Predigt am 2. Sonntag n. Trinitatis - 09.06.2002 Textlesung: 1. Kor. 9, 16 - 23 Denn daß ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muß es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte! Täte ich's aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich's aber nicht aus eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut. Was ist denn nun mein Lohn? Daß ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch mache. Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Ge- setz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden - obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwa- cher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben. Liebe Gemeinde! Einem Pfarrer wurde einmal von seinen Konfirmanden eine Frage gestellt: "Sagen sie, schreiben sie die Predigt für Sonntag immer selbst?" Erst dachte der Pfarrer, es ginge darum, ob er eine Sekretärin hätte, die ihm tippt, was er diktiert. Darum hat er geantwortet: "Gewiß schreibe ich die selbst, dafür habe ich doch niemand!" Aber die Konfirmanden meinten etwas anderes: "Denken sie sich das im- mer selbst aus?" Aha, jetzt hatte er begriffen. Die Frage war, ob er sich da vielleicht ein Buch aus dem Regal nimmt und dann eine schöne Ansprache heraussucht, oder ob er sich die Predigt sozusa- gen aus seinem Kopf und seinen eigenen Gedanken herausholt. Als der Pfarrer auch dazu ja sagen konnte, war das Erstaunen bei den jungen Leuten groß: "Ja, wie lange brauchen sie denn da", sagte eine. Und ein anderer: "Das könnte ich nie, jede Woche soviel schreiben!" An diese kleine Geschichte, von der ich neulich gehört habe, mußte ich denken, als ich das las: "Was ist also mein Lohn? Daß ich bei meiner Verkündigung das "Evangelium kostenfrei darbiete!" Warum predigen wir? "Weil ein Zwang auf uns liegt", wie Paulus das ausdrückt, weil wir gar nicht anders können, als die frohe Botschaft wieder und wieder unter die Leute bringen, Sonntag für Sonntag, stundenlang vorbereitet, zwei Seiten mit der Schreibmaschine, 15 oder 16 Minuten Predigt und jede ein Versuch, Menschen für die Sache Christi zu gewinnen. Aber so wie dem Pfarrer, von dem ich er- zählt habe, geht es den meisten, die predigen, liebe Konfirmanden, liebe Gemeinde: Das "Ausden- ken" und Schreiben einer Ansprache ist wirklich kein Problem, wenn man eine gute Botschaft zum Predigen hat - und wir haben die beste Botschaft, die es überhaupt gibt! - und wenn man eine Über- zeugung hat, die man gern weitersagen möchte (- und die darf ich auch haben!). Ich höre jetzt auf, von anderen zu reden und wende mich uns allen zu: Bedeutet das für sie eine Schwierigkeit von dem zu reden, woran sie glauben? - Sie müssen ja nicht gleich predigen! Mal vor- ausgesetzt, sie kennen den Inhalt der frohen Botschaft von Jesus Christus und sie sind überzeugt, er ist ihr Herr und Heiland - fällt ihnen das dann schwer, davon zu reden? Wenn es ihnen jetzt so geht wie dem Pfarrer, von dem ich erzählt habe, dann könnten sie antworten: Nein, das reden davon fiele mir leicht...schwierig ist nur das Wie... Wie macht man das, wie sage ich das etwa meinem kleinen Kind, wie einem Zweifler, wie einem erklärten Gegner des Christentums, wie einem Menschen mit eingefahrener Meinung und starren Ansichten über Gott und die Welt? Und ich glaube, da trifft sich jetzt ihr Problem mit dem aller Verkündiger des Evangeliums: Auch als Prediger auf der Kanzel hat man's ja beileibe nicht nur mit einer Sorte Christen zu tun. Schon im Gottesdienst (heute!) sitzen ja recht unterschiedliche Leute: Mit starkem Glauben einige, auf der Su- che andere, hin und wieder auch solche, die nichts von Gott wissen wollen und nur mal so reinge- schaut haben. Und genau solche Menschen treffen sie auch tagtäglich. Und denen möchten sie - und ich! - die gute Nachricht von diesem Herrn weitergeben, von Jesus, der für uns alle ans Kreuz ging und damit unse- re Sache mit Gott ins Reine gebracht hat. Wie spricht man davon vor den einen und den anderen? Wie wird man dem Zweifelnden gerecht und wie dem Spötter, so daß er's versteht, ins Nachdenken kommt und vielleicht auch zum Glauben findet? Noch einmal: Reden davon, müssen wir und können wir, wenn wir wirklich überzeugt sind - nur wie machen wir das? Es gibt Christen, die tun das auf sehr lehrhafte Weise. Viele Pfarrer und Pfarrerinnen sind darunter. Man gewinnt, wenn man sie predigen hört, leicht den Eindruck, der Glaube der Christen wäre eine ganz schwierige Angelegenheit, eine Wissenschaft, fast eine Sache nur für die Gebildeten. Das liegt an der Art, wie von Glaubensdingen gesprochen wird, welche Sprache einer verwendet und welche Begriffe. Wenn ich z.B. nur lang genug von der "Heilsbedeutung Christi", von seinem "Aufgefahren- sein in den Himmel" und der "theologischen Relevanz seiner Höllenfahrt" geredet habe, hat auch der letzte abgeschaltet und fragt sich: "Ist denn Christus nicht auch (und gerade) für die einfachen Men- schen gekommen?" Dann gibt es die anderen. Viel Gefühl liegt in den Worten, mit denen sie von Jesus reden: "Seelen- bräutigam" und "Sünderheiland" nennen sie ihn. Und sie sind sehr ergriffen von dem, an das sie glauben. Aber sie merken nicht, daß die Leute, denen sie von ihrem Herrn erzählen, einfach nicht mitkommen. Weil ihren Hörern entsprechende Erfahrungen fehlen, können sie nicht verstehen, daß wirklich Menschen von Jesus als dem "Bräutigam" sprechen. Sie kennen die Gefühle ja noch nicht, die ausgelöst werden, wenn einer Jesus seine Schuld bringt und bei ihm frei wird. Man muß sogar befürchten, daß sie's so nie kennenlernen, wie das ist, denn es kann suchende Menschen ganz schön abstoßen, wenn allzu überschwenglich, von Jesus gezeugt und geredet wird. Man fragt sich dann vielleicht: Wie verstockt und verworfen muß ich wohl sein, wenn die Begeisterung für Jesus bei mir einfach nicht zündet?! Schließlich gibt es noch die "Gesetzlichen", so möchte ich sie einmal nennen: Sie wissen den Weg zu Gott ganz genau: Er führt über das Halten der Gebote, das Beachten der Vorschriften der Bergpre- digt bis zur Anzahl des jährlichen Kirchgangs und der Teilnahme am Abendmahl. Von einer frohen Botschaft ist bei ihnen wenig zu hören: Daß Gott seine Menschen zuallererst unverdient rechtfertigt, liebt und annimmt, kommt bei ihnen nicht vor. Du mußt...du sollst...du brauchst..., so beginnt ihre Verkündigung. Die Botschaft von der Liebe Gottes, der seinen Sohn für die Sünder sterben läßt, wird zur Gesetzesreligion verkehrt. - Damit sie mich recht verstehen: All dieses Reden von Gott und seiner Sache hat auch seine Berechtigung! Die Frage ist nur, wann und vor allem: vor wem! Mir scheint, die so, so oder so reden, haben nur eine einzige Orientierung: Sich selbst. Weil halt mein Glaube so, so oder so ist und diese oder jene Erfahrung gemacht hat, deshalb spreche ich nun so, SO oder so von meinem Glauben, von meiner Beziehung zu Gott. Und weil ich bei meinem Reden und Verkündigen nur auf mich selbst sehe, kann mich mein Mitmensch nicht verstehen. Seine Erfahrun- gen mit Gott sehen ja ganz anders aus, und meine eigenen kann ich ihm nicht durch Reden vermit- teln. Die Frage bleibt also: Wie sprechen wir auf angemessene Weise von unserem Glauben, wie sa- gen wir den anderen weiter, was wir mit Gott erlebt haben und wovon wir überzeugt sind? Hören wir auf Paulus: Ich habe mich allen gegenüber zum Knecht gemacht, damit ich die Mehrzahl von ihnen gewinne. Ich bin den Juden ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne, den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne; allen bin ich alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. Ich lese hier die Antwort: Der andere, der Mit- mensch, mein Nächster muß meine Orientierung sein. Er bestimmt das Wie. Wenn ich bei ihm theo- logische Bildung voraussetzen kann, darf ich wohl auch einmal in theologischen Begriffen reden. Wenn er sich aufs religiöse Gefühl versteht, darf ich auch einmal meine Gefühle für Jesus anspre- chen. Wenn er das Evangelium dazu mißbraucht, gottlos, ungerecht und unzüchtig zu leben, darf ich ganz gewiß auf die Gebote und das Gesetz Gottes hinweisen. Aber: Stets ist der andere das Maß meines Redens und Handelns! Nicht weil ich so schön so oder so von Gott sprechen kann, soll mich leiten, sondern was mein Mitmensch braucht, was seine Fragen sind, seine Probleme und Nöte. Ihm muß mein Reden entsprechen, denn ihn will ich für Gott gewinnen! Lassen wir uns, wenn wir von dem sprechen, was in uns ist, wenn wir von dem zeugen, woran wir glauben, von den Worten des Paulus leiten: Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. Al- les aber tue ich um des Evangeliums willen! AMEN