Predigt zum 1. Advent - 2.12.2001 Liebe Gemeinde! Heute - zum Beginn eines neuen Kirchenjahres - möchte ich alle, die in unserer Gemeinde mitar- beiten, einmal besonders ansprechen. Und da meine ich gar nicht nur die Kirchenvorssteherinnen und Kirchenvorsteher, die KindergottesdienstmitarbeiterInnen oder die Menschen, die andere Krei- se und Gruppen unserer Gemeinde leiten, nein, da meine ich sie alle, denn sie sind alle - minde- stens auf eine Weise - Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unserer Gemeinde! Warum ich das so betone? Nicht weil ich sie, die vielleicht noch nicht mehr in unserer Gemeinde tun, als daß sie den Gottesdienst besuchen, für weitere Arbeit gewinnen will. Und auch nicht, weil ich den Gottesdienst vielleicht als zu wichtig und zu bedeutend einschätze. So nach dem Motto: "Wenn heute noch einer zur Kirche geht, ist das ja schon sehr viel!" Nein, liebe Gemeinde, ich denke vielmehr, daß der Gottesdienst gar nicht wichtig genug genommen werden kann! Er ist und bleibt die Mitte der Gemeinde und aller kirchlichen Arbeit. Und ich denke, daß wir besonders hier die Anstöße für die Arbeit bekommen, daß wir hier immer wieder auftanken und neue Kraft krie- gen, daß von hier aus alle Arbeit ausgeht und nach hier alle Arbeit ausgerichtet ist. Und ich kann das auch umgekehrt sagen: Ohne den Gottesdienst in der Mitte der Gemeinde wird auch alle andere Arbeit ihren Bezugspunkt verlieren. Wer den Gottesdienst seiner Gemeinde nicht mehr besucht, der hat auch die Arbeit für die gute Sache aufgegeben. Und er muß und wird nach und nach aus- brennen, wie ein Feuer, in das keiner mehr ein Scheit Holz nachlegt. Ohne die Ansprache und den Anspruch aus Gottes Wort, ohne Predigt und ohne das Abendmahl hat einer keine Gemeinschaft mehr mit den anderen und mit dem Haupt der Gemeinde, Jesus Christus. Was jetzt vielleicht hart klingt, ist die rechte Übertragung der guten Verse, die uns für heute zu predigen verordnet sind. Sie passen einfach wunderbar zu diesem Tag und seinem Anlaß. Ich will sie uns einmal lesen: Textlesung: Hebr. 10, 19 - 25 Weil wir denn nun, liebe Brüder, durch das Blut Jesu die Freiheit haben zum Eingang in das Hei- ligtum, den er uns aufgetan hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist: durch das Opfer seines Leibes, und haben einen Hohenpriester über das Haus Gottes, so laßt uns hinzu- treten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser. Laßt uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat; und laßt uns aufeinander achthaben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken und nicht verlassen unsre Versammlungen, wie einige zu tun pflegen, sondern einander ermahnen, und das um so mehr, als ihr seht, daß sich der Tag naht. Nicht wahr, wenn ich nach diesen deutlichen Sätzen nun sagen wollte, ob ihr nun den Gottesdienst besucht oder nicht, das ist doch nicht so wichtig...dann würde ich mich schuldig machen an diesem klaren Wort Gottes: "Laßt uns aufeinander achthaben!" Und wenn ich nicht immer wieder und wieder einladen würde, die Kirche und unsere gottesdienstliche Feier hier doch ernster zu nehmen und sie nicht jahrelang zu mißachten, ich hätte das Recht verwirkt, ein Prediger des Wortes Gottes, ihr Pfarrer und Seelsorger zu heißen: "Laßt uns einander anreizen zur Liebe und zu guten Werken, und nicht verlassen unsre Versammlungen, wie einige zu tun pflegen, sondern einander ermahnen!" Nein, hinter all meinem Predigen, hinter all unserer Arbeit für Gottes Sache und für die Menschen muß das stehen: "Laßt uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken!" Hier in der Kirche wird das Bekenntnis der Hoffnung laut! Hier in der Kirche schlägt das Herz unseres Gemeindelebens. Hier in der Kirche ist Mitte und Kraftquell all unserer Arbeit - oder die Kraft wird uns ausgehen und die Arbeit wird zum Erliegen kommen. Soweit die klaren und deutlichen Worte zu den Versen der Schrift. Jetzt wissen sie auch, warum ich sie heute alle Mitarbeiterin und Mitarbeiter genannt habe! Ich weiß ja durchaus, daß in dieser gleichgültigen Zeit etwas dazugehört, die Versammlungen der Gemeinde zu besuchen. Ich weiß, daß es - namentlich für junge Leute - manchmal ein Spießrutenlaufen sein kann, hierher unterwegs zu sein. Und ich weiß auch, daß viele von ihnen immer wieder hören müssen, daß andere abfällige Bemerkungen darüber machen, daß sie sich zu Kirche und Gottesdienst halten. Um mit diesen Ver- sen zu sprechen: Es ist ein Bekenntnis, wenn wir hier sind! Es ist ein Bekenntnis, wenn Menschen am Sonntagmorgen den Weg zur Kirche laufen. Es ist erst recht ein Bekenntnis, wenn sie anderen davon sprechen und sie gar auch dazu einladen. - Es ist also "Mitarbeit", wenn sie dieses Bekennt- nis ablegen. Es ist "Mitarbeit", wenn sie dazu stehen, wirklich christlich zu leben. Es ist "Mitar- beit", wenn sie anderen mit einem klaren Wort, was ihnen der Gottesdienst bedeutet, etwas zum Nachdenken geben. Aber sie bleiben dabei ja nicht stehen. Ich weiß überdies, wie viele von ihnen, auch wenn sie nicht in einem Gemeindekreis mitarbeiten oder Verantwortung tragen, im Hintergrund der Öffentlichkeit viel Gutes und Wichtiges tun. Das ist auch Mitarbeit! Und sie kommt ja auch her aus dem, was hier in der Kirche verkündigt und wozu wir beim Abendmahl gestärkt werden. Wie viele leisten schon seit Jahren einen so wesentlichen Dienst für einen Nachbarn! Wie viele Menschen aus der Ge- meinde wirken segensreich in der Familie, geben dort auch immer wieder den Anstoß weiter, am Glauben und an der Kirche festzuhalten, die Verbindung nicht abreißen zu lassen und wenigstens hie und da einen Kirchgang zu machen. Wie viele schließlich sind es doch auch in unserer Ge- meinde, die als Kirchenvorsteher, als Jungscharleiter, als Mitarbeiterin im Kindergottesdienst die Gemeinde- und Kreisarbeit mittragen. Dabei wollen wir einmal die nicht vergessen, die aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht oder nicht mehr so mitmachen können, wie sie das gern wollten. Ich bin sicher, ja, ich weiß, daß diese Menschen oft voll Trauer, aber auch mit viel innerer Anteilnahme in Gedanken bei unseren Got- tesdiensten dabei sind. Ich will nun auch den letzten Vers, den wir für heute hören, nicht ausklammern, auch wenn er - scheinbar - nicht so gut paßt wie das übrige: "...sondern einander ermahnen, und das um so mehr, als ihr seht, daß sich der Tag naht." Wir müssen nicht darum herum reden: Der jüngste Tag ist gemeint. Der Tag, an dem Jesus Chri- stus wiederkommen wird, nach unserem Glauben. Nun ist mir durchaus bewußt, daß viele Men- schen das in unseren Tagen allenfalls noch gedankenlos mitplappern, wenn es im Glaubensbe- kenntnis heißt: "Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten!" Ich weiß auch, daß es gefährlich ist und oft in der Geschichte leichtfertig war, Gedanken über diese Wiederkunft Jesu Christi laut zu äußern. Schließlich aber weiß ich auch das: Viele von uns haben da einen ganz konkreten Glauben! Viele würden für sich sagen: Ich erwarte den Herrn jeden Tag. Manche meinen wohl sogar: Die Welt unserer Tage, die sich stetig steigernde Überheblichkeit der Menschen weist ganz deutlich darauf hin: Das Ende wird bald sein. Hat Jesus nicht gesagt, daß er dann kommen wird, wenn keiner es erwartet und wie ein Dieb in der Nacht? Gerade wenn wir das glauben, müßte uns das noch mehr anspornen, die Menschen anzusprechen, einzuladen, ihnen von Jesus zu sagen, sie mit allen Kräften, die wir haben, für ihn zu gewinnen, ja zu fangen. Ich kann das auch nachempfinden, was der Schreiber des Hebräerbriefs offensichtlich gedacht hat: Wenn Jesus doch bald wiederkommt, dann wollen wir nicht untätig auf ihn warten. Wir wollen vielmehr von ihm erzählen, zu ihm rufen, seine Vergebung verkündigen, die Menschen zu ihm füh- ren und ziehen. Wir dürfen uns doch nicht einmal sagen lassen müssen: Du wußtest, daß ich bald komme und hast doch nicht für mich gearbeitet und keinen für mich gewonnen? Liebe Mitarbeiterin, lieber Mitarbeiter, ich weiß nun nichts besseres, als daß ich diese so eindring- lichen Verse noch einmal zu uns sprechen lasse: Laßt uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat; und laßt uns aufeinander achthaben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Wer- ken, und nicht verlassen unsre Versammlungen, wie einige zu tun pflegen, sondern einander er- mahnen, und das um so mehr, als ihr seht, daß sich der Tag naht. Gott segne, was wir bisher für die Sache Jesu Christi getan haben. Er schenke uns die Ausdauer, die Geduld und den Mut dabei zu bleiben und in Liebe und guten Werken für seine Gemeinde zu arbeiten - jeder und jede auf seine, auf ihre Weise, so wie wir das mit unseren Kräften können. Gott schenke uns schließlich die Treue zum Gottesdienst und zum Abendmahl, aus der alle Kraft zur Arbeit herkommt.