Predigt am 15. Sonntag nach Trinitatis - 24.9.2017 Textlesung: Lk. 18, 28 - 30 Da sprach Petrus: Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt. Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben. Liebe Gemeinde! Das hört sich ja zunächst wie eine bloße Feststellung an: „Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt.“ Aber es ist eine unverschämte Forderung! Und Jesus hat sie auch richtig verstanden! Petrus will eigentlich wissen: Was kriegen wir dafür, dass wir so viel für dich und deine Sache aufgegeben haben? Wo ist unser Lohn? Heute würden wir fragen: Was bringt mir das, wenn ich für dich arbeite, Jesus? Dabei haben sich die Jünger wirklich noch nicht übernommen! Gut, sie waren viel zu Fuß unterwegs gewesen mit diesem Wanderprediger Jesus. Hie und da hatten sie gewiss im Freien übernachten müssen. Aber sonst? Zu essen hatten sie immer gehabt. Und nicht schlecht, wie wir hören. Immerhin hatte man ihren Meister einen „Fresser und Weinsäufer“ geheißen. Gewiss nicht, weil er wie ein Bettler leben musste! Wie kommt Petrus also dazu, noch mehr zu verlangen? War das die Sehnsucht nach Frau und Kindern, die er manchmal wochenlang nicht sehen konnte? Vermisste er seine Heimat, die Gegend um den See Genezareth, an dem er einmal Fischer gewesen war? War es die ungewohnte Arbeit als Menschen-fischer, die ihm zusetzte? Dem gegenüber stand ja aber allemal auch ein großer Gewinn an Ansehen - er war der Ober- Jünger sozusagen. Auch an Macht - er hatte es in der Hand, die Leute zu Jesus vorzulassen oder abzuweisen. Und schließlich liebte er doch auch diesen Jesus und hatte es selbst gewollt, dieses Leben in seiner Nachfolge! Was will er also noch? Meine Gedanken gingen an dieser Stelle fort von Petrus - hin zu uns! Sind wir zufrieden mit dem, was es uns bringt, zu Jesus zu gehören? Sind wir bescheiden genug, die Rolle anzunehmen, die uns der Herr in dieser Welt zu spielen aufgetragen hat? Oder wollen wir nicht auch mehr? Ansehen, Geld, Gesundheit, Heilung, Erlösung von diesem und jenem Leid? Und was wir noch so ganz persönlich wünschen, wollen und fordern? Ja, wenn Petrus „unverschämt“ war, sind wir es dann nicht auch? Nun, werden wir entgegnen, uns hat es ja auch nicht so viel beschert, Christi Nachfolger zu sein, wie dem Petrus. Ich frage zurück: Wirklich nicht? Wem geht es so schlecht in seinem Leben? Wer will sich allen Ernstes mit Menschen vergleichen, die wirklich in Not sind, die Hunger leiden in dieser Welt oder in hoffnungslosem Elend ohne jede Zukunftsperspektive dahinvegetieren - denken wir dabei nur an die zahllosen Asylbewerber, die monate- und jahrelang nicht wissen, ob sie in unserem Land bleiben dürfen. Aber es gibt noch ganz andere Vorzüge, die wir genießen. Und da will ich nicht die tausend Bewahrungen nennen, die Gott uns schon geschenkt hat, ich will nicht die vielen Unglücke anführen, vor denen uns Gott beschützt und nicht die Stunden persönlichen Leids, aus denen er uns geholfen hat. Denn unser Gott hilft nicht nur denen, die an ihn glauben. Und er schützt nicht nur seine Leute und bewahrt nicht nur die Christen. Nein, ich will von unserer Freude reden, die er uns täglich gibt und von unserem Wissen und unserer Hoffnung. Denn das ist unser großer Vorzug: Die Freude an jedem Morgen neu, dass wir hier in diesem Leben nicht auf einer Irrfahrt unterwegs sind, sondern zur ewigen Heimat, nach Hause! Und das Wissen im Herzen zu haben, dass Gott uns liebt, uns nicht fallenlässt, nicht abschreibt, wenn wir versagen. Und wir versagen oft. Und schließlich die Hoffnung: Da liegt ein Sinn hinter allem, was mir begegnet! Und es wird nicht dunkel bleiben, wenn ich durch finstere Zeiten muss. Und es gibt einen Plan, den Gott mit mir hat und mit seiner Welt! Und so fühlen wir doch, so steht es doch mit uns und unserem Glauben! Das alles haben wir doch im Herzen und in den Händen - und sind dennoch nicht zufrieden, sondern fragen immer und immer wieder - wie Petrus schon: Herr, was gibst du uns eigentlich dafür, dass wir zu dir gehören? - Unverschämt, nicht wahr? So gesehen finde ich es erstaunlich und doch auch gnädig und wunderbar, dass Jesus nicht rügt und nicht schreit: Wie kannst du so fragen? Hast du immer noch nicht genug der Güte und Liebe erfahren? - Er bleibt ruhig. Ich kann mir vorstellen, wie gütig er Petrus dabei anblickt, wenn er entgegnet: Niemand ist, der so viel auf sich nimmt, der es nicht reichlich vergolten bekommt in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben! Und an dieser Stelle fällt es uns vielleicht auf, dass Jesus nicht nur den Petrus anspricht, der ihn doch gefragt hatte. „Wahrlich, ich sage euch...“, so beginnen seine Worte. Als hätte er gespürt, dass auch die anderen Jünger so denken wie Petrus. Und als hätte er damals auch schon einmal uns mit einbezogen. Denn wir sind nicht anders als die Jünger: Undankbar und unverschämt. - Aber wir dürfen sogar das sein! Kein Schimpfen. Keine ärgerlichen Blicke. Kein verständnisloses Kopfschütteln. Nur noch mehr Liebe, noch größere Geschenke, eine herrliche Aussicht: Nicht nur dieses Leben, ein ewiges Leben in Gottes Reich! Spätestens hier beginnen wir uns - bei aller Un-verschämtheit - denn doch zu schämen! Es ist ja wahr, dass wir uns nicht beklagen können! Es ist uns immer gut gegangen bei Gott. Christ zu sein, mag uns ja hin und wieder ein bedauerndes Lächeln der Mitmenschen eintragen, aber gefährlich oder dem persönlichen oder beruflichen Fortkommen hinderlich ist es doch gewiss nicht! Zu Jesus zu zählen, seinen Namen bewusst zu tragen, ist vielleicht in dieser Zeit vor der Menge keine Auszeichnung mehr, aber ein Makel ist es auch nicht und bei uns auch kein Grund, uns zu verfolgen. Im Gegenteil! Ich entdecke immer wieder in den Gesichtern der Menschen, die erfahren, dass ich als Christ leben will, dass sie so ein bisschen traurig werden. Ich erkläre mir das damit: Sie fühlen in diesem Augenblick, dass ihnen etwas fehlt, was sie auch gern hätten, dass sie eine Sehnsucht nach dem Sinn des Lebens verspüren, den sie noch nicht gefunden haben. Und ich weiß von Mitchristen in unseren Dörfern (unserer Stadt), dass sie auch die fast neidischen Blicke der Menschen kennen, die keinen Glauben haben. Und selbst wenn sie dann auf der Kirche, den Pfarrerinnen und Pfarrern oder den anderen Christen herumhacken, merken wir doch schnell, im Grunde ist ihr ganzes Reden und Schimpfen ein einziger Aufschrei: „Ach, könnte ich doch auch glauben!“ - „Ach, hätte ich doch, was du hast: Freude, Sinn, Hoffnung, etwas, was mich halten kann - auch wenn ich an den Tod denke.“ Liebe Gemeinde, wenn wir uns also trauen, mit solch un-verschämten Forderungen vor Jesus zu treten - wie Petrus das schon getan hat, dann bringen wir vielleicht auch die Un- verschämtheit auf, die nötig ist, unsere Mitmenschen zu diesem überaus gnädigen Herrn einzuladen: Jesus Christus. Er ist ja für alle Menschen gekommen - auch für die, die ihn bis heute noch nicht kennen. Auch ihnen spricht er zu: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wiederempfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben. Und für uns selbst werden wir vielleicht ein wenig stiller, bescheidener und vor allem dankbarer. Neben allem, was wir schon geschenkt bekommen haben, will Gott uns sogar noch ein ewiges Leben schenken! Unbegreiflich diese Güte! Aber doch wahr! Trotz all unseren maßlosen Forderns! Obgleich wir es nicht verdient haben. - Was für ein reicher, großzügiger Gott! AMEN