Predigt am 12. Sonntag nach Trinitatis - 3.9.2017 Textlesung: Jes. 29, 17 - 24 Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden, und was jetzt fruchtbares Land ist, soll wie ein Wald werden. Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen; und die Elenden werden wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein in dem Heiligen Israels. Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern aus sein, und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten, welche die Leute schuldig sprechen vor Gericht und stellen dem nach, der sie zurechtweist im Tor, und beugen durch Lügen das Recht des Unschuldigen. Darum spricht der HERR, der Abraham erlöst hat, zum Hause Jakob: Jakob soll nicht mehr beschämt dastehen, und sein Antlitz soll nicht mehr erblassen. Denn wenn sie sehen werden die Werke meiner Hände - seine Kinder - in ihrer Mitte, werden sie meinen Namen heiligen; sie werden den Heiligen Jakobs heiligen und den Gott Israels fürchten. Und die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werden sich belehren lassen. Liebe Gemeinde, diese Worte des Propheten wecken bei mir eine große Sehnsucht! Wenn ich ihnen meine Gedanken dazu sage, dann kommen Sie vielleicht auch ins Schwärmen, es entstehen Bilder vor Ihren geistigen Augen und Sie beginnen vielleicht wie ich zu träumen und sagen wie ich: Ja, so müsste es sein... „Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden.“ Da musste ich an unsere Gesellschaft denken und das moralische Bild des Jammers, das sie weithin abgibt. Wie sie sich immer mehr von Gott, seinem Willen und Gebot entfernt. Wie viele Götzen sie anbetet, die doch nicht helfen können und das Leben nicht wirklich besser und erfüllter machen. Ich musste daran denken, wie sich der Konsum breit macht, so breit, dass er auch den Sonntag und das Gebot, ihn zu heiligen, zunehmend verdrängt. Eine Äußerung eines Politikers von vor einiger Zeit fiel mir wieder ein, die, obgleich sie für meine Ohren ungeheuerlich war, doch öffentlich unwidersprochen blieb: Wir müssten endlich davon wegkommen, den Reichen etwas nehmen zu wollen, um es den Armen zu geben, hat er gesagt. Und ich bekenne frei, dass ich bis heute davon ausgegangen bin, dass eigentlich dies der Sinn der Steuergerechtigkeit und der angeblich sozialen Marktwirtschaft wäre. Und noch so vieles ging mir durch den Kopf, das sich einfach nicht reimen lässt mit Gottes Wort und Willen, vieles, von dem die Väter und Mütter unserer doch christlich begründeten Verfassung nie für möglich gehalten hätten, dass es einmal Wirklichkeit würde. Und da stieg es in mir auf, dieses Sehnen: „Noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden...“ Ach, wenn wir das doch auch erlebten! Nicht die Reichen würden immer reicher, die Armen bekämen auch einmal etwas ab! Der Sonntag würde wirklich ein Tag der Ruhe und der Familie und der Besinnung, der seelischen Erhebung und des Gottesdienstes. Und nicht der Konsum, die Sachen und das Geld stünden im Mittelpunkt, sondern die Gemeinschaft, was dem anderen dient, einer käme dem andern in Liebe und Freundlichkeit zuvor. „...die Tauben werden hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen; und die Elenden werden wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein...“ Was für eine Aussicht! „Es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern aus sein, und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten, welche die Leute schuldig sprechen vor Gericht und stellen dem nach, der sie zurechtweist im Tor, und beugen durch Lügen das Recht des Unschuldigen...“ Auch hierzu sehe ich Bilder und höre Worte aus unseren Tagen: Die Menschen fallen mir ein, die anderen, ohne mit der Wimper zu zucken, die Unwahrheit sagen und sie betrügen, die ihre Nachbarn, ihre Kollegen, ihre Ehepartner übervorteilen, hintergehen und verletzen, Menschen auch, die uns mit hochgezogenen Augenbrauen anschauen...weil wir uns zur Kirche halten, weil wir in den Gottesdienst gehen und im Abendmahl Gottes Vergebung und Kraft suchen. Und an jene denke ich, die auch noch Freude daran haben, wenn ein anderer einen Schicksalsschlag nach dem anderen erleidet und die das gar noch als Gottes Strafe deuten: „Du wirst Schuld auf dich geladen, wirst getan haben, was deinem Gott nicht gefallen hat! Sonst würde er doch jetzt nicht...“ Und ich denke an jene, die uns wohlwissend, dass die Schuld auf ihrer Seite ist, ins Unrecht setzen und uns dann noch schneiden und meiden und so tun, als hätten sie uns etwas vorzuwerfen. Und es tut mir wohl, wenn ich in dieses Sehnen hinein Gottes tröstliches Wort höre: „Darum spricht der HERR, der Abraham erlöst hat, zum Hause Jakob: Jakob soll nicht mehr beschämt dastehen, und sein Antlitz soll nicht mehr erblassen...die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werden sich belehren lassen.“ Nur, stimmt das denn? Wird das geschehen? Und wann? Wir wissen es: Die Worte des Jesaja sind zweieinhalb Tausend Jahre alt. Das Volk Israel, durch Verschleppung und Verbannung geschlagen, hat sie zuerst gehört. Wir wissen nicht genau, ob sich die Verhältnisse damals wirklich so zum Guten verändert haben. Durchschlagend waren die Veränderung und damit die Erfüllung der Verheißung nicht. - Ist also kein Verlass auf Gottes Worte? Man könnte so denken und viele tun es ja auch, damals wie heute. Ich möchte Gottes Verheißungswort anders verstehen: Nicht als einen Hinweis auf die Zeit, wann es sich erfüllt, dann und dann, einst oder bald, sondern als sein 'Bekenntnis' sozusagen: „Ich, der Gott Israels, der Schöpfer des Himmels und der Erde, will das so, wie ich es hier sage! Wenn ich euch, meinen Menschenkindern auch die Freiheit lasse, das Gute und Rechte oder das Böse zu tun, so hört ihr hier doch, was ich will und was gut wäre für euch und alle Menschen.“ Gottes Wille steht also ein für alle Mal hinter diesen Worten: „...der Libanon soll fruchtbares Land werden...die Tauben sollen hören...die Augen der Blinden sehen; und die Elenden sollen wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen sollen fröhlich sein...es soll ein Ende haben mit den Tyrannen und Spöttern...die, welche irren in ihrem Geist, sollen Verstand annehmen, und die, welche murren, sich belehren lassen.“ Gott macht sich also zum Anwalt gerechter Verhältnisse in der Gesellschaft! Gott möchte, dass die „Tauben“ endlich die Schreie der Elenden und Armen hören, ihnen vom eigenen Überfluss abgeben und sie so Anteil an einem Leben haben lassen, in dem auch sie sich wohlfühlen und gerne, fröhlich und ohne Sorge leben können. Und Gott will, dass die „Blinden“ sehen, was sie ihren Mitmenschen antun, wenn sie ihr Recht mit Füßen treten und über sie herfallen, weil sie die Macht in Händen haben oder am längeren Hebel sitzen. Und Gott ist ein Fürsprecher für alle, die von anderen um ihre Lebensfreude betrogen, die verletzt, beleidigt und beschämt werden, weil die Starken meinen, ihre Schwäche ausnutzen zu können. Und Gott ist auf der Seite derer, die von oben herab betrachtet werden, über die man süffisant lächelt, weil sie sich von Gott, von seiner Kirche, der Predigt seines Wortes und dem Segen seines Sakramentes etwas erwarten. Gott möchte, dass all die Menschen, die das Glück anderer schmälern und ihr Recht beschneiden, endlich Vernunft annehmen und zu ihm, zur Gemeinschaft seiner Leute und einem Leben, wie er es gemeint hat, umkehren. Wir wollen jetzt nicht sagen, aber wir hätten uns doch so gewünscht, dass Gott seine Verheißung auch selbst erfüllt, damals oder spätestens in unserer Zeit! Wir wollen sehen, wie doch schon sein Wille unser Sehnen stillen, unsere Hoffnung treiben und unsere Taten anspornen kann. Denn alles, was wir nun seinem Wollen entsprechend tun, hat Gottes Segen! Gesegnet sind wir, wenn wir uns nach Kräften mühen, dass sich unsere Gesellschaft vom Konsum und den anderen Götzen dieser Zeit abwendet und neu den Menschen in die Mitte rückt. Gesegnet sind wir, wenn wir die Sache der Armen fördern, und mithelfen, dass sie zu ihrem Recht kommen. Gesegnet sind wir, wenn wir die Lasten der Bedrückten mittragen, die Wunden der Verletzten verbinden, die Angstvollen ermutigen, den Traurigen Trost geben, dass sie wieder fröhlich sind und den Beschämten Worte zusprechen, die sie aufrichten und den Kopf heben lassen. Gesegnet sind wir, wenn wir bei Gott und seiner Sache aushalten, wenn wir unbeirrt seine Wege gehen und seinem Ziel für die Welt und die Menschen dienen. Gesegnet sind wir, wenn von uns ausgeht, was Menschen zur Vernunft kommen lässt und ihnen vor Augen und Herzen führt, was Gott von ihnen haben will. Gesegnet sind wir... Und wir werden diesen Segen spüren und er wird uns froh machen und gewiss, dass wir nicht allein sind, dass wir Gott an unserer Seite haben, dass er mit uns seine Verheißungen heute wahrmachen will. Wir werden seinen Segen spüren und was wir in seiner Kraft erreichen, wird uns zu Vorgeschmack und gewisser Hoffnung werden, dass Gott selbst am Ende aller Zeit, wenn sein Tag kommt, ewig wirklich werden lassen will: „...die Elenden werden wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein... sie werden sehen die Werke meiner Hände - seine Kinder - in ihrer Mitte, sie werden meinen Namen heiligen und den Gott Israels fürchten.“ AMEN