenn wir nur ein bißchen von diesen Worten des Paulus verstanden haben, dann ha- ben wir es gemerkt: Das gehört zusammen, das eine ist nicht ohne das andere zu haben, wo Freiheit ist, da ist immer auch Knechtschaft. Stärke wird nur der schätzen können, der auch die Schwachheit kennengelernt hat. Nur vor dem Hintergrund des Todes wird sich das Geschenk des ewigen Lebens richtig abheben. Aber es bleibt eine ernste, schwer verständliche Sprache, die Paulus spricht. Auch erfahren wir nicht viel über seine Zeit, die Menschen, an die er sich wendet: Ihr Denken, ihre Fragen und ihre Art zu leben. Und wenn wir davon wüßten - interessieren wir uns nicht viel mehr für unsere Zeit, unsere Sorgen und Probleme und dafür, was Paulus uns da hinein wohl ausrichten würde? Überhaupt: Was Paulus meint, müßte in unsere Tage, unsere Welt hinein übertragen werden. Dann erst könnten wir sagen, ob es Worte für uns sind, die uns bewegen können, weiterbringen, verändern... Ich habe mich an diese Übersetzungsarbeit gewagt. Und es ist ein Stück Mahnung daraus geworden, aber auch ein Stück Erbauung, wie ich hoffe, die uns schon ansprechen könnte. Diese kleine An- sprache würde Paulus uns heute vielleicht halten: Liebe Gemeinde hier in ...............! Zwar seid ihr alle gläubige Menschen, ihr nennt Jesus Christus euren Herrn und gehört zu ihm, trotzdem kennt auch ihr Stunden, in denen ihr das vergeßt und Tage, an denen man euch nichts davon ansieht! Wir wollen die Dinge beim Namen nennen: Ihr tut alle täglich was nicht zum Leben eines Christen, einer Christin paßt! Ihr sagt die Unwahrheit und folgt nur den eigenen Interessen. Und daraus entsteht immer wieder nur Unrecht, Unwahrheit und neue Eigensucht. Heute möchte ich euch einladen, einen Schlußstrich unter dieses Tun zu setzen. Von heute an sollt ihr nur noch dem Guten, der Wahrhaftigkeit, der Gemeinschaft und dem Wohl aller dienen und so werden, wie Gott es will und daß er Freude an euch hat. Denn es ist doch so: Als ihr noch nichts von Gott und dem Glauben wußtet, da konntet ihr auch noch nicht wissen, was Gott gefällt. Was hat es euch aber gebracht? Heute - als Menschen, die an Jesus Christus glauben, wißt ihr auch im tiefsten Grunde eures Herzens, daß es nicht gut und nicht angemessen war, das Böse zu tun, un- wahrhaftig zu sein und nur an sich selbst zu denken. Und vielleicht schämt ihr euch ja deswegen? Und auch das wißt ihr: Nicht nach Gottes Willen zu leben, führt in die Ferne von ihm und am Ende in den Tod. - Nun aber gehört ihr zu Jesus Christus und müßt nicht so denken, reden und handeln, daß ihr den Tod davontragt. Ihr seid freie Menschen und könnt durch euren Glauben so leben, daß Gott Gefallen daran hat; und dann werdet ihr am Ende das Leben bei Gott sehen. Es bleibt dabei, liebe Leute, fern von Gott wartet der Tod auf uns. Gott aber will uns ein ewiges Leben schenken, durch Christus Jesus, unseren Herrn. Liebe Gemeinde, so würde Paulus uns vielleicht ansprechen!? - Ist jetzt klarer geworden, was er meint und wie er meint, daß Gott uns haben möchte? Ein wenig sicher. Aber noch nicht ganz. Vor allem: Das war noch ein bißchen allgemein. Wir wüßten gern, was das konkret heißt, unwahrhaftig zu sein, Unrecht oder Böses zu tun. Und auch das möchten wir noch deutlicher hören: Wie es uns wirklich gelingen kann, frei zu werden von der Verstrickung in das "alte" Leben, dem man nicht an- sehen kann, daß wir an Jesus Christus glauben. Wo sind wir denn unwahrhaftig, tun Böses und Unrecht? Zuerst mußte ich da an unsere Zunge denken und wie leicht und wie schnell sie sich doch oft bewegt - noch lange bevor wir wirklich wissen und bestätigt ist, was sie verkündet. Sie haben es gewiß ver- standen, ich spreche hier unser leichtfertiges Reden an, wie gern wir Gerüchten aufsitzen und sie weiterverbreiten. Oft, ja meist noch aufgebauscht, dramatisiert, vergrößert und "bereichert" um einige Details... Da läuft der, den eine Mücke gestochen hat mit "Stichen am ganzen Körper" herum. Und die, der beim Kartoffelschälen das Messer den Finger geritzt hat, steht "kurz vor der Amputation des ganzen Arms". Bei solchen Nachrichten der örtlichen "Buschtrommeln" wird man allerdings spätestens dann, wenn man die betroffenen Menschen das nächste Mal zu Gesicht bekommt, (hoffentlich er- leichtert!) erkennen, daß alles doch nicht so schlimm war. Aber es gibt auch andere, wirklich üble Gerüchte, da ist die Entkräftung schwierig und der Gegenbeweis nur sehr schwer oder gar nicht anzutreten! Denken wir nur, einem Mann wird nachgesagt, er ginge fremd...nur weil er gesehen wurde, wie er eine alte Schulkameradin umarmt hat, der er nach 30 Jahren zum ersten Mal wieder begegnet ist. Oder malen wir uns aus, was daraus entstehen kann, wenn eine Frau, die in einem Geschäft (nach Rücksprache mit dem Ladenbesitzer, von der wir aber nichts wissen!) den Umtausch einer beschädigten Ware vornimmt und diese - die sie ja schon bezahlt hat! - aus dem Regal nimmt und in ihre Tasche steckt. Wenn wir Zeuge dieses Umtauschs werden, den wir nicht als solchen ver- stehen und hiervon anderen vorschnell weitererzählen wird, dann ist der Rufmord nicht mehr aufzu- halten! Und wie sollen alle, die nach einer Weile davon erfahren haben, nun darüber aufgeklärt wer- den, wie harmlos alles eigentlich war? Und dann: Ob sie's alle überhaupt erfahren wollen? Ein böses Gerücht hat ja auch immer etwas von einer willkommenen Sensation - und die kann man in seinem oft so langweiligen Alltag auch hin und wieder gut brauchen! Nun könnte man sagen: Ist so eine "üble Nachrede" auch in ihren Folgen oft schlimm und vielleicht sehr schmerzvoll für die Menschen, über die sie kommt, so kann man sie auf der anderen Seite doch vielleicht verzeihen, weil alle, die Gerüchten aufsitzen und sie verbreiten ja guten Glaubens sind, es wäre wirklich so, wie sie es weitersagen. Aber es gibt auch ganz massives Unrecht, das wir tun - da entschuldigt uns nichts und niemand mehr, außer wir selbst vielleicht: Wenn uns an der Kasse im Supermarkt zuviel rausgegeben wird - und wir merken den Fehler genau und stecken das Geld doch ein! Oder wenn der Zorn, den wir beim Chef verursacht haben, unseren Kollegen trifft - und wir schweigen dazu. Oder - auch das soll es geben - wenn wir bei der Versicherung bewußt falsche An- gaben machen - weil die doch "endlich auch einmal etwas ausspucken sollen", wo wir doch schon seit Jahrzehnten immer nur eingezahlt haben! Es ist schon so: Diese Dinge, solches Verhalten hat unter uns Christinnen und Christen keinen Raum! Das paßt nicht zu unserem Glauben an Jesus Christus. Wir geben damit ein schlechtes Bild von unserer guten Sache ab! Denn könnte nicht einer, der von außen auf uns Christen schaut, leicht - und mit einigem Recht - sagen: Dieser Jesus hat wohl auch schon Gerüchte verbreitet und nicht die Wahrheit. Und muß ein anderer nicht vielleicht zu der Meinung kommen: Der Herr dieser Christen scheint nichts gegen Unrecht und Unwahrhaftigkeit gehabt zu haben! - Sprechen wir es aus: Es kann unserem Herrn nicht gefallen, wenn wir nicht wie er die Wahrheit suchen, das Rechte tun, das Gute fördern und - wie Luther das ausgedrückt hat - alles zum Besten kehren. Daß uns dabei manchmal Fehler unterlaufen werden und wir immer wieder einmal erkennen werden, daß wir doch zu gut- gläubig waren, das ist auch klar. Aber das ist dann wirklich verzeihlich, denn wir haben uns ja ehrlich um das Richtige und Gute bemüht. Nun sagt uns Paulus am Ende seiner Ansprache noch: Ihr seid freie Menschen und könnt durch euren Glauben so leben, daß Gott Gefallen daran hat; und dann werdet ihr am Ende das Leben bei Gott sehen. Es bleibt dabei, liebe Leute, fern von Gott wartet der Tod auf uns. Und gewiß denken wir dabei gleich und vielleicht nur an das Ende der Welt, das Gericht, die ewige Verlorenheit oder das Leben bei Gott. Aber ich glaube, wir denken dabei ein paar Schritte zu weit... Denn ist das nicht schon hier und heute wirklich ein Stück Hölle, immer nur an sich selbst zu denken, jeglichem bösen Gerücht anzuhängen und es auch noch wider besseres Wissen zu verbreiten, für die Karriere moral- isch über Leichen zu gehen und die Mitmenschen an die Wand zu spielen. Weht uns da nicht wirk- lich der kalte Hauch des Todes an! Und sind wir dabei nicht wirklich unfrei, nur unseren niedrigsten Instinkten, unserem Begehren, unserer Habgier und Bosheit ausgeliefert... Und umgekehrt: Dient unsere Wahrhaftigkeit und unsere Mühe um das Rechte und Gute nicht auch dem Leben hier und heute! Es ist doch einfach richtig und es macht Freude, sich nach Kräften so zu verhalten, daß es die Wahrheit, die Gemeinschaft mit anderen, die Wohlfahrt und das Glück aller fördert. Da kommt soviel zu uns zurück, da entsteht zwischen uns so viel Leben und Lebendigkeit, Liebe und Vertrauen... Da kann uns schon in dieser Welt aufgehen, was das heißt, wenn uns am Ende nun wirklich noch dies hinzugefügt wird: Gott aber will uns ein ewiges Leben schenken, durch Christus Jesus, unseren Herrn.