Predigt zum 1. So. n. Epiphanias - 13.1.2019 Textlesung: Jh. 1, 29 - 34 Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Dieser ist's, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er Israel offenbart werde, darum bin ich gekommen, zu taufen mit Wasser. Und Johannes bezeugte und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich sandte, zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf wen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist's, der mit dem heiligen Geist tauft. Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn. Liebe Gemeinde! Was heute über dieser Predigt steht, was hier Johannes der Täufer ausspricht, ist wohl die kürzeste Beschreibung dessen, worum es in unserem Christenleben geht. Das sollen auch wir: Sehen und bezeugen. Und nicht irgendwen oder irgendwas - Jesus Christus, den Sohn Gottes. - Aber nähern wir uns diesem Wort ein wenig langsamer: Was „sehen“ wir? Zunächst sicher viel Böses, schlechte Verhältnisse, schlimme Vorzeichen und manche verfahrene Situation, persönlich und in der Welt. Gerade am Beginn eines neuen Jahres ist unser Blick ja besonders geschärft und empfänglich für das Dunkle, Bedrohliche, Angsterregende. Gerade weil wir uns doch nach Glück und guten Aussichten im neuen Jahr sehnen, sind wir so empfindlich für alles, was uns die Hoffnung und den Mut nehmen will. So fragen wir uns: Werde ich meine Arbeit behalten? Wird meine Gesundheit in diesem gerade begonnenen Jahr besser werden? Kommt ein wenig mehr Sinn in meine Tage? Werde ich schaffen, was ich mir für die kommenden 12 Monate vorgenommen habe? - Dieser Ausblick nach vorn ist nicht immer hoffnungsvoll. Er kann auch beängstigen und uns das Herz schwer machen. Aber „sehen“ wir nicht auch anderes? Schauen wir doch noch einmal kurz zurück auf die vergangenen 12 Monate: Gab's da nicht auch - neben manchem Schweren - viel Schönes? Ich weiß ja nicht, was ihnen alles widerfahren ist, aber ich nenne hier einmal ein paar Ereignisse, die geschehen sind. Etwas davon haben auch sie erlebt! Einem wurde ein Enkel geschenkt. Ein anderer hat endlich wieder ein gutes Wort mit seinem Nachbarn gewechselt. Eine dritte geht nach jahrelanger Pause wieder arbeiten, und der Anfang ist gelungen: Es macht viel Freude! Einer vierten ist endlich der Herzenswunsch in Erfüllung gegangen: Die Reise nach Gran Canaria! Und dann: Manche Bewahrung haben wir erfahren. Manche Hilfe in Not. Manche Kraft, von der wir wussten, sie kommt nicht aus uns selbst. Gewiss: Wir könnten dem jetzt auch wieder schlechte Erlebnisse gegenüberstellen. Aber die haben nicht unser ganzes Jahr 2018 ausgemacht. Das Gute, das Glück, die Freude gab es auch! Wir haben also „gesehen“! Nur: haben wir auch „bezeugt“? Da werden manche jetzt denken, aber wer wird sich denn hinstellen und ständig verkünden: „Was ich bin und habe kommt von Jesus Christus, meinem Herrn!“ Wer kann das denn auf solche Weise öffentlich werden lassen? Das wäre uns doch peinlich! Ich kann das verstehen. Mir fiele das auch schwer - besonders dann, wenn ich nicht den Talar trage. Doch es gibt auch andere, leisere Möglichkeiten, die aber nicht weniger wichtig und effektiv sind: Da ist das Lächeln, das ich immer einmal zeigen kann - mein grämliches Gesicht spricht sicher nicht für meine Freude und die Geborgenheit im Glauben an meinen Herrn. Da ist ein ehrliches Dankeschön gegenüber Gott in meinem Gebet - wer dankbar ist, der weiß offenbar zu schätzen, was ihm geschenkt wird. Da gibt es aber auch hin und wieder Gelegenheit - vielleicht den Kindern und Enkeln gegenüber - Gott ins Gespräch zu bringen. Warum nicht einmal davon sprechen, wenn wir über unsere Lebenserfahrungen reden, dass wir Gott sehr viel Gutes verdanken? Warum nicht einmal zu solchen Worten finden, wenn wir mit dem Enkelkind an der Hand einen Spaziergang machen: „Weißt du, ich glaube, dass ein Vater im Himmel nach uns sieht - und auch nach dir, nach deinem Papa, der Mama, deinen Geschwistern und Freunden...nach allen Menschen!“ Das würde einen wichtigen Gedanken in unseren Kindern anstoßen! Da würde vielleicht bei unseren Enkeln ein Nachdenken entstehen, ein Fragen, ein erstes Suchen und vielleicht sogar ein bisschen Gottvertrauen? Und warum denn nicht einmal in die Trauer eines Kollegen hinein ein paar Worte des Trostes sagen, vielleicht solche: „Ich kann das nachfühlen, wie es dir jetzt geht! Ich dachte damals, als mein Vater starb, auch, mir bricht die Welt zusammen. Mir hat in dieser schweren Zeit mein Glaube geholfen. Ich wusste, dass mein Vater nicht ins Nichts gefallen ist, sondern in Gottes Hände. Das gilt auch jetzt...für dich und für den Menschen, um den du trauerst!“ Und es gibt auch täglich die kleinen Gelegenheiten, in einer Zeit, die Gott und seiner Sache wenig Raum lässt, den Glauben und worauf unser Herz vertraut zur Sprache zu bringen: Wenn in einer Gesprächsrunde die Resignation siegen will - dann reden wir von Hoffnung und davon, dass Gott am Ende alles in seiner Hand hält. Wenn in unserem Verein die Terminplanung für das Jahr gemacht wird, dann achten wir darauf und sprechen unser Interesse auch einmal deutlich an, dass die Sonntage und besonders die Gottesdienstzeiten frei von Veranstaltungen bleiben und so alle die Möglichkeit haben, den Gottesdienst ihrer Gemeinde zu besuchen. Überall, wo es uns möglich ist, mahnen wir, nicht nur den Schwund der Werte zu beklagen, die in unserer Gesellschaft einmal galten, sondern sich auch ehrlich und tatkräftig dafür einzusetzen, sie zurückzugewinnen. Liebe Gemeinde! Das sollen wir: Sehen und bezeugen. Ich bin ganz sicher, wenn wir uns einmal besinnen, was wir in unserem Leben - und wenn es nur das vergangen Jahr wäre - erfahren und von Gott und seiner Macht „gesehen“ haben, dann werden wir alle sagen müssen: Es war viel Gutes, viel Schönes und manches kleine und große Wunder dabei! Aber ich bin auch sicher, dass wir aus den gemachten Erfahrungen heraus, nicht in dem Maß „bezeugt“ haben, wie es recht gewesen wäre. Vielleicht gelingt uns das im gerade begonnenen Jahr besser? Ich wünsche uns für dieses Jahr, dass Gott uns wieder reichlich und gnädig sehen lässt, wie sehr er uns liebt und dass er in Jesus Christus seinen Sohn in die Welt gesandt hat, einen starken Helfer für alles, was auf uns zukommt. Darüber hinaus aber wünsche ich uns, dass wir das Bekennen lernen. Nicht unbedingt das laute, öffentliche, aber doch das deutliche Sprechen darüber, was wir mit Gott erlebt haben und täglich neu erleben, wenigstens vor unseren Leuten, den Menschen in unserer Nähe und besonders den Kindern! Und das fröhliche Gesicht, das zu diesem Wissen passt, wünsche ich uns auch. AMEN