Predigt am Sonntag "Kantate" - 28.4.2002 Textlesung: Offb. 15, 2 - 4 Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden. Liebe Gemeinde! Die Worte des Propheten aus der Offenbarung, die wir heute bedenken sollen, sind ja nicht be- sonders lang. Aber es ist doch eine Menge Unverständliches enthalten: Gläsernes Meer, mit Feuer vermengt, Sieg über das Tier, Lied des Lammes... Aber wenden wir uns dem zu, was wir verstehen, das gibt es in diesen Versen auch: Hier singen, hier loben und preisen offenbar Menschen ihren Gott, die dank seiner Hilfe den Sieg behalten haben: Groß und wunderbar sind deine Werke... Und ich finde, das ist doch sehr viel! Das ist beherzigenswert und könnte uns anspornen, darüber nachzuden- ken, ob wir nicht auch viele gute Gründe haben, Gott zu singen und ihn zu loben? Und hier liegt auch sicher die Beziehung dieser Prophetenverse zum heutigen Sonntag, der uns ja zuruft: "Kantate" - singet! Aber welchen Sieg haben wir mit Gottes Hilfe errungen, daß wir Gott unser Lied darbringen? Wel- che Gründe hätten wir zu singen und zu loben? Es ist nicht wenig, was mir dazu einfällt, und irgendwo, vielleicht gar an einigen Stellen werden wir uns selbst gewiß auch wiederfinden: Da ist der Sieg über Kräfte und Einflüsse in dieser Zeit, die uns einreden wollen, es gäbe keinen Gott. Und oft reden sie gar nicht, aber wir spüren doch, daß Gottes Macht nicht anerkannt, seine Gebote nicht gehalten und seine Zukunft nicht geglaubt wird. Aber konkret: Kennen wir sie nicht, die Menschen, die uns nur mitleidig belächeln, wenn wir zum Gottesdienst gehen, uns zum Bi- belkreis aufmachen oder auf dem Friedhof die Gräber unserer Lieben besuchen und schmücken und vielleicht aussprechen: "Ich weiß, daß wir uns wiedersehen!" Aber sie konnten uns eben nicht davon abbringen, weiter dem Gottvertrauen und dieser unerhörten Hoffnung anzuhängen! Trotz aller Gottferne dieser Welt, trotz der Gefühle der Ohnmacht, trotz unserer Trauer, die wir immer noch und immer wieder empfinden, trotz Schmerz und Verlassenheit, die uns täglich neu beschleichen... Wir haben den Glauben, wir haben die Zuversicht festhalten können! Wir haben gesiegt...über den Augenschein, über die Hoffnungslosigkeit und Resignation, gegen alles Reden vom leeren Himmel, vom Vergessen am Ende und dem Schlußstrich unter alles Leben, den der Tod angeblich zieht. Und da ist der Sieg über Schwäche, Behinderung und Krankheit. Manche von uns sind ja wirklich sehr angegriffen und beeinträchtigt. Und wir haben schon gefragt und tun es auch noch heute immer wieder: Warum muß ich dieses Leiden haben? Warum wurde mir diese lebenslängliche Last aufer- legt? Wie reimt es sich mit Gottes Liebe zu mir, daß er mir das Glück der Ehe und Partnerschaft versagt oder dieses Unglück beschieden hat, von dem ich mich nie mehr erholen werde? Das sind große, quälende Fragen! Sie können uns zu Boden ziehen und sie tun das auch immer wieder. Den- noch: Wir haben gesiegt! Daß wir trotz allem bei Gott bleiben, von ihm auch Gutes, Schönes er- warten konnten, zeigt es deutlich: Wir haben gesiegt. Wir waren stärker als die Erklärungen, die sich uns aufdrängen wollten: Du mußt leiden, weil eben kein Gott nach dir sieht. Du bist so krank, weil in dieser Welt und deinem Leben alles bloß nach dem Zufall geht und einem blinden Geschick. Und wir waren auch immer wieder stärker als alle Zweifel und die Verzweiflung, die schon hie und da nach uns gegriffen haben. Und noch manchen anderen Sieg hat der eine oder die andere von uns errungen: Den über die Lust, sich an Geschwätz, Verleumdung und übler Nachrede zu beteiligen. Den über das Behalten und Be- harren, dem wir mit Verzicht und mit dem Teilen unserer Gaben begegnet sind. Vielleicht auch den, Durststrecken in unseren Beziehungen ausgehalten zu haben und über die Versuchung, vor Schwierigkeiten oder nötigen Aussprachen nicht fortgelaufen zu sein. Und auch unsere Bereitschaft zum Verzeihen war immer wieder größer als die Härte unseres Herzens und mancher andere innere Kampf, mancher Streit ist zu unseren Gunsten ausgegangen. Und wir wissen es: Aus uns selbst kam das nicht! Gott ist es, dem wir das verdanken. Er macht so stark. Er läßt geduldig sein, beharrlich und manchmal so fest im Glauben und in der Hoffnung, daß wir selbst staunen müssen. Warum wir also singen können? - Weil wir neben allem Schweren, in allem Leid, aller Krankheit und aller Belastung und allen Schicksalsschlägen doch auch viel Güte, viel Freude und Erfüllung erfahren haben. Aber über alles das hinaus gibt es noch so viel mehr, was uns zum Loben und Preisen Gottes führen will und kann - nur manchmal ist unser Blick schon arg getrübt für das, was wir immer haben und genießen dürfen, und oft können wir gar nicht mehr richtig würdigen, wie gut, wie dankenswert die Dinge, die uns umgeben und all die Gaben unseres Lebens eigentlich sind. Wer fragt, wenn er im Fernsehen die Bilder von Krieg und Vertreibung, von Zerstörung, Hunger und Unterdrückung in vielen Ländern der Erde sieht, warum wir eigentlich von alledem verschont bleiben? Wer wundert sich oder nimmt es auch nur wahr, wie geordnet unsere Lebensbedingungen, wie haltbar (trotz man- cher Abstriche in den letzen Jahren!) unser Gesundheitssystem und das soziale Netz doch sind? Wer kann noch staunen, daß Menschen bei uns doch erträglich leben, auch wenn sie keine Arbeit haben und nicht mehr ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen können? Ja, ist es nicht vielmehr oft so, daß wir uns - vor dem Hintergrund wirklich schrecklicher Katastrophen und grenzenlosen Elends z.B. in der 3. Welt - mit den lächerlichsten Problemchen beschäftigen, uns über unbedeutende Kleinigkeiten aufregen und winzigste Mücken zu Elefanten aufbauen? Und da haben wir die Liebe noch gar nicht bedacht, die uns unsere Familie, die Freunde und so viele andere Menschen entgegenbringen. Wir haben dabei noch nicht von unserem Hab und Gut gesprochen, das uns ein materiell sorgenfreies Leben gewährt. Und der Segen unserer Kinder und Enkel ist uns gar nicht in den Sinn gekommen... Aber ist das nicht alles wirklich Grund genug un- serem Gott zu singen, ihn zu rühmen und zu preisen und ihm zu danken? Und auch das ist wohl noch viel zu wenig: Müßte nicht all unser Leben und jeder Augenblick unserer Zeit erfüllt sein mit Lob und Preis, mit Dankbarkeit und Freude über Gott!? Sicher nicht alle Menschen auf der Welt hätten so viele Gründe, in solche Worte, in solchen Gesang einzustimmen: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Und vielleicht erklärt sich von diesen Gedanken her nun doch auch manches andere in diesen Proph- etenworten, was zuvor nur dunkel und unbegreiflich war: "Gläsernes Meer, Sieg über das Tier, Lied des Lammes..." Vielleicht ist das "gläserne Meer, vermengt mit Feuer, ein Bild für das Böse, für die Hölle, wie wir es ja oft nennen? Diese Hölle haben wir durch Gott überwunden, hinter uns gelassen und nicht mehr vor uns! Das "Tier" wäre dann der Teufel, mit dem wir dem Bösen oft leibhaftige, bildliche Gestalt geben. Auch er hat keine Macht mehr über uns, ist besiegt durch das "Lamm", bei dem wir an Jesus Christus denken. Und was "sein Lied" ist, das fällt uns jetzt auch nicht mehr schwer, uns vorzustel- len. Er wird vom Sieg singen, vielleicht in jenen uralten, kraftvollen Worten, die wir bei Paulus le- sen: "Der Tod ist verschlungen in den Sieg! Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?" (1. Kor. 15,54cf) Liebe Gemeinde, wenn wir auch sicher nicht alles in den Worten und Bildern des Propheten deuten und erklären können, vielleicht kann er uns doch zu dem bewegen, was ihm sicher am wichtigsten ist: Daß wir wie die Menschen am "gläsernen Meer, vermengt mit dem Feuer", wie jene, die durch Gottes Kraft Tod und Teufel überwunden haben, zum Lob und zum Dank an Gott finden. Wenn uns dazu (noch) keine eigenen Worte einfallen, dann wollen wir vorerst diese nehmen: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir...