Predigt zum 4. So. n. Epiphanias - 29.1.2017 Liebe Gemeinde! Manchmal kommt es darauf an, mit was für Augen man eine Sache anschaut. Der heutige Predigttext malt uns ein Bild. Ich möchte Ihren Blick - bevor ich's Ihnen zeige - dafür schärfen, was da gemeint ist: Es handelt sich um die Geschichte „Jesus wandelt auf dem Wasser“, in der auch Petrus und die anderen Jünger ihre Rollen haben. Die Geschichte ist für mich ein Bild für die Kirche, die Gemeinde und ihr Verhältnis zu ihrem Herrn. Vielleicht achten Sie einmal darauf, wenn ich jetzt die Verse des Textes lese. Er steht bei Matthäus im 14. Kapitel: Textlesung: Mt. 14, 22 - 33 Und alsbald trieb Jesus seine Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm hinüberzufahren, bis er das Volk gehen ließe. Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und am Abend war er dort allein. Und das Boot war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem See. Und als ihn die Jünger sahen auf dem See gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht! Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, hilf mir! Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und sie traten in das Boot und der Wind legte sich. Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn! Mir scheint, das Bild hat schöne und ermutigende, aber auch ernste Züge, die uns leicht die Hoffnung nehmen können. Es ist sozusagen mit hellen und mit dunklen Pinselstrichen gemalt. Es ist nun nicht so, als hätten wir da ein Gemälde aus uralter Zeit vor uns, längst nicht mehr aktuell, bei dem die Farben verblasst sind und wir sagen: uninteressant! Mir sieht es eher so aus, als wäre es erst gestern gemalt und fast sehe ich die Personen und Ereignisse vor mir, die es darstellt. Da könnte unsere Gemeinde gemeint sein und du und ich kommen vielleicht drin vor in diesen Bild, sehen wir einmal. - Betrachten wir erst seine dunklen Seiten: Das Schiff, das sich Gemeinde nennt, treibt auf dem Meer. 12 Jünger in einem Boot, das ist alles - die ganze Gemeinde. Zwei Handvoll Menschen nennen ihn den Herrn, ein Dutzend unter Tausenden, mehr nicht. Eine erbärmliche Schar, die auf sein Wort hört. Das Volk, die Massen sind nicht mit unterwegs, die sind am sicheren Ufer geblieben und schweben jetzt nicht über der abgründigen Tiefe. Doch selbst die Seinen sind ängstlich; Jesus muss sie hinüberschicken: „Und alsbald trieb Jesus seine Jünger, dass sie in das Schiff traten und vor ihm hinüberfuhren...“ Sie wären wohl auch lieber in der Geborgenheit des Bekannten und Vertrauten geblieben, als ins Ungewisse aufzubrechen. Eine verzagte Gemeinde: Nur nichts wagen, nur nichts Neues probieren, bloß nichts riskieren: Wer weiß, was herauskommt? Aber jetzt sind sie doch auf dem Wasser. Der Herr hat's von ihnen verlangt. Und es kommt, wie sie's befürchtet haben: Der Wind steht ihnen entgegen, es gelingt kaum auf Kurs zu bleiben und schon ist die Angst da und schon wird lamentiert: Hätten wir doch! Wären wir doch nicht! Die Furcht hat das Häuflein schon so im Griff, dass sie nicht einmal erkennen, wer ihnen da übers Wasser entgegenkommt: Der Herr! Es kann ihnen schon nichts mehr geschehen - sie begreifen es nicht, meinen ein Gespenst zu sehen. Kennen sie denn nicht sein Gesicht? Sind sie denn nicht vertraut mit seiner Stimme? Nein, er muss erst rufen: Ich bin's! Aber die Seinen können's immer noch nicht glauben und so muss er's beweisen und muss locken: Komm her, Petrus! Und der steigt aus dem Boot; und Petrus, der Fels, wird weich, er zweifelt, dass es der Herr ist, der ihn zu sich ruft - und er versinkt. Was den Herrn trägt - ihn trägt's nicht! Sein Vertrauen ist zu klein. Es hält ihn nicht über der Tiefe. Petrus - der Erste unter den Jüngern - sinkt wie ein Stein. Ob Sie darin unser Abbild entdecken, liebe Zuhörer? Seine Gemeinde bei uns, die kleine Schar seiner Leute, die seine Stimme hören, sein Gesetz halten, seine Liebe leben. Wie groß müsste das Boot sein? Wie viele blieben am Ufer zurück. In Sicherheit, wie sie meinen, versorgt, mit sich selbst beschäftigt und satt. Aber auch die Leute, die mit ihm gehen, muss der Herr antreiben: Vorwärts! Ihr habt eine Aufgabe an der Welt, an den Menschen. Setzt euch ein für die Ziele, die ihr als richtig erkannt habt. Tut das Gute, auch wenn's Opfer kostet. Bleibt in Bewegung auf mich hin. Steckt die Menschen an, reißt sie mit, überzeugt sie! Ihr seid die Erwählten, Ihr habt die rettende Botschaft, Ihr wisst den Weg - was soll werden, wenn Ihr versagt? Aber die Fahrt ist kein Zuckerschlecken. Es gibt Schwierigkeiten. Angst macht sich im Boot breit. Mancher würde gern aussteigen, wenn er nur könnte: Warum hat man sich darauf eingelassen? Warum dahin fahren, wohin dieser Herr wies? Wäre man doch nur am Ufer geblieben, bei der Masse, die sich um diesen Herrn nicht schert. - Kaum bläst uns der Wind ins Gesicht, ist die Furcht da! Das Wort des Meisters, das uns aufbrechen hieß, hält uns nicht mehr, wenn die Wogen hochgehen. Das Vertrauen schwindet, der Glaube bricht sich an den Wellen. Und wenn der Herr nun selbst käme, uns entgegen, „Fürchtet euch nicht“ auf den Lippen, die Arme ausgereckt, uns zu umfangen - würden wir ihn erkennen, würden wir ihm entgegengehen, ohne Angst, wenn's sein muss über Tiefe und Abgrund hinweg, im Vertrauen, dies allein ist der Herr über Hölle, Tod und Verderben? - Oder versänken wir im Wasser wie Petrus, der Fels? Doch schauen wir nach den hellen Stellen des Bildes: Jesus selbst heißt uns fahren: Macht euch auf zu neuen Ufern, nach drüben - ich werde dort auf euch warten. Das ist nicht irgendeiner, der uns ruft, sondern der Heiland, der das Ziel kennt, der Steuermann, der weiß, wo Untiefen und Klippen drohen - und er ist da, wenn der Sturm gegen uns steht, wenn uns angst und bange wird, wenn wir verzagen möchten und seinen Auftrag am liebsten über Bord werfen möchten - er ist da! Und in alle Fragen, Ängste und Zweifel hinein hören wir sein Wort: Ich bin's! Und es wird uns ruhig machen, wenn er uns sein „Fürchtet euch nicht“ zuruft. Kein Gespenst, er ist's, er, der Herr! Und er hält uns auch dann noch, wenn uns Furcht und Kleinglaube in die Tiefe ziehen wollen und wir sinken wie ein Stein. Er hält uns! Zugegeben: Das Bild dieser Fahrt im Boot ist nicht sehr einladend, andere Bilder der Bibel gefallen uns besser: Die fröhliche Gottesstadt, die ausgelassene Tischgesellschaft, die Hochzeit. Das sind schöne Bilder für die Gemeinde, Bilder nach unseren Geschmack. Aber die Sache mit dem Schiff in der tosenden See... Ist dieses Bild nicht einfach ehrlich und echt?! Wie klein ist doch das Häuflein der Gemeinde! Ich meine damit die Menschen, die wirklich seine Leute sind, die nicht vor der Macht in die Knie gehen, die dem Mammon nicht huldigen, die nicht die Güter raffen, die vielmehr Luxus verachten, wenn er auf dem Elend aufgebaut ist. Seine Leute, Menschen, die seinen Weg gehen, den schmalen Pfad hinter ihm her ins Leben, die in seiner Spur bleiben, durch Leid und Freude, bis unters Kreuz - aber von dort zum Heil. Seine Leute, Menschen, die er bewegt, die sich von seiner Art und seiner Liebe leiten lassen, die seine Sache vorantreiben, gegen Rückschläge, gegen Besserwisserei der anderen und gegen die eigene Trägheit. Dieses Bild ist ehrlich und beschönigt nichts. Eine kleine Schar im Boot über der angsterregenden Flut. Das ist seine Gemeinde. Der Sturm will uns erschrecken, der Wind kommt von vorn. Wir kommen nur sehr schwer vorwärts. Aber: Er hat uns gesandt. Sein Wort hieß uns aufbrechen. Er ist bei uns in der Not, wenn die Angst kommt und wir verzagen möchten. „Fürchtet euch nicht, ich bin's!“ Und schließlich wartet drüben sein Ziel für uns - auf der anderen Seite der tobenden See - das Leben. Am Ufer bleiben ist einfacher. Dort ist man sicher, lebt behäbig, muss sich nicht den Gefahren aussetzen, nicht das Risiko eines Aufbruchs eingehen, wer weiß, wohin? Aber hören wir auch das: Der Herr ist schon nicht mehr unter ihnen! Er ging voraus auf die andere Seite. Dort wartet er. Von dort kommt er entgegen. Wie soll man zu ihm gelangen, ohne sich dem Boot anzuvertrauen, dem Schiff, das sich Gemeinde nennt? AMEN --- _________________________________________________________________ (Vielleicht kann noch gesungen werden: „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt...“, das vor dem Gottesdienst kopiert wurde und jetzt ausgeteilt wird. Dann geht es so weiter:) Liebe Gemeinde, lassen Sie uns jetzt das Lied singen: „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt...“ Wir singen alle fünf Strophen. 1. Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, fährt durch das Meer der Zeit. Das Ziel, das ihm die Richtung weist, heißt Gottes Ewigkeit. Das Schiff, es fährt von Sturm bedroht durch Angst, Not und Gefahr, Verzweiflung, Hoffnung, Kampf und Sieg, so fährt es Jahr um Jahr. Und immer wieder fragt man sich, wird denn das Schiff bestehn? Erreicht es wohl das große Ziel? Wird es nicht untergehn? Kehrvers: Bleibe bei uns, Herr! Bleibe bei uns, Herr, denn sonst sind wir allein auf der Fahrt durch das Meer. O bleibe bei uns, Herr. 2. Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, liegt oft im Hafen fest, weil sich's in Sicherheit und Ruh, bequemer leben lässt. Man sonnt sich gern im alten Glanz, vergangner Herrlichkeiten und ist doch heute für den Ruf zur Ausfahrt nicht bereit. Doch wer Gefahr und Leiden scheut, erlebt von Gott nicht viel. Nur wer das Wagnis auf sich nimmt, erreicht das große Ziel. 3) Im Schiff, das sich Gemeinde nennt, muss eine Mannschaft sein, sonst ist man auf der weiten Fahrt verloren und allein. Ein jeder stehe, wo er steht, und tue seine Pflicht; wenn er sein Teil nicht treu erfüllt, gelingt das Ganze nicht. Und was die Mannschaft auf dem Schiff ganz fest zusammenschweißt in Glaube, Hoffnung, Zuversicht, ist Gottes guter Geist. 4) Im Schiff, das sich Gemeinde nennt, fragt man sich hin und her: Wie finden wir den rechten Kurs zur Fahrt im weiten Meer? Der rät wohl dies, der andre das, man redet lang und viel und kommt - kurzsichtig, wie man ist - nur weiter weg vom Ziel. Doch da, wo man das Laute flieht und lieber horcht und schweigt, bekommt von Gott man ganz gewiss den rechten Weg gezeigt! 5) Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, fährt durch das Meer der Zeit. Das Ziel, das ihm die Richtung weist, heißt Gottes Ewigkeit. Und wenn uns Einsamkeit bedroht, wenn Angst uns überfällt: Viel Freunde sind mit unterwegs auf gleichen Kurs gestellt. Das gibt uns wieder neuen Mut, wir sind nicht mehr allein. So läuft das Schiff nach langer Fahrt in Gottes Hafen ein! Melodie unter http://www.tritonus.eu/Chorsaetze/EinSchiff1bis2.pdf