Predigt zum Pfingstmontag - 20.5.2002 Textlesung: Apg. 2, 22 - 39 Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus von Nazareth, von Gott unter euch ausgewiesen durch Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wißt - diesen Mann, der durch Gottes Ratschluß und Vorsehung dahingegeben war, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht. Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen. Da er nun durch die rechte Hand Gottes erhöht ist und empfangen hat den verheißenen heiligen Geist vom Vater, hat er diesen ausgegossen, wie ihr hier seht und hört. So wisse nun das ganze Haus Israel gewiß, daß Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat. Als sie aber das hörten, ging's ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun? Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes. Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern sind, so viele der Herr, un- ser Gott, herzurufen wird. Liebe Gemeinde, wir wollen uns nicht damit aufhalten, daß hier nur die Männer von Israel angesprochen werden... Das wissen wir - und besonders die Frauen - ja inzwischen: Auch Petrus und die Apostel waren noch nicht besonders vom Geist Jesu bewegt, der immer die Frauen genau so geachtet und in sein Denken und Handeln einbezogen hat, wie die Männer. - Schauen wir lieber, was wir alle, Frauen und Män- ner, aus diesen Worten an Verständnis, Anstoß, Erbauung und Nutzen ziehen können. Und da drängt es sich uns gleich auf: Wissen wir das nicht alles? Wir haben doch die Zeichen Jesu verstanden! Wir haben doch geglaubt, daß er der Herr und Christus ist. Wir sind doch getauft und wissen um die Vergebung der Sünden und die Verheißung des Heiligen Geistes Gottes. Was fehlt uns also noch, was daran haben wir denn noch nicht gehört, was könnten uns die Worte des Petrus also Neues sagen? - Ich glaube, hier ist es, das Neue, das Wesentliche, das uns verändern will, das im wahrsten Sinn Unerhörte: Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. Und wir sollten das einmal ganz wörtlich nehmen, ohne daran herumzudeuteln und zu übertragen: Euch und euren Kindern gilt die Verheißung... Liebe Gemeinde, was tun wir dafür, daß unsere Kinder die Verheißung hören und kennenlernen? Und ich meine jetzt durchaus auch unsere Enkel oder auch die jungen Leute, die ohne mit uns ver- wandt zu sein, in unserer Nähe leben. Sicher würden sie nicht bestreiten, daß wir als Christen Verantwortung für alle diese "Kinder" tragen. Aber noch einmal: Was tun wir für sie im Sinn der Verheißung und unserer Verantwortung? Nun, wir lassen unsere Kinder taufen! - Ich will das sicher nicht als unwichtig abtun, aber geeignet, einem Säugling auf dem Weg zu Jesus Christus und zum Glauben an Gott zu helfen, ist die Taufe kleiner Kinder, wie sie bei uns meist geübt wird, sicher nicht. Wir beten mit unseren Kindern! - Das ist schon mehr! Besonders wenn dieses Beten mit den Kindern auch wirklich eine feste Gewohnheit ist, wenn es täglich geübt und auch in Zeiten durchgehalten wird, in denen unsere Kinder selbständiger und wir bequemer werden. Dann nämlich machen sie es uns oft zu leicht, sie am Abend mit dem Gutenachtkuß und einem "Schlaf schön" - ohne das ge- meinsame Gebet am Kinderbett - zu verabschieden und vor dem Fernseher sitzen zu bleiben. Wir lassen unsere Kinder konfirmieren! - Sicher! Das tun wir. Aber wir wollen doch auch ganz ehr- lich sein: So sehr beansprucht uns die Konfirmandenzeit meist nicht! Wer verfolgt das schon mit, was die Kinder lernen, worüber sie im Unterricht reden, welchen Fragen sie vielleicht haben und - das ist überall ein großes Problem - wer begleitet seine Kinder schon wirklich während des Konfir- mandenjahrs auch im Gottesdienst? Wenn die PfarrerInnen das bei den Konfirmandeneltern anspre- chen, dann hören sie meist: "Nicht ich will doch konfirmiert werden!" Oder: "Herr Pfarrer, Frau Pfarrerin, ich habe da größtes Vertrauen zu ihnen, sie machen das schon!" - Und was antwortet die Pfarrerin, der Pfarrer? Meist gar nichts oder zu wenig. Was gesagt werden müßte, hört sich vielleicht so an: "Ihr Kind wird auf dem Weg zum Glauben gerade so weit kommen, wie sie es be- gleiten. Ihr Kind braucht zuerst ihr Beispiel, ihr Interesse für seine Beziehung zu Jesus Christus und ihr Vorbild, daß Gottes Sache wichtig ist und wert, für sie zu lernen und in den Gottesdienst hi- neinzuwachsen." Und was tun wir sonst noch, liebe Gemeinde, daß unsere Kinder die "Verheißung hören und ken- nenlernen"? - Lassen sie es uns offen bekennen: Sonst tun wir nicht mehr viel dafür! Wir sprechen unsere Konfirmierten nicht mehr auf den Glauben an. Wir fragen sie nicht, was denn nun eigentlich aus der Konfirmandenzeit bei ihnen hängengeblieben und was davon jetzt ihr bleibender Besitz und ein inneres Gut ist, das sie nicht mehr missen möchten. Wir laden sie schon gar nicht dazu ein, doch jetzt auch regelmäßig den Gottesdienst zu besuchen, denn das würde ja auch uns selbst fordern und vielleicht ein Überdenken oder gar eine Veränderung unserer eigenen Kirchgangs-Gewohnheiten mit sich bringen. Wir sagen damit also - auch wo wir eben nichts sagen - daß mit knapp fünfzehn Jahren die Begleitung unserer Kinder zum Glauben der Christen unsererseits zu Ende ist! Liebe Gemeinde, nun ist die Predigt heute ohnedies unangenehm geworden, es kommt also nicht mehr so darauf an, sie noch mit verbindlichen, gefälligen Worten zu retten, so daß wir am Ende dann doch noch sagen können: Es war eine schöne Predigt. Darum will ich noch diese unangenehme Rückfrage hinzufügen: Halten sie ihre Kinder in anderen Bereichen auch schon für so mündig und "fertig", wie es im Reliösen doch den Anschein hat? Was die schulische Ausbildung oder eine Lehre angeht, mischen wir uns noch einige Jahre darüber hinaus mit Rat und Tat in das Leben unserer Kinder ein. Und mit wem sie befreundet sind, wo sie verkehren und wofür sie ihr Geld ausgeben, in- teressiert uns auch und wir nehmen uns durchaus heraus, sie in solchen Dingen zu fragen und zu be- gleiten. - In Glaubensangelegenheiten aber ziehen wir uns nach der Konfirmation völlig zurück? Wa- rum nur? Wollen wir wirklich sagen, ob unser Kind bei Gott und seiner Kirche bleibt, ob es noch wächst in der Beziehung zu Jesus Christus wäre uns gleichgültig oder auch nur weniger bedeutend, als daß es eine gute Arbeitsstelle bekommt oder sein Girokonto richtig verwaltet? Tut Buße...so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes. Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. Ich glaube fest, alle unsere Versuche, mit unseren Kindern auch in religiösen Dingen im Gespräch zu bleiben oder neu ins Gespräch zu kommen, werden gesegnet sein. Genau wie unsere Kinder, wenn sie noch klein sind, auch für sich selbst schöne und wesentliche Erfahrungen machen, wenn wir mit ihnen beten, genau wie unsere Konfirmanden sich freuen, wenn wir hie und da mit ihnen in die Kirche gehen und sie auch einmal fragen, was sie gerade im Unterricht durchnehmen, genau so freut es unsere Konfirmierten, wenn wir uns dafür interessieren, wie es denn um ihr Herz bestellt ist, ob sie denn noch beten und ob sie jetzt nicht als konfirmierte Christen hie und da mit ihnen den Gottes- dienst besuchen wollen. Denken sie doch bloß nicht, für solche Fragen und Gespräche mit den jun- gen Leuten müßten wir Erwachsene doch mindestens einmal selbst einigermaßen im Glauben gefes- tigt und im Kirchgang geübt sein. Im Gegenteil! Gerade wenn Eltern eben nicht als die Glaubenshel- den auftreten, gerade wenn sie selbst unsicher und auf der Suche sind, kommt das bei Jugendlichen gut an. Dann fühlen sie sich mit ihren eigenen Zweifeln und Fragen viel besser an- und ernstgenom- men. Und es ist keine Schande, Fragen und Zweifel zu haben. Viel schlimmer ist es, sich nicht mehr um das Glaubensleben, die Beziehung zu Jesus Christus und die religiöse Entwicklung und das in- nere Wachstum seiner Kinder zu kümmern - weil sie doch schließlich konfirmiert sind! Lassen wir uns hier doch die Erinnerung an unsere eigene Jugend dienen: Waren wir im Glauben fertig und un- sere Beziehung zu Gott gefestigt, als wir 16 oder 18 waren? Und noch eins: Nein, es ist nicht peinlich, jetzt vielleicht in den kommenden Tagen einmal das Gespräch mit unseren Kindern oder auch Enkeln zu suchen. Warum denn nicht einmal mit der Tür ins Haus fallen: "Sag mal, betest du noch?" Oder: "Warum gehst du eigentlich nicht mehr in die Kirche, du hattest doch mal so ein gutes Verhältnis zu dem Pfarrer, der dich konfirmiert hat?" Vielleicht braucht es gar nicht viel mehr - am Anfang. Überlassen wir es dem heiligen Geist Gottes, was daraus werden mag. Peinlich wäre es nur, wenn wir so weitermachten wie bisher. AMEN