Predigt zum Sonntag „Sexagesimä“ - 19.2.2017 Liebe Gemeinde! Manchmal merkt man schon, dass sich die Kirchenleute (- von der Liturgischen Kommission) etwas dabei gedacht haben, als sie schon vor Jahrzehnten gerade die Texte ausgewählt haben, die uns im Lauf der Jahre Sonntag für Sonntag verordnet sind. Die Verse heute passen wirklich wunderbar zu dem Gleichnis, das wir letzten Sonntag gehört haben. Einige von Ihnen wissen es sicher noch; das Gleichnis endete am vorigen Sonntag so: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen war, so sollt ihr sprechen: Wir sind unnütze Knechte, wir haben nur getan, was wir schuldig sind. Besonders gefallen hat uns dieses Wort nicht. Denn man konnte schon den Eindruck gewinnen, alle unsere Mühen sind zu wenig. Selbst wenn wir unser Bestes geben, ist es nicht genug. Wir müssen uns also immer mehr und mehr anstrengen, immer noch besser werden, uns entwickeln, schaffen und schuften für Gott und die Menschen. Aber ist das so? - Hören wir die Verse aus dem Evangelium des Markus, die uns heute zu bedenken vorgeschlagen sind. Wie gesagt, sie passen! Sie können ein Licht von der anderen Seite auf die Sache mit Gott werfen, genau von der anderen Seite. Textlesung: Mk. 4, 26 - 29 Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht, wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da. Da haben wir also am vorigen Sonntag gedacht, Gott möchte Mägde und Knechte haben, die wer weiß was anstellen, um für sein Reich zu arbeiten. Wir haben gemeint, wir müssten uns im Dienst an den Menschen aufreiben und krummlegen. Manchem von uns ist es vielleicht spätestens am letzten Sonntag für lange vergangen, es überhaupt noch mit dem christlichen Leben zu versuchen. Wenn man das aber auch hört: Ihr seid unnütze Knechte! Ihr seid schuldig, dass ihr das alles tut - und noch mehr! Wo wir uns doch wirklich gerne auch einmal in unserer Kirchenbank zurücklegen und zu uns sprechen möchten: „Na also, Gott nimmt das doch auch wahr, wenn ich für ihn Zeit habe, wenn ich zu anderen vom Glauben spreche, wenn ich die Hoffnung auf sein Reich verbreite und Liebe zu meinen Mitmenschen übe.“ Und da eben hat uns das erschüttert und klein gemacht und uns aus unseren selbstgefälligen Gedanken aufgestört: „Unnütz, faul, nur getan, was ihr schuldig wart...“ Da kann uns das Wort von heute wirklich wieder versöhnen: „...der Same geht auf und wächst, der Sämann weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht. Von selbst kommt die Ernte.“ - Wir müssen uns also nicht anstrengen. Wir dürfen die Hände in den Schoß legen. Wir dürfen auch ausruhen von der Saat und aller Arbeit. Wachstum und Frucht kommen von allein. Es ist gar nicht nötig, dass wir uns beim Dienen und in der Nächstenliebe verausgaben. Letztlich macht es doch Gott, ob etwas daraus wird, ob Körner aufgehen und Früchte reifen. Da haben wir jetzt also den totalen Widerspruch! Und beide Geschichten stehen doch in der Bibel! Und gar nicht einmal eine im Alten - und die andere im Neuen Testament. Nein, das eine war Lukas, heute das ist Markus, zwei Bücher aus der Reihe der Evangelien, direkt hintereinander kommen sie: Matthäus, Markus, Lukas... - Aber ist es wirklich ein Widerspruch? Bevor ich jetzt wieder die kleine Freude, die sich in uns breit machen will, ersticke... Gehen wir dem Wort für heute noch ein wenig nach, buchstabieren wir es durch, sozusagen: Der Sämann in der Geschichte schläft und steht auf...die Saat keimt von allein, wächst und wird zur Frucht...der Bauer weiß gar nicht wie. Ganz von selbst geht dieses Wachstum. Das heißt, Gottes Hand, sein Segen ist über ihr und schafft die Körner in der vollen Ähre. Das tut uns doch wirklich einmal wohl, wenn wir dieses Bild in unser Leben als Christen übertragen! Ich denke gar nicht nur, weil wir uns drücken wollen, für Gottes Sache zu wirken. Aber manchmal kann uns das doch an den Rand der Verzweiflung bringen, wenn wir so wenig Erfolg aller unserer Mühen sehen. Ich weiß von vielen in unserer Gemeinde, die sich wirklich sehr darum bemühen, die Neubürger auf die Sache der Kirche anzusprechen, die ihnen und den anderen Menschen im Dorf immer wieder nachgehen und manchmal sicher auf die Nerven gehen damit. Aber wie bescheiden nehmen sich doch die Zahlen der Menschen aus, die sich dann um das Wort Jesu Christi scharen. (Und da dürfen wir hier ja noch sehr zufrieden sein, wie viele Leute doch am Sonntag und bei anderen Gelegenheiten, die Gemeinschaft in der Kirche und das gute Wort Gottes suchen.) Ja, wir wünschen uns mehr! Wir möchten - um der Sache und um des Seelenheils der Menschen willen - dass die gute Botschaft mehr gehört wird, stärker Herzen bewegt und die Freude, die damit verbunden ist, weiter um sich greift! Aber hören wir jetzt gut hin: „Von selbst keimt die Saat. Von selbst gibt es den Halm und das Wachstum. Von allein kommt die Frucht“ - nur weil Gott es will und nicht durch unser Mühen und Schaffen. Nehmen wir also zur Kenntnis und zu Herzen: Wir müssen uns nicht ganz und gar aufreiben. „An Gottes Segen ist alles gelegen.“ So sagen wir im Sprichwort, und wir wissen, dass es stimmt. Genießen wir also auch die Ruhe, die Gott uns in unserem Wirken für sein Reich gönnen will. Er macht es schon. - Ein wirklich erfreuliches Wort! Und es scheint wie das notwendige Gegengewicht zum vorigen Sonntag: „Ihr seid unnütze Knechte. Ihr seid faul und schuldig, zu arbeiten.“ Wir dürfen also auch einmal faul sein! Es ist keine Schande, auch einmal die Hände sinken zu lassen und nichts zu schaffen. Deswegen sind wir dann nicht gleich unnütz! Soweit der tröstliche Teil dieser Verse. Aber wir wollen jetzt auch das Ganze sehen, den Anfang besonders. Da heißt es ja auch: „Das Reich Gottes ist, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft...“ Aha, ganz ohne Mühe geht es doch nicht! Und die landwirtschaftlich geprägten Menschen unter uns haben jetzt noch weiter gedacht: Bevor der Sämann überhaupt an die Saat gehen kann, hat er doch schon so einige Dinge zuvor getan: Den Boden umgepflügt, geeggt, gedüngt und das Saatgut und die Geräte vorbereitet. Das hat schon ein hübsches Stück Arbeit bedeutet. Und schließlich: Die Saat selbst ist - oder besser: war zur Zeit Jesu - auch kein Pappenstiel. Da musste man schon sehr konzentriert sein, dass die Körner gut verteilt wurden und nicht einige Stellen gar nichts, dafür andere eine ganze Handvoll abbekamen. Und das dürfen wir auch übertragen. Die „Saat“ ist ja in unserem Leben die Arbeit für Gottes Reich. Sie soll, sie muss also auch sein! Ja, zuallererst sogar geht es um das Säen..., wie soll denn auch Frucht für Gott entstehen, wenn keine Körner der Liebe ausgestreut werden? Und - da gibt es keine Ausflucht - das ist Sache der Menschen, der Leute Jesu Christi, derer, die an ihn glauben und auf seine Zukunft hoffen. Und überdies gehören dazu auch alle Tätigkeiten bis zur Saat: Das Lockern der Herzen, das Düngen der Seelen, das Umwerfen der verkrusteten Schollen, die manches Gemüt bedecken, das Aufbrechen der bösen Erwartungen mit dem Pflug unsrer freundlichen Worte, unsere selbstlose Zuwendung, mit der wir den Boden der Gefühle in den Hoffnungslosen und Verzweifelten für Gott bereiten und aufnahmefähig machen für seinen Zuspruch. So hat dieses Wort - wie ja auch die Wahrheit Gottes überhaupt - mindestens zwei Seiten: Wir sollen, wenn uns Gottes Wort entzündet hat, davon weitersagen, weiterleben und austeilen an die Menschen: Das ist die Saat. Und wenn wir das tun, müssen wir uns nicht loben lassen - wir tun nur, was wir schuldig sind und was Gott von uns verlangen kann. Wenn wir so Gott und den Menschen dienen, nach Kräften und in dem Maß, wie uns Gott dazu die Gaben geschenkt hat, dann dürfen wir auch einmal ausruhen und alle Sorgen um das Gedeihen und das Wachstum auf Gott werfen. Dann ist er dran. Und er wird aus manchem schlechten Boden reiche Ernte wachsen lassen und manche halbherzig gestreute Saat wird aufgehen und wir werden nur staunen und rühmen können. Und daran werden wir dann lernen, was die tiefste Wahrheit dieser und aller Gleichnisse ist: Wir können zuletzt gar nichts machen und vollbringen. Es liegt an Gottes Wollen und seinem Segen. Er ist der Herr, der Saat und der Ernte, des Wachstums und der Früchte, und er ist auch der Herr unserer Gaben, unserer Kraft, unserer Liebe, unserer Worte und unserer Überzeugung, mit der wir sie anderen Menschen vorlegen. Gott ist der Herr! Wir dürfen an seinem Werk mittun - mit geschenkten Kräften, die wir verliehen bekommen haben, dass wir sie für ihn und die Menschen einsetzen, in Dienst und Arbeit, in Saat und Zeugnis, in Liebe und dem tröstenden Wort. Wir dürfen mittun! Und soweit wir das tun, müssen wir uns keine Gedanken machen. Die Frucht wirkt Gott. Sein Segen schafft die Ernte. Ihm allein ist und bleibt die Ehre - von Ewigkeit zu Ewigkeit. AMEN