Predigt zum 1. So. n. Epiphanias - 8.1.2017 Liebe Gemeinde! Geht es ihnen nicht auch so: Man kommt einfach nicht mehr mit. Die Zeit ist zu schnell geworden! Da haben wir gerade noch um den Adventskranz gesessen, Plätzchen gebacken, Weihnachts- einkäufe gemacht und die Geschenke verpackt... Und jetzt ist schon wieder das neue Jahr da. Wir wollten doch Weihnachten so genießen, hatten uns so viel vorgenommen für die Feiertage oder wollten auch einfach nur Ruhe haben und uns erholen... Schon waren die paar freien Tage zwischen den Jahren herum. Silvester mit der Knallerei und den vielen Wünschen und Vorsätzen ist auch vorbei. Der Alltag hat uns wieder. Der Christbaum steht zum Abholen vor der Tür. Im Haus erinnert nichts mehr daran, dass erst vor zwei Wochen Weihnachten war. - Ist es in unserem Inneren anders? Hören wir zusammen auf ein paar Verse zu diesem Sonntag. Ich finde, sie nehmen gerade diese Gedanken auf und - vor allem! - sie können uns vielleicht helfen, in dieser schnellen Zeit, etwas festzuhalten, was wir im Fluge der Tage, Wochen und Jahre nicht verlieren dürfen. Textlesung: Mt. 4, 12 - 17 Als nun Jesus hörte, dass Johannes gefangengesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jes. 8,23; 9,1): „Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.“ Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Ich weiß nun nicht, ob Sie auch gleich herausgehört haben, was ich als hilfreich empfinde, wenn wir an die so rasch dahineilende Zeit denken? Es ist ja einiges in diesen Versen enthalten, ziemlich unterschiedliche Gedanken über Johannes, Jesus, Nazareth und Kapernaum, Sebulon und Naftali, von Licht und Finsternis, Buße und dem Himmelreich. Über alles das könnte man sprechen - mehr oder weniger interessant und erbaulich. Aber ich meine dies: „Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen!“ Das sind doch wir, dieses Volk! Wir haben noch vor 14 Tagen im Glanz dieses Lichts gesessen. Wir haben die Geburt Jesu gefeiert, der das Licht dieser Welt und unseres Lebens geworden ist. Nur: Ist dieser helle Schein nicht auch schon längst in der Ferne hinter uns zurückgeblieben? Tragen wir das Licht noch in Händen? Erhellt es uns noch den Weg? Wenn wir an unseren Beruf denken, dann können wir uns das eigentlich gar nicht leisten, noch an Weihnachten und dem letzten Jahr zu kleben. Wir haben 2017! Für die Kaufleute ein neues Geschäftsjahr, für alle, die in der Politik tätig sind, ein neues Wirtschaftsjahr und für die Leute von den Kirchenvorständen der Gemeinden ein neues Haushaltsjahr. So müssen etwa die letzten Rechnungen für 2016 in den nächsten Tagen angewiesen werden. Dann beginnt nämlich auch im Gemeindehaushalt das neue Jahr - endgültig! Und privat? Persönlich? Können wir da an Vergangenem festhalten? Geht nicht auch hier die Zeit voran - und buchstäblich: im Sauseschritt? Gerade ist unser Kind oder Enkelkind doch geboren. In diesem Sommer nun kommt es schon in die Schule. Ist es ihnen nicht auch schon oft so gegangen, dass sie nicht mehr sagen konnten, wann dieses oder jenes frohe oder traurige Ereignis gewesen ist? Liegt das nun erst ein, zwei oder schon fünf Jahre zurück? Die rasende Zeit überholt alle Erinnerung. Und da sollen wir das Licht des letzten Weihnachtsfestes bewahren und mitnehmen in dieses neue Jahr? Viele von Ihnen wissen, wie wir von der Kirche uns in den Gottesdiensten an Weihnachten und über den Jahreswechsel bemüht haben, Ihnen etwas mitzugeben, was der Erinnerung hilft, dass sie das Weihnachtslicht und die tröstlichen Gedanken am Jahresübergang nicht so schnell verliert. Ich weiß, viele von Ihnen haben das gewiss auch versucht, die guten Gedanken festzuhalten. Nur - wie ist es mit diesen Dingen. Nach und nach entgleiten sie uns doch, die guten Erinnerungen. Alles versinkt nach und nach im Meer des Vergessens. Alles wird hinuntergerissen in den Strudel der Zeit. Weiter geht es, immer weiter...die Zeit, unser Leben... Wir spüren jetzt, liebe Gemeinde, dass es sehr schwierig ist, gegen die dahinfliegende Zeit anzukommen. Auch alle gut gemeinten Versuche mit schönen Gottesdiensten und eindrücklichen Predigten, bleibende Erinnerungen zu schaffen und sie festzuhalten, sind zum Scheitern verurteilt. Wir brauchen noch mehr. Es muss noch etwas hinzukommen zu den Dingen fürs Auge und fürs Ohr. - Nur was? „Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.“ Wir müssen uns an mehr erinnern, als an die Worte der Predigten über Weihnachten, am Altjahrsabend oder am Neujahrstag. - Wie heißt es hier: Das Volk im Finstern hat ein Licht gesehen... Saßen wir nicht auch schon in der Finsternis? Haben wir nicht auch die Schatten des Todes, der Krankheit, des Abschieds, des Leids und des Schmerzes kennengelernt? Und nicht nur im vergangenen Jahr - aber da doch auch! Und sind wir nicht - durch Gottes Hilfe - hindurchgekommen? Ja, sagen wir es so: Hat uns nicht das Licht Jesu Christi hindurchgeleuchtet? War es nicht für eine Zeit ganz dunkel in unserem Leben? Was hat uns hindurchgebracht? Wer hat uns geführt? - Wir wissen es: Das Licht Jesu ist das gewesen. Das Licht des Glaubens an ihn. Das Vertrauen auf ihn und auch die Erfahrungen mit ihm. Zwei Erlebnisse dazu, die Menschen gemacht haben. Sie mögen stellvertretend für viele und vieles stehen. Manche Menschen haben mir schon Ähnliches erzählt: Sie hatte große Angst vor der Operation gehabt. Als es dann so weit war, hat sie alles in Gottes Hände gelegt und...ist ganz ruhig geworden, weil sie gespürt hat, es ist jetzt einer bei mir. Ich bin nicht allein. Was auch geschieht, es ist Gott, der an mir handelt. Ob es nun so oder so ausgeht, Gott lässt mich nicht im Stich. Ich bin bei ihm geborgen, wenn nicht mehr in der Zeit, so doch in Ewigkeit. Er hatte gemeint, das wird nie mehr, als er seine Stelle verloren hatte. In den ersten Monaten war ja noch Aussicht, dass er bald wieder etwas finden würde. Aber dann. „Was, schon über 50!? Da sind Sie schwer vermittelbar.“ Die Familie hat sich vorbildlich verhalten, gewiss. Aber dieses nagende Gefühl, eigentlich überflüssig zu sein. Entbehrlich, nichts mehr wert... Ihm hat nur die Gewissheit geholfen, bei Gott nicht überflüssig zu sein. Der Pfarrer seiner Gemeinde hatte es in seiner Predigt immer wieder gesagt: Jeder Mensch ist für Gott unendlich wertvoll. Und das hat nichts mit seiner Leistung zu tun. Jesus Christus hat jedem diesen Wert gegeben. Der ist nicht abhängig davon, dass einer Arbeit hat oder nicht, sich selbst für wichtig hält oder nicht, Ansehen bei den Leuten genießt oder nicht. Dieses Wissen ist ihm damals zu einer großen Hilfe, einem „Licht“ geworden. Dass er dann auch noch eine neue Stelle gefunden hat, die ihm gefällt und ihn zufrieden macht... Das war wie eine Zugabe. Nein, schöne Gottesdienste, vielleicht Krippenspiele der Kinder und gute Predigten sind nicht genug. Wir müssen uns auch an unsere Erfahrungen erinnern. Dazu braucht es nicht nur den Augenblick, in dem unser Auge, unser Ohr das Geschehen an Heiligabend wahrnimmt oder die Worte der Predigten über den Jahreswechsel hört. Dazu braucht es Zeit, wenigstens eine kleine Weile - jeden Tag! Was wir also gegen die so schnell verrinnende Zeit setzen müssen und setzen können, ist dies: Zeit! Was wir wahrscheinlich am Silvesterabend gemacht haben und was doch auch nicht mehr lange in unserem Gedächtnis haftet, wenn nun 2017 auch so vieles auf uns einstürmt, nämlich eine Bilanz des Vergangenen, das sollten wir jeden Tag machen: Bilanz des Tages, sehen, was gut war, was schwer war, wie sich Sorgen aufgelöst oder Leiden gelindert haben... Das auch im Gebet vor Gott bringen, ihm danken und ihn getrost auch bitten. Das wird uns helfen. Aber das ist keine Sache eines Augenaufschlags, dazu braucht es schon einige Minuten. Und noch mehr können wir tun - und es kann uns zur guten Gewohnheit werden: Dass wir auch die Erfahrungen eines Tages festhalten, sie zusammenbringen mit den Erfahrungen der Vergangenheit aus unserer Erinnerung: „Das ist doch jetzt genauso wie schon vor Monaten..., und damals ging es dann doch wieder aufwärts und ich bin hindurchgekommen, hindurchgeführt worden.“ - „Warum soll ich Angst haben, mein Gott hilft mir gewiss, wie er mir geholfen hat!“ - „Wenn ich auch jetzt ein paar Tage im Dunkel sein muss - das Licht meines Herrn leuchtet mir auch in der Finsternis, und er wird es bei mir auch wieder hell machen wie schon einige Mal in meinem Leben!“ Liebe Gemeinde, das wünsche ich Ihnen, dass Sie täglich zu dieser kleinen Weile finden, zu diesen paar Minuten der Erinnerung an die guten Erfahrungen mit dem Licht Jesu Christi. Das wird Ihnen helfen, den nötigen Halt, das Vertrauen, den Glauben und eine getroste Gelassenheit in der so rasch dahineilenden Zeit zu bewahren. AMEN