Predigt am 12. Sonntag nach Trinitatis – 14.8.2016 Liebe Gemeinde! Wir fallen immer gern in die Extreme: Entweder meinen wir, dass wir doch alles können. Dann sind wir leicht überheblich. Dann bilden wir uns viel auf unsere Talente und Fähigkeiten ein. Dann sehen wir auch gern auf die andern herab. - Oder wir trauen uns kaum etwas zu. Unser Lieblingsspruch ist dann: Das kann ich doch nicht! Und oft, wenn wir gefordert werden, möchten wir uns am liebsten in ein Mauseloch verkriechen. Gewiss: Das Richtige wäre - wie meistens - die Mitte: Da, wo wir eine Aufgabe sehen und erfüllen können, sollten wir uns auch einbringen! Dort, wo wir wirklich kein Verständnis und keine Ahnung haben, sollten wir den Mund halten und die Finger fortlassen. So sieht es aus, soweit wir Weltmenschen, Glieder der Gesellschaft, Nachbarn, Familienangehörige und dergleichen sind. - Wie steht's mit uns - als Christen? Erstaunlich ist das! Oft meint man: Das ist ja gerade umgekehrt bei dem und dem. Vom Sport versteht er jede Menge! In Fragen der Politik ist er immer mit dem Mund vornedran! Wenn man ihn hört, gibt es niemand, der musikalischer wäre! Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Nur, wenn es um christliche Lebensfragen geht, da weiß er nichts, da will er auch nichts wissen - das ist Sache der Kirche, der Pfarrer, der Frommen... Das hat bei einigen sicher damit zu tun, dass sie sich drücken wollen. Sie denken, wenn wir uns als Fachleute in Sachen Christentum ausweisen, dann können wir in unserem Alltag schlecht wie die Heiden leben! Das schützt ja auch vor peinlichen Fragen, wenn jeder von mir weiß: Der hat mit Jesus Christus erklärtermaßen nichts vor. - Das sind aber wohl nur wenige. Ich glaube auch nicht dass solche Menschen jetzt unter uns sind. Aber die anderen! Die Ängstlichen, die ihre Möglichkeiten und Gaben für Christi Auftrag immer so gering einschätzen, die sitzen jetzt hier unter uns - und ich denke: zahlreich! Für die ist der heutige Predigttext eine rechte Ermutigung. Hören Sie einmal zu: Textlesung: Apg. 9, 1 - 9 (10 - 20) Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe. Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden. Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht. Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und er sprach: Hier bin ich, Herr. Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und die Hand auf ihn legte, damit er wieder sehend werde. Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wieviel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangenzunehmen, die deinen Namen anrufen. Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel. Ich will ihm zeigen, wieviel er leiden muss um meines Namens willen. Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem heiligen Geist erfüllt werdest. Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen und nahm Speise zu sich und stärkte sich. Saulus blieb aber einige Tage bei den Jüngern in Damaskus. Und alsbald predigte er in den Synagogen von Jesus, dass dieser Gottes Sohn sei. Eine lange Geschichte. Es soll uns heute einmal nur auf den einen Gedanken ankommen: Der Verfolger des Herrn, der mit „Drohen und Morden“ gegen die Jünger „schnaubte“, wird Jesu „auserwähltes Werkzeug“. Ich habe vorhin gesagt, das wäre ermutigend. Für sich genommen vielleicht noch nicht. Man könnte ja sagen: Eine große Ausnahme - dieser Paulus! Da ist einmal einer vom Gegner Christi zum Apostel geworden, vom Saulus zum Paulus eben. Aber sonst? Wo gibt's denn so etwas sonst noch – auch noch in unserer Zeit? Das ist es halt: Ich werde ihnen jetzt sofort fünf andere biblische Gestalten nennen, bei denen es ähnlich war: „Mose“, der von sich sagt, sende einen anderen zu Pharao, ich kann nicht reden. Der Prophet „Jeremia“, der den Auftrag Gottes weit von sich weisen will: „Herr, ich bin zu jung und tauge nicht zum Predigen!“ Der „König Saul“, der sich versteckt, als ihn Gottes Ruf zum Fürsten über Israel bestimmt. Der Jünger „Simon Petrus“, ein einfacher Fischer, der den Herrn verleugnet und die Menschenführung nie gelernt hat, - der wird nach Jesu Tod das Haupt der ersten Gemeinde in Jerusalem. Und schließlich der „Johannes“, der das Buch der Offenbarung geschrieben hat. Als er beauftragt wird, seine Prophezeiungen aufzuzeichnen, fällt er nieder und ist vor Angst wie tot, so lesen wir's von ihm selbst geschrieben. Immer wieder der gleiche Zug, derselbe erstaunliche Wille Gottes: Dich will ich haben, nicht weil du so geeignet wärest für die Aufgabe, die ich dir stellen will, sondern weil meine Kraft mit dir sein wird! Leicht könnten wir noch einige andere Menschen der Bibel finden, die das gleiche erlebt haben - nur ein wenig anders. Und nicht nur in der Bibel gibt's die Leute, die uns gar nicht so recht gemacht scheinen für die Pläne Gottes mit ihnen: Können sie sich an „Mutter Teresa“ aus Kalkutta erinnern, wie sie aussah? Eine zarte, zerbrechliche Frau. Aber bis ins hohe Alter entwickelte sie im Einsatz für verhungernde, sterbende Menschen riesige körperliche und seelische Kräfte! Oder auch Christen wie du und ich. Wir kennen - Gott sei Dank! - ja auch in unserem Dorf / unserer Stadt Menschen, die ihre Aufgabe als Christen einmal erkannt haben und jetzt treu wahrnehmen. Da sind auch ganz einfache Leute darunter: Nicht besonders ausgebildet...von wegen Theologiestudium, keine überragenden Talente im Reden... Und doch haben sie irgendwann einmal gespürt: Diese Aufgabe kann ich erfüllen, diese Hilfe kann von mir ausgehen, der braucht gerade mich, dafür bin ich der richtige Mann, die richtige Frau. Und bestimmt ist da auch immer im Hintergrund der Gedanke: Dazu will Gott mich haben, das ist sein Auftrag - für mich! Ich kann einfach nicht glauben, dass sich der Sinn unseres Lebens darin erschöpft zu essen, zu trinken, zu arbeiten und zu schlafen...und dass wir ansonsten keinen weiteren Auftrag haben sollen. Einen von Gott her, meine ich. Auch glaube ich, dass einer, der begriffen hat, was Christus für ihn getan hat, so froh und dankbar wird, dass er die Ohren aufmacht, um seine Aufgabe zu hören und die Augen, um Gottes Plan mit ihm zu sehen. Wird der Schuldner, dem alles erlassen ist, nicht vor Freude andere froh und glücklich machen? Wird der Mensch, dem ein ewiges Leben geschenkt ist, nicht von seinen Tagen und Stunden in dieser Welt austeilen und herschenken können? Wird einer, von dem für alle Gaben Gottes doch nur die Liebe zu Schöpfer und Mitgeschöpf verlangt ist, nicht diese Liebe üben, wo immer er kann? Wäre das nicht traurig, wenn einer nur immer nehmen und nehmen könnte? Wäre das nicht sehr undankbar? Wer wollte einem solchen glauben, dass er sich über Gottes Geschenke freut, ja, dass er sie überhaupt als Geschenke begreift? Wenn wir jetzt sprechen können: „Ja, das ist eigentlich wahr! Ich sollte wirklich ein bisschen mehr Dank für alles, was ich empfange, weiterreichen“, dann kommt schnell wieder das andere und macht die guten Ansätze wieder kaputt: „Das kann ich doch nicht! Dazu bin ich doch nicht geeignet!“ Schauen wir doch wirklich einmal auf Paulus, auf Jeremia, auf Saul, auf Petrus, auf Johannes, auf Mutter Teresa, auf diesen und jene, die das beweisen: Es kommt nicht auf unsere Eignung an. Es liegt nicht an unserer Begabung und unseren Fähigkeiten. Wir können nicht den Mangel an Talent vorschieben! Es liegt allein an der Kraft Gottes - und es liegt an unserem Willen, von ihr Gebrauch zu machen! „Dieser, der mit Drohen und Morden gegen meine Leute schnaubt, ist mein auserwähltes Werkzeug“, spricht der Herr. So war es bei Paulus. - Und bei uns? Du! die du von dir glaubst, du könntest nicht reden, du sollst deinem Mann, deinen Kindern und Enkeln einmal von deiner Beziehung zu Jesus Christus erzählen, was er für dich bedeutet, wie du auf ihn vertraust... Du! - die du doch weißt, wie sehr dein Nachbar Hilfe brauchte - deine Hilfe - du sollst um Christi willen einmal über seine Schwelle treten und diese Hilfe anbieten, auch wenn du denkst, es geht über deine Zeit und deine Kraft! Du! - der du immer gemeint hast: „Aber, meine Freizeit gehört ganz mir!“, du sollst einmal an wenigstens einen denken, der in dieser Gemeinde auf Deinen Besuch und ein gutes Wort wartet! - Braucht es mehr Beispiele? Wir könnten...wir können!...so viel! Die Aufgaben liegen buchstäblich vor unseren Füßen. Spätestens seit heute kann es keine Ausrede mehr sein, wenn wir auf unsere schwachen Fähigkeiten weisen. Darum geht es nicht. Darum ist es - das wissen wir insgeheim! - nie gegangen. Und ich glaube fast, wir haben dafür gar nicht nur das Beispiel des Paulus, des Jeremia und der anderen „Täter“ der Sache Gottes. Wir haben das auch selbst schon erfahren: Gerade als wir damals so am Boden waren - hat Gott uns seine Kraft geschenkt! Gerade als wir uns damals am liebsten davon gemacht hätten vor den gewaltigen Anforderungen, haben wir empfunden: Da hilft noch ein anderer kräftig mit! Als uns die Trauer vor Jahren schier das Herz abgedrückt hat, sind wir hinterher - ja, gerade durch die Trauer! - stärker gewesen. Dieses eigentümliche Handeln Gottes, der sich immer und immer wieder die Geringen, die scheinbar Ungeeigneten und die Schwachen für seinen Dienst aussucht, hat auch schon in unser Leben eingegriffen! Besinnen wir uns nur einmal. Wir sind gar nicht allein auf Paulus, Johannes, Mose und den und den aus unserer Umgebung angewiesen. Wir selbst sind schon manchmal Beispiele dafür gewesen. Lassen wir uns durch die Geschichte der Bekehrung, wie sie Paulus erlebt hat, Mut machen: Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig! Um unser Können, um unsere Talente und Fähigkeiten, um unsere Kraft geht es gar nicht. AMEN